79 Prozent der Ukrainer wissen nicht, was „eDemocracy“ ist – Untersuchung

In der Ukraine entsteht allmählich das Instrument „eDemocracy“, wobei eine wesentliche Bedingung ist, dass sich die Bürger aktiv am politischen Leben beteiligen, damit es eine reale Demokratie gibt.

Kiew, 6. Juli 2016 – 79 Prozent der Ukrainer wissen nicht, was es mit dem Begriff „eDemocracy“ auf sich hat. Dabei meinen 46 Prozent, dass es ein Mechanismus der horizontalen Kommunikation ist und wie man miteinander umgeht, aber dass es nichts mit der Regierung zu tun hat. Das Niveau der Internetnutzung ist in der Ukraine gestiegen, aber die meisten Nutzer suchen dort hauptsächlich Informationen und verwenden es nicht zur Beteiligung am politischen Leben oder zur Mobilisierung von gemeinsamen Aktionen, sowie zur Kontrolle der Regierungshandlungen.

Das Instrument „eDemocracy“

Jordana Tomkowa vom EGAP-Programm und INNOVABRIDGE-Fond stellte die Ergebnisse des neuen Berichts „eDemocracy in der Ukraine: Ansicht der Bürger und Kerninteressengruppen“ während einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center vor (Bericht auf Englisch).

„Die meisten Ukrainer nutzen das Internet nicht dazu, sich am politischen Leben des Staates zu beteiligen. Das Hauptproblem ist, dass entsprechende Werkzeuge fehlen, wobei diese allmählich entstehen. Es gibt ePetitionen, offene Daten usw. Es ist nun wichtig, dass die Bürger über sie Bescheid wissen und sie zu nutzen beginnen, damit diese Instrumente einen realen Einfluss haben“, sagte sie.

Jordana Tomkowa schlug vor, eine entsprechende Gesetzgebung auszuarbeiten, die sich auf die Entwicklung von lokaler Demokratie in der Ukraine konzentriert.

Mentale Besonderheiten bei der Beschlussfassung

Natalja Garaschtschenko, Expertin beim Entwicklungszentrum für Innovationen der Nationalen Universität Kiew-Mohyla-Akademie, berichtete, dass nach Meinung der Akademikern eDemocracy „eine Bürgeraktivität und moralische Pflicht ist, sowie eine faktische Erscheinung, die von unten kommt und nicht von oben aufgestülpt wird“.

Allerdings wird dies durch die Meinung der Ukrainer gegenüber dem Paternalismus behindert, sowie der traditionellen Beschlussfassung auf Zentral- und nicht auf Lokalniveau, der Korruption und der Neigung zu illegitimen Praktiken, wie Schattenwirtschaft, damit sich eDemocracy in der Ukraine vollwertig entwickelt.

Sie sprach auch Unterschiede zwischen der realen und virtuellen Kommunikation an: „Sie sind verschieden, weshalb man dies berücksichtigen muss. Man darf sich nicht von der Offline-Kommunikation verabschieden. Manchmal kann sie viel effektiver und nützlicher sein als die elektronische Form. Man muss beide Arten kombinieren.“

Staatsbedienstete sind nicht zur Einführung elektronischer Technologien bereit, meinte Andrej Sementschenko, Vertreter der Nationalakademie für die Staatsverwaltung beim ukrainischen Präsidenten. Als Hindernisse für die Staatsbediensteten wurden genannt: die deklarative Gesetzgebung, eine fehlende Strategie und dass nicht alle über Zugang zu elektronischen Kommunikationsmitteln verfügen und damit nicht demokratisch mit den staatlichen Institutionen zusammenarbeiten können.

Voraussetzungen für den Erfolg von eDemocracy

Dmytro Chutkij, Geschäftsführer der Gruppe für eDemocracy beim Reanimationspaket für Reformen, wies auf die Beziehung der Zivilgesellschaft hin: „eDemocracy kann nicht einfach so existieren. Sie muss sich insgesamt auf die Demokratie stützen und bedarf einer gewissen politischen Kultur.“

Er ergänzte, dass nur jeder Vierte so etwas wie e-Petitionen kennt. Allerdings unterstützen zwei Drittel solche Mechanismen, weshalb es wichtig ist, die Öffentlichkeit besser darüber zu informieren.

Laut Aussage von Maria Boguslaw, der ausführenden Direktorin des Instituts „SkillsAcademy“, meint die ukrainische Jugend, dass es im Land keine Demokratie gibt: „Die Jugend ist von populistischen Erklärungen über Demokratie müde. Man sollte nicht „Demokratie“ als Schlagwort fördern, sondern brauchbare Instrumente zur Lösung bei den Alltagsproblemen der Menschen. Dann wird verständlich, dass es sich um eDemocracy handelt, mit der sich auch Korruption bekämpfen lässt.“

Derzeit wird von dem Institut eine Aufklärungskampagne für „jene 80 Prozent“ vorbereitet, die keine Vorstellung von eDemocracy haben.

„eDemocracy ist ein Licht in einem dunklen Raum. Für die Wirtschaft ist Stabilität und das Fehlen von Korruption wichtig, mit klaren Spielregeln und Zugriff auf Ressourcen“, ergänzte Wladimir Notschwaj von der Plattform „Neues Land“.