Die Konkurrenz um humanitäre Hilfe bei den Flüchtlingssammelstellen führt zur Erscheinung einer „sozialen Invalidität“ – Aktivisten

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Kiew, 12. November 2015 – Vertreter von Gesellschaftsorganisationen, die sich mit Flüchtlingsfragen in der Ukraine beschäftigen, führten ein Monitoring der Modulstädte für Flüchtlinge in Dniprodserschynsk, Dnipropetrowsk, Pawlohrad, Saporischschja und Nikopol durch. Ein Ziel des Monitorings war, zu klären, ob die Sammelstellen tatsächlich zur Erscheinung einer „sozialen Invalidität“ führen, wenn ein Mensch aufhört, sich selbständig neuen Bedingungen anzupassen. Nachdem das Monitoring durchgeführt wurde, gab es Anzeichen dafür, dass ein Faktor, der diese Erscheinung hervorruft, in der Konkurrenz um humanitäre Hilfe besteht, die manchmal in dieser Umgebung entsteht.

„Während der Flucht war für manche Leute die humanitäre Hilfe eine Bedingung dafür, dass sie überleben. Aber seither ist einige Zeit vergangen und die Leute hätten die Möglichkeit, selbst nach Arbeit zu suchen, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Das heißt nicht, dass die humanitäre Hilfe überflüssig ist, da viele Leute sie immer noch benötigen. Aber man muss das Verteilungsprinzip überdenken. Eine Lösung dieses Problems kann zum Beispiel in der bedarfsbezogenen Hilfe durch ein Key-Management werden, oder dass Hilfe langfristig gezielt geleistet wird“, berichtete Olga Iwkina, Koordinatorin des Ressourcenkontaktzentrums, während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center.

Nach Angaben von Igor Moros, Analyst des Ressourcenzentrums für Hilfe an Binnenflüchtlinge, zeigten die Ergebnisse der Untersuchung, dass derzeit alle Modulstädte nur zu 68 Prozent besetzt sind und die Mehrzahl der Sammelstellenbewohner insgesamt mit ihren Aufenthaltsbedingungen zufrieden sind. In dieser Etappe erklärten 52 Prozent der Repräsentanten, dass die Relation ihres Lohns zur Miete von Wohnraum es ihnen nicht erlaubt, diese Modulstädte zu verlassen, um eine eigene Wohnung zu mieten. 10 Prozent erklärten auch, dass ihr Wohnraum völlig zerstört wurde. Und 12 Prozent meinten, dass sie Angst haben, nach Hause zurückzukehren, da es sich im Bereich der sogenannten „DVR“ und „LVR“ befindet. Und 20 Prozent wollen einfach nicht in diese Gebiete zurück, wo es zu Kampfhandlungen kam. 60-70 Prozent, die in diesen Modulstädten leben, erklärten, dass sie keine Diskriminierung seitens der Lokalbewohner oder Staatsorgane gegenüber ihnen bemerken.

Der Großteil von Bewohnern der Sammelstellen gehört zu sozial minderbemittelten Bevölkerungskategorien, wie Rentner, Invaliden oder alleinerziehende Eltern mit Kleinkindern. Die Anzahl der arbeitsfähigen Bevölkerung in Sammelstellen beträgt weniger als die Hälfte der dortigen Gesamtbewohner. Darunter ist ein sehr hoher Anteil an Frauen mit Kleinkindern, die sich im Schwangerschaftsurlaub befinden.

Die Untersuchung ergab, dass ein Teil der Bewohner von Sammelstellen innerhalb von sechs oder mehr Monaten keine Arbeit finden konnte. Ein anderer Teil ist der Meinung, dass man relativ schnell Arbeit finden kann, wofür man keine hohen Anforderungen erfüllen muss und wenn man nicht auf das Gehaltsniveau achtet. Ein weiterer Teil meint, dass man für besser bezahlte und qualitative Arbeit 2-3 Monate lang suchen muss.

„Sehr oft wird die erfolglose Suche nach Arbeit durch äußere Faktoren gerechtfertigt, wie zum Beispiel, dass Arbeitgeber eher Lokalbewohner einstellen und junge Leute bevorzugen, wobei sie keine Binnenflüchtlinge einstellen. Dabei zeigte über die Hälfte der Befragten die Bereitschaft zu einer Qualifikationsverbesserung, sowie mit Psychologen und Sozialarbeitern zu arbeiten“, berichtete Olga Semenowa, Koordinatorin des Beschäftigungszentrums für freie Menschen.

Das Monitoring ergab, dass ein Teil der Menschen in Flüchtlingssammelstellen ernsthafte Schwierigkeiten damit hat, sich anzupassen und dass sie zusätzliche soziale und psychologische Hilfe brauchen, die aus einem klaren Plan bestehen soll, sowie aus einer Untersuchung der allgemeinen Problematik, sowie der individuellen Probleme jeder Familie.

„Es ist auch sehr wichtig, sich Gedanken zu machen, dass die Leute, die sich in diesen Sammelstellen befinden, nicht eingeschlossen werden und dass sich ihre sozialen Kontakte nicht nur auf Nachbarn und die Arbeit beschränken. Es ist wichtig, sie zu allgemeinen Stadtveranstaltungen oder irgendeiner Aktivität einzuladen. Damit dies alles möglich wird, ist es wichtig, dass die staatlichen Strukturen dafür Verantwortung übernehmen“, sagte Tetjana Sirenko, Expertin des Hilfszentrums „Recht auf Gesundheit“.