Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 19. bis 25. Juli 2016

Die Situation in der Zone der Anti-Terror-Operation

Die Situation in der Ostukraine verschärft sich. In der vergangenen Woche wurden die ukrainischen Checkpoints 457 Mal beschossen. Infolge der Kampfhandlungen wurden 17 ukrainische Soldaten getötet und 43 weitere verletzt.

In der vergangenen Woche verstießen die russischen Invasionskräfte gegen die Waffenruhe. Die ukrainischen Streitkräfte wurden im Frontabschnitt Mariupol (bei Nowohryhoriwka, Talakiwka, Wodjane, Starohnatiwka, Schyrokine, Krasnohoriwka, Marijinka) am häufigsten beschossen. Dabei setzten die russischen Invasionskräfte Artillerie mit einem Kaliber von 122 Millimetern, 82- und 122-Millimeter-Mörser, Fliegerabwehrlafette und schwere Granatenwerfer ein. Im Frontabschnitt Donezk wurden die ukrainsichen Checkpoints bei Awdijiwka, Nowoseliwka Druha, Opytne, Newelske und beim Bergwerk Butiwka beschossen. Im Frontabschnitt Luhansk wurde die ukrainische Armee bei der Siedlung Orichowe beschossen. Das teilte das Pressezentrum des ATO-Stabs mit.

Aufdeckung einer russischen Einheit im Donbass. Nach Angaben der ukrainischen Militäraufklärung befinden sich zwei taktische Kompaniegruppen der 18. gesonderten Motschützen-Brigade (der 58. Armee) der russischen Streitkräfte in den vorübergehend besetzten Gebieten im Donbass bei Donezk und Krasnyj Lutsch (Luhansker Gebiet) (mit Stand vom Juli 2016) (Bericht auf Deutsch).

Neue Kriegstaktik. Der Einsatz von Drohnen mit einem großen Aktionsradius ermögliche dem Feind, sein Artilleriefeuer zu korrigieren. Das sei einer der Gründe für den Anstieg der ukrainischen Verluste in der Zone der Anti-Terror- Operation, sagte Jewhen Martschuk. Er ist Vertreter der Ukraine in der Untergruppe Sicherheit der Trilateralen Kontaktgruppe für die friedliche Regelung der Lage im Donbass. Martschuk war einst Leiter des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) und Verteidigungsminister des Landes. “Das Artilleriefeuer ist gar nicht so massiv geworden, dafür aber sehr kurz, sehr schnell und sehr präzise”, sagte Martschuk.

Austausch von Gefangenen. Ein Austausch von Gefangenen ist erneut gescheitert. Die ukrainischen Staatsbürger, die sich in Gefangenschaft der prorussischen Kämpfer im Donbass befinden, sind nun in ein Gefängnis verlegt worden. Ihnen drohen 30 Jahre Haft. Das teilte die erste stellvertretende Parlamentsvorsitzende und Vertreterin der Ukraine in der humanitären Untergruppe, Iryna Heraschtschenko, mit. Ihr zufolge lehnten die Vertreter der vorübergehend besetzten Gebiete im Donbass den ukrainischen Vorschlag ab, 25 gegen 50 Personen auszutauschen.

Diskussion um Kriegsrecht. Am 9. Juli 2016 erklärte der Sekretär des nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, Oleksandr Turtschynow, sollte sich die militärische Lage an der Trennlinie zuspitzen, werde seine Behörde die Verhängung des Kriegsrechts über das Land prüfen. Nach Meinung vieler Experten wird die Verhängung des Kriegsrechts für die Ukraine eine noch nie da gewesene Einschränkung der Rechte und Freiheiten der Menschen bedeuten, Investitionen stoppen sowie den Minsk-Prozesses zum Scheitern bringen. Nach Ansicht des Militärexperten Ihor Kosij ist Turtschynows Äußerung als die eines Politikers zu werten. Eine Verhängung des Kriegsrechts mache keinen Sinn.

Wahlen in den besetzten Gebieten des Donbass. Der Anführer der sogenannten “Luhansker Volksrepublik”, Ihor Plotnyzkyj, hat erklärt, beschlossen worden sei, die “Kommunalwahlen” in den besetzten Teilen des Gebiets Luhansk vom 24. Juli auf den 6. November 2016 zu verschieben. Zuvor hatte schon der Anführer der sogenannten “Donezker Volksrepublik”, Оleksandr Sachartschenko, die “Kommunalwahlen” vom 24. Juli auf den 6. November verschoben. Den Zeitpunkt für die “Kommunalwahlen” haben sie bereits mehrfach verlegt.

Die besetzte Krim

In den zwei Jahren seit der Besetzung der Krim durch Russland, haben die Halbinsel 602 ausländische Schiffe angelaufen, was einen Verstoß gegen die Sanktionen darstellt. Es waren vor allem russische Schiffe, aber auch europäische Handelsschiffe. Darüber berichten Journalisten des TV-Magazins “Schemata”. So seien 24 Schiffe unter der Flagge eines EU-Landes gefahren, 43 Schiffe seien in der EU gemeldet und 22 würden Eigentümern in der EU gehören.

Menschenrechte

Folter bei beiden Konfliktparteien. Die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch stellten ihren gemeinsamen Bericht über Verhaftungs- und Folterfälle von Zivilisten vor, die auf beiden Konfliktseiten begangen wurden, sowohl auf ukrainischem Gebiet, als auch in den von pro-russischen Rebellen kontrollierten Gebieten im Donbass. Der Bericht trägt den symbolischen Namen „Du existierst nicht“ (Pressemitteilung auf Deutsch).

Am 20. Juli kam der Journalist Pavel Scheremet bei einer Autoexplosion ums Leben. Pavel Scheremet wurde in Weißrussland geboren. Er war beim weißrussischen TV angestellt, sowie bei ORT (Russland). In den vergangenen fünf Jahren lebte Scheremet in der Ukraine, arbeitete dort als Journalist bei „Ukrainska Prawda” und bei führenden TV- und Radiosendern. Die Untersuchung geht als Hauptmotiv für den Mord an dem Journalisten Pavel Scheremet von seiner beruflichen Tätigkeit aus, sowie dem Ziel, die Situation in der Ukraine zu destabilisieren. Folgen Sie unseren Live Ticker zur Ermittlung des Mordes (auf Deutsch).

Der „Kreuzzug“ des Moskauer Patriarchats richtet sich nach Kiew

Bereits die zweite Woche geht ein „Kreuzzug“ in der Ukraine, der von der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats organisiert wurde. Die Gläubigen marschieren in zwei Gruppen: die eine startete in der Westukraine beim Swjato-Uspenska Potschajiwska Lawra; die zweite in der Ostukraine beim Swjato-Uspenska Swjatohirska Lawra. Am 27. Juli wollen sie sich in Kiew treffen, um gemeinsam zum Kiewer Petschersker Lawra zu gehen.

Dort sollen in den nächsten Tagen Festgottesdienste stattfinden. Hintergrund dieser Aktion ist, wie der Metropolit Onufrij, der Vorsitzenden der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats sagte, dass der bewaffnete Konflikt, der in der Ostukraine tobt, von der Kirche als Schmerz empfunden wird.

Gleichzeitig sind die Gegner dieser Prozessionen der Meinung, dass die Organisatoren die Situation selbst verschärfen und das Land spalten würden. „Die Militäraufklärung des Verteidigungsministeriums der Ukraine bestätigt Informationen des Ukrainischen Geheimdienstes (SBU), dass russische Sonderdienste versuchen werden, diese Prozession dazu zu nutzen, die Situation in der Ukraine zu destabilisieren. Laut unseren Informationen ist das Ziel dieser Aktionen, interkonfessionelle Konflikte zu radikalisieren und die Spaltung der Gesellschaft durch Religion zu vertiefen“, sagte Wadim Skibizky, Vertreter des ukrainischen Verteidigungsministeriums am Freitag in Kiew. „Russische Sonderdienste planen, die Teilnehmer der Prozession zu provozieren.“

In Kiew wollte die Freiwilligenorganisation OUN (Organisation Ukrainischer Nationalisten) die Prozession blockieren und nicht nach Kiew lassen, aber die Stadtbehörden verboten den OUN-Aktivisten hierfür ein Zeltlager bei der Straße nach Schitomir zu errichten.

Die Chefin der ukrainischen nationalen Polizei, Chatija Dekanoidze, teilte mit, dass die Sicherheit des „Kreuzzugs“ der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats von 4.500 Polizisten geschützt wird.

Der Generalstaatsanwalt, Jurij Luzenko, sagte, dass für die Beteiligten des „Kreuzzugs“ der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats Metalldetektoren errichten werden, sowie eine Ausweispflicht eingeführt wird. Laut seinen Angaben arbeitete er gemeinsam mit der Chefin der nationalen Polizei, Chatija Dekanoidze, sowie mit dem SBU-Vorsitzenden, Wasilj Gryzak, eine Gesamtlösung aus, um die Ordnung und das Recht während der Prozession aufrecht zu halten.

Wirtschaft

Deutsche Unternehmen sehen die Entwicklung der ukrainischen Wirtschaft positiv und wollen den Handel und die Investitionen ausbauen. Das erklärte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk. Er sprach über erfolgreiche gemeinsame Wirtschaftsprojekte und erinnerte an die Eröffnung einer neuen Anlage des Automobilzulieferers Kromberg & Schubert in Schytomyr in diesem Jahr. Insgesamt sind in der Ukraine mehr als 4000 Unternehmen mit deutschem Kapital gemeldet, von denen tatsächlich gut 2000 aktiv sind. Nach deutschen Angaben importierte Deutschland im ersten Quartal 2016 ukrainische Waren im Wert von 452 Millionen Euro, was 3,23 Prozent mehr ist als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die deutschen Exporte in die Ukraine stiegen im gleichen Zeitraum um 29,3 Prozent und beliefen sich auf 857,4 Millionen Euro. Das Gesamtvolumen des Handels erreichte somit im ersten Quartal des Jahres mehr als 1,3 Milliarden Euro, was eine Steigerung um 19,23 Prozent ist.

Die Kriegshandlungen im Donbass haben zu einer massiven Schließung von Unternehmen in der Region geführt. Auch ist die Industrieproduktion im Jahr 2015 in den Gebieten Donezk und Luhansk zurückgegangen – jeweils um 34,6 Prozent und 66 Prozent. Das berichtete der Pressedienst des UN-Entwicklungsprogramms unter Berufung auf eine Studie zu Problemen des Unternehmertums im Donbass. So sei im Jahr 2014 die Industrieproduktion im Gebiet Donezk um 31,5 Prozent und im Gebiet Luhansk um 42 Prozent gesunken. Der Rückgang unter der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung habe zwischen September 2014 und September 2015 in beiden Gebieten knapp über 50 Prozent betragen. Die Reallöhne seien im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr im Gebiet Donezk um zehn Prozent und im Gebiet Luhansk um 28 Prozent gefallen.

Kultur: Wandgemälde und die Zusammenarbeit mit Polen

In Kiew, Odessa und Tschernihiw sind den letzten drei Monaten im Rahmen des Projekts Mural Social Club der privaten Stiftungen Sky Art Foundation mehrere Dutzend neue Wandgemälde entstanden. Es handelt sich um Arbeiten ukrainischer und internationaler Streetart-Künstler. Mit dem Projekt soll vor allem in Randbereichen von Städten Streetart gefördert werden. Unter den Künstlern sind Li-Hill (Kanada), Rodrigo Branco (Brasilien), Millo (Italien), Borondo (Spanien), Fikos Antonios (Griechenland), Zio Ziegler (USA) sowie die Ukrainer Aec Interesni Kazki, Roman Minin, Serhij Radkewytsch und Sascha Korban. Fotos

Zehn ukrainische Künstler haben in Polen an dem Programm “Gemeinsame Wurzeln” teilgenommen. Organisiert wurde das Projekt von ukrainischen und polnischen Kunsteinrichtungen mit Unterstützung der diplomatischen Vertretungen beider Länder. Im Rahmen des Projekts haben die ukrainischen Künstler in der Stadt Klementowice gearbeitet sowie an Workshops und Treffen mit polnischen Kollegen teilgenommen. Mit dem Projekt soll auf Probleme beim Umgang mit der gemeinsamen Vergangenheit aufmerksam gemacht werden sowie neue Modelle für eine gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit entwickelt werden.

Nachfolgend eine Auswahl an englischsprachigen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportage

Wer war der in der vergangenen Woche getötete Journalist Pavel Scheremet. Reportage von Ukraine Today.

Pavel Scheremet wurde in Weißrussland begraben. Reportage von Hromadske Inetrnational.

Es gibt neue Beweise für eine Präsenz russischer Soldaten im Donbass. Reportage von Ukraine Today.

Die ukrainische Olympiamannschaft fährt nach Brasilien. Welche Chancen hat die Ukraine? Reportage von KyivPost.

Russland fördert illegal ukrainische Naturschätze im Schelf des Schwarzen Meeres. Reportage von Ukraine Today.

Interviews

Wie wird sich der Putschversuch in der Türkei auf die Ukraine und die EU auswirken? Interview von Ukraine Today mit dem ehemaligen ukrainischen Konsul in der Türkei, Bohdan Jaremenko.

Streit zwischen der Ukraine und Polen wegen der Tragödie von Wolhynien. Interview von Hromadske International mit dem polnischen Historiker Łukasz Adamski.

Die Ukraine hat erste Schritte bei der Justizreform unternommen. Interview von Ukraine Today mit dem Vizepräsidenten des Nationalen Anwaltsverbands, Walentyn Gwosdij.

Meinung

Warnung an alle, die Veränderungen wollen. Artikel des Redakteurs der ukrainischen Zeitschrift “Nowoje Wremja“ (Neue Zeit), Witalij Sytsch, zum Mord am Journalisten Pavel Scheremet.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko schafft sich einen eigenen Klan. Artikel des ukrainischen Abgeordneten Serhij Leschtschenko.

Analyse

Was bedeutet der Mord am Journalisten Pavel Scheremet? Ukrainische Journalisten sprachen über den Fall bei Hromadske International.

Die ersten 100 Tage der neuen Regierung von Wolodymyr Hrojsman: Errungenschaften und Misserfolge. Analyse von KyivPost.

Aktuelle Analyse von StopFake: vergangene Woche verbreiteten russischen Medien wieder Fakes, wonach die Ukraine angeblich die internationalen Manöver Sea Breeze 2016 unterbrach, das Europäische Parlament dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko politische Repressionen vorwarf, eine weitere ethnische Minderheit in Odessa Autonomie fordert und die ukrainische Stadt Kirowohrad (die vor kurzem in Kropywnyzkyj umbenannt wurde) ihren Namen aus der Zarenzeit (Jelisawetgrad) zurück haben möchte.