Menschenrechtler haben Beweise für Russlands Intervention in der Ukraine

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Eine Studie der “International Partnership for Human Rights” in Zusammenarbeit mit anderen Menschenrechtsorganisationen zeigt: In der Ukraine handelt es sich um einen internationalen bewaffneten Konflikt. Die gesammelten Beweise sollen dem Internationalen Strafgerichtshof übergeben werden.

Kiew, 7. Juli 2016 – Menschenrechtler beobachten bereits seit anderthalb Jahren den Konflikt im Osten der Ukraine. Sie haben den Beschuss der Städte Mariupol, Wolnowacha und Kramatorsk untersucht, wo es im Sommer und Herbst 2014 die meisten zivilen Opfer gab. Sie untersuchten zudem den Beschuss von Dörfern im Gebiet Luhansk.

Dort konnte man anhand des Neigungswinkels feststellen, dass der Beschuss höchstwahrscheinlich vom Territorium der Russischen Föderation aus kam. Das berichtete auf einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center Switlana Walko, Koordinatorin der Feldmissionen, die die Brüsseler Nichtregierungsorganisation “International Partnership for Human Rights” in der Ukraine durchführt. “Vom Gebiet der Russischen Föderation aus wurden mindestens fünf Dörfer in der Region Luhansk mit Raketenwerfern beschossen. Beim Beschuss von zwei Dörfern wurden auch zivile Objekte angegriffen. Dabei wurden Zivilisten verwundet und 29 Häuser zerstört. Ein weiteres Dorf, Krasna Taliwka, wurde mit Hilfe russischer Militärs angegriffen, die sich danach wieder auf russisches Territorium zurückzogen”, sagte sie.

Satellitenbilder, soziale Medien, Zeugenaussagen

Walko zufolge haben Experten Satellitenbilder vor, während und nach dem Beschuss ausgewertet, auf denen Spuren des Einsatzes von Artillerie und dessen Folgen zu sehen sind. Auch seien mit Hilfe sozialer Medien russische Militärs ausfindig gemacht worden. Diese hätten sich im Bezirk Tarasowskij in der russischen Region Rostow aufgehalten, von wo aus die Angriffe durchgeführt worden seien. Zudem seien 45 Zivilisten und Grenzschützer befragt worden, die an der Grenze zu Russland Dienst gehabt hätten.

Für ihre Studie werteten die Menschenrechtler auch Material der OSZE und des investigativen Recherchenetzwerks “Bellingcat” aus, dessen Untersuchungen auf offen zugänglichen Quellen basieren. Es würden immer mindestens drei Quellen verwendet, bevor Informationen als Beweis klassifiziert würden, sagte die Expertin der “International Partnership for Human Rights”.

Experten berufen sich auf Römisches Statut

Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Konfliktgebieten dokumentiert auch die neu gegründete Nichtregierungsorganisation “Truth Hounds”. Sie geht auf die Initiative von Menschenrechtlern aus verschiedenen Ländern zurück, unter anderem aus der Ukraine, Georgien, Großbritannien und Belgien. Oleksandra Delementschuk von “Truth Hounds” kritisierte auf der Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center, dass auf diplomatischer Ebene immer noch diskutiert werde, ob es sich in der Ukraine um einen inneren oder internationalen Konflikt handelt.

“Wenn ein Land in dem Hoheitsgebiet eines anderen interveniert, dann ist ein solches Vorgehen gemäß dem humanitären Völkerrecht als internationaler bewaffneter Konflikt zu werten”, betonte Delementschuk. Der Angriff auf zwei zivile Objekte in jenen Dörfern des Gebiets Luhansk stelle laut Römischem Statut ein Verbrechen dar. Faktisch seien zivile Einrichtungen und Zivilisten benutzt worden, um bestimmte militärische Aufgaben umzusetzen, so die Menschenrechtlerin. Ihr zufolge wird man zusammen mit den Beweisen, die andere Organisationen gesammelt haben, vollständig rekonstruieren können, wie die Intervention Russlands in der Ukraine abläuft.

Beweise für den Internationalen Strafgerichtshof

Auch Oleh Martynenko von der “Ukrainischen Helsinki-Gruppe für Menschenrechte” meint, dass man durch die Bündelung der Anstrengungen vieler spezialisierter Organisationen ein mehr oder weniger kohärentes Bild bekommt. “Diese Studie ist ein Beispiel für einen integrierten Ansatz, deswegen ist sie so einzigartig”, sagte er.

Switlana Walko zufolge wollen die Menschenrechtler alle ihre gesammelten Beweise dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag übergeben. “Es sind Fälle von Folter und Entführungen, Fälle, in denen Menschen als Geiseln und lebende Schutzschilde benutzt wurden. Es gab Beschuss ziviler und geschützter Objekte, darunter von Schulen, Krankenhäusern und Gebetshäusern”, so Walko. Simon Papuashvili, ebenfalls von der “International Partnership for Human Rights”, betonte auf der Pressekonferenz: “Bisher sehen wir keine Untersuchungen seitens der Ukraine. Wenn sie aus irgendeinem Grund keine machen kann, dann hoffen wir, dass der Internationale Strafgerichtshof welche macht. Mit ihm arbeiten wir bezüglich der Ukraine seit mehr als einem Jahr zusammen und wir versuchen, wertvolle Informationen über jene Verbrechen zu liefern.”