Kiew sollte seine Kommunikation mit der NATO verändern, meinen Experten. Dabei müsse die Ukraine vor allem stärker betonen, was sie der Allianz anbieten könne. Verstärkt werden sollte auch die Kooperation in der Schwarzmeer-Region.
Kiew, 6. Juli 2016 – Aus Anlass des NATO-Gipfels in Warschau am 8. und 9. Juli 2016 haben Experten Empfehlungen für die künftige Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und der Nordatlantischen Allianz erarbeitet. Das teilte der stellvertretende Direktor des ukrainischen Instituts für Weltpolitik, Serhij Solodkyj, mit. Er und andere Experten diskutierten über die Empfehlungen im Ukraine Crisis Media Center in Kiew.
So betonte Bruno Lete, Experte des German Marshall Fund in Brüssel, dass die Ukraine mehr darüber nachdenken sollte, was sie der NATO anbieten kann, und nicht umgekehrt. Ihm zufolge muss Kiew deutlich machen, welchen Wert eine Mitgliedschaft der Ukraine für die Nordatlantischen Allianz hätte.
Angebote statt Erwartungen
Hervorgehoben werden müsste, welche Fähigkeiten die Ukraine habe. Laut Lete sind das die ukrainischen Luftstreitkräfte, aber auch die Erfahrungen, die das Land in einem hybriden Krieg gesammelt hat. “Die Ukraine ist heute wahrscheinlich das einzige Land, das sich in einem hybriden Krieg mit einem der mächtigsten Staaten der Welt befindet. Der beinhaltet alles: Desinformation, Propaganda, soziale Netzwerke aber auch traditionelle Medien, Rebellen sowie wirtschaftliche und politische Einflussnahme. Die Ukraine verfügt über einzigartige Erfahrungen in diesen Bereichen”, sagte Lete und fügte hinzu, dass man vielleicht ein Zentrum einrichten sollte, das sich mit Strategien einer hybriden Kriegsführung befassen würde.
Lete meint, die Ukraine konzentriere sich heute zu sehr darauf, was sie von den NATO-Staaten erwarte. Diese Erwartungen würden noch auf der Bukarester Erklärung aus dem Jahr 2008 beruhen. Aber die politischen Realitäten hätten sich verändert. Beim Bukarester NATO-Gipfel 2008 hatten die Ukraine und Georgien gehofft, in den Aktionsplan für die Mitgliedschaft in der NATO (MAP) aufgenommen zu werden. Damals wurde zwar beschlossen, dass die Ukraine und Georgien NATO-Mitglieder werden, aber die Entscheidung über den Aktionsplan wurde verschoben. Darüber sollten im Dezember 2008 nochmal die Außenminister der NATO-Mitgliedsländer befinden. Doch die Minister beschlossen lediglich, die Zusammenarbeit mit der Ukraine und Georgien zu stärken, ohne die Länder in den Aktionsplan für die Mitgliedschaft aufzunehmen.
Ukraine muss ihr Image verbessern
Die Experten betonten während der Diskussion im Ukraine Crisis Media Center, Kiew sollte auch verstärkt vermitteln, welche Fortschritte das Land mache. Dazu gehöre die erfolgreiche Transformation des Landes, das einen großen Sprung bei den Reform gemacht habe. Informationen darüber würden helfen, gegen Desinformation vorzugehen und das Image der Ukraine zu verbessern.
Natalia Nemyliwska, Leiterin des Informations- und Dokumentationzentrums der NATO in der Ukraine unterstrich, die Ukraine müsse zuerst eine richtige Kommunikation mit der Allianz aufbauen. “Man muss den NATO-Partnern zeigen, was die Ukraine tut, und sie fragen, was sie von Kiew erwarten”, betonte sie. Bruno Lete fügte in diesem Zusammenhang hinzu: “Die Ukrainer müssen über die Beschlüsse des Bukarester Gipfels hinaus denken. Das ist zwar ein wichtiges Dokument und es bestimmt die Ziele der ukrainischen Diplomatie, aber man darf sich nicht allein darauf stützen. Die Ukraine sollte strategischer denken und klüger ihre Hoffnungen und Ziele in der NATO kommunizieren.”
Zusammenarbeit in der Schwarzmeer-Region
Der Experte vom German Marshall Fund sagte außerdem, notwendig sei eine engere Kooperation der Ukraine mit ihren Nachbarstaaten sowie den NATO-Mitgliedern in der Schwarzmeer-Region. Ein erfolgreiches Projekt könnte der Aufbau einer gemeinsamen Flotte zwischen der Ukraine, Rumänien und Bulgarien werden. Lete sagte, zwar lehne Bulgarien diese Idee bislang ab, doch es sei noch zu früh, sie aufzugeben. Er schlug zudem vor, auch mit Georgien stärker zusammenzuarbeiten.
Ferner wies er darauf hin, dass die NATO ihre Pläne für die Schwarzmeer-Region überarbeite. Bislang sei es darum gegangen, in der Lage zu sein, schnell auf Bedrohungen zu reagieren. Doch aufgrund der russischen Militarisierung der Krim müsse die NATO nun für eine eigene Präsenz in der Region sorgen.
Nicht-militärische Kooperation verstärken
Nach Ansicht des ehemaligen Premierministers Jewhen Martschuk, des ukrainischen Vertreters im Unterausschuss für Sicherheit der trilateralen Kontaktgruppe in Minsk, sollte Kiew seine Zusammenarbeit mit den Mitgliedsländern der NATO im nicht-militärischen Bereich verstärken. Zweidrittel der Kooperation mit der Allianz sei nicht militärisch. Ohne die Einbeziehung der zivilen Ministerien könne man den NATO-Mitgliedern nur schwer vermitteln, was in der Ukraine passiere.
Ferner beklagte Martschuk, dass bereits seit mehr als einem Jahr die Ukraine keinen Ständigen Vertreter bei der NATO habe, was in der diplomatischen Sprache für Brüssel ein entsprechendes Signal sei.