Kohlegruben in der Ukraine: investieren oder schließen?

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Im Ukraine Crisis Media Center fand eine Diskussion zum Thema „Kohlegruben in der Ukraine: investieren oder schließen“ statt. Experten versuchten, die Zukunft der ukrainischen Gruben zu bestimmen

Kiew, 15. Juni 2016 – Die meisten Experten meinen, dass es die sinnvollste Lösung für die Ineffektivität der staatlichen Gruben ist, sie zu privatisieren und die verlustbringenden zu schließen. Danach sollen die Gruben entsprechend den Verpflichtungen, die die Ukraine im Rahmen der Pariser Vereinbarungen übernahm, allmählich geschlossen werden. Dies soll über Jahre hinweg stufenweise nach einem Programm erfolgen, das unter anderem ein Sozialprogramm für die Menschen enthält, die bisher in der Kohleindustrie arbeiten, sowie Lösungen für die Umweltprobleme in den Gebieten, wo sich die zu schließenden Gruben befinden.

Um eine effektive Privatisierung durchzuführen, müssen Gesetze beschlossen werden, die klare und transparente Spielregeln vorsehen (ein Gesetz über den Kohlemarkt, der einen freien Markt schafft und die Regulierungsrolle verringert).

Private Gruben sind rentabler als staatliche

Nach Meinung der Experten sind privat bewirtschaftete Gruben rentabler, obwohl sie keine staatlichen Subventionen erhalten.

„2013 stammte die offiziell erfasste Energiekohle zu 30 Prozent aus staatlichen Gruben und zu 70 Prozent von DTEK. Dabei waren die Selbstkosten bei den staatlichen Gruben um 50-60 Prozent höher als bei den Gruben von DTEK“, sagte Mykola Tschernjawskij, Mitarbeiter des Instituts für Kohle- und Energietechnologie an der Nationalen Wissenschaftsakademie der Ukraine.

Staatliche Subventionen in der Kohlebranche sind ineffektiv

Anton Jaschtschenko, Direktor des „Bendukidze Free Market Center“, wies darauf hin, dass zwischen 2002 und 2013 der Umfang der staatlichen Subventionen für Gruben um das 7-fache gestiegen ist, aber sich dies nicht auf die Rentabilität auswirkte. Die Zunahme von 70 Mio. Tonnen Kohle 2009 auf 85 Mio. Tonnen 2013 lag ausschließlich an der privaten Förderung.

Der Journalist Denis Kasanskij betonte, dass ein Teil der Subventionen mit großer Wahrscheinlichkeit in den Taschen der Unternehmensleiter landete. Die Ukraine muss sich von der staatlichen Subventionierung von Gruben trennen: entweder sollen sie privatisiert oder geschlossen werden.

Der Staat ist kein effektiver Manager und kann diese Unternehmen nicht effektiv verwalten, meinte Maxim Nemtschinow, Experte bei der „Dixi Group“.

Mykola Tschernjawskij vertrat die Meinung, dass eine Privatisierung die Effizienz von staatlichen Gruben verbessern kann.

Ist eine massenweise Schließung von Gruben möglich?

Die Experten meinten, dass es noch zu früh sei, um über eine massenhafte Schließung von Gruben in der Ukraine nach dem Vorbild von Deutschland zu sprechen, da Kohle im Energiesystem des Landes heute eine sehr wichtige Rolle spielt: In der Ukraine werden über die Hälfte der Wärmekraftwerke mit Kohle betrieben.

Anton Jaschtschenko erinnerte daran, dass sich die Ukraine durch das Pariser Klimaabkommen dazu verpflichtete, Kohle bis 2050 durch umweltfreundliche Energiequellen zu ersetzen. Es ist sinnvoll, die unrentabelsten Gruben zu schließen, wobei die Mehrzahl der ukrainischen Gruben durch Investitionen rentabel sein könnte.

In der Übergangszeit muss ein komplexes Programm entwickelt und umgesetzt werden, das einen allmählichen Ersatz von Kohle in der Energiebilanz des Landes vorsieht, sowie die stufenweise Schließung von Gruben und alternative Beschäftigungen für die Grubenarbeiter. Außerdem soll das Programm Lösungen für die Umweltprobleme vorsehen.

Schaffung neuer Arbeitsplätze

Ein Kernproblem ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Anatolij Korsun meinte, dass von der Schließung der Gruben zirka 150.000 Arbeitsplätze betroffen sind. Ungefähr so viele Personen arbeiten in der Kohle- und damit verbundenen Industrie.

Laut Daten des Labor Market Monitoring Center (LMMC Ukraine), das beauftragt wurde, ein Programm zur Restrukturierung des Humankapitals in der Kohleindustrie vorzubereiten, sind derzeit zirka 51.000 Personen in diesem Bereich beschäftigt. Über 8.000 Personen würden in den Bereich der Restrukturierung fallen, berichtete Alexej Swolinskij, Direktor des LMMC. Für das Restrukturierungsprogramm der Mitarbeiter wären 500 Mio. Hryvna notwendig, sowie weitere 500 Mio. Hryvna Investitionen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Er merkte auch an, dass 17 Hauptberufe von Grubenarbeitern in anderen Branchen 40 Berufen entsprechen. Deshalb gäbe es bei der Arbeitsbeschaffung keine bedeutenden Schwierigkeiten. Einen Teil der Grubenarbeiter könnte man innerhalb der Branche anderweitig beschäftigen. Zirka 30 Prozent möchten weiterhin in dieser Branche arbeiten.

Um all diese Fragen zu klären, ist ein komplexes Maßnahmenprogramm notwendig, sowie eine enge Koordination zwischen dem Energie-, dem Finanz- und Sozialministerium, meinte Ihor Woltschin. Ein solches Programm wird bereits entwickelt.

Illegale Kohleförderung

Ein aktuelles Problem ist die illegale Kohleförderung. Die vernünftigste Weise, dieses Problem zu lösen, wäre ein alternatives Arbeitsangebot für die Bergarbeiter und/oder die Legalisierung solcher Gruben. 2013 wurden bereits einige solcher Gruben legalisiert.

Umweltprobleme

Die Probleme, die durch die Betreibung von Gruben entstanden, müssen auch gelöst werden – Abraumhalden, das Absinken des Bodens, Grundwasser usw. Dazu soll sich die Ukraine auf internationale Erfahrungen stützen.

In den meisten Ländern werden die Abraumhalden für den Straßenbau verwendet, sowie zur Produktion von Baumaterial. Nach Meinung der Experten kann die Lösung dieser Probleme auch neue Arbeitsplätze schaffen und Investitionen anziehen.