Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 4. bis 10. Oktober 2016

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Trotz der ersten Fortschritte bei der Entflechtung der Truppen in der Ostukraine haben die Beobachter weitere Verstöße gegen die “Waffenruhe” festgestellt. In der vergangenen Woche wurden die ukrainischen Streitkräfte 278 Mal beschossen, dabei wurden zwei ukrainische Soldaten getötet und 14 weitere verletzt.

In der vergangenen Woche wurden die ukrainischen Checkpoints im Frontabschnitt Mariupol bei Marjinka, Hranitne und Pawlopil mit Granatwerfern, Mörsern mit einem Kaliber von 82 Millimetern und Schützenwaffen beschossen. Bei Schyrokine wurde Artillerie mit einem Kaliber von 122 Millimetern eingesetzt. Im Frontabschnitt Donezk wurden die ukrainischen Checkpoints bei Nowhorodske und Awdijiwka beschossen. Im Frontabschnitt Luhansk wurden die ukrainischen Truppen bei Trjochisbenka und Nowoalexandriwka mit schweren Maschinengewehren und Granatwerfern verschiedener Gattungen beschossen.

Entflechtung der Truppen: Am 9. Oktober haben die ukrainischen Streitkräfte die Entflechtung der Truppen und der Militärtechnik bei Stanyzja Luhanska verschoben, weil prorussische Kampfverbände weiterhin ukrainische Truppen beschießen. Das teilte das ukrainische Verteidigungsministerium mit. In diesem Frontabschnitt wurde in der vergangenen Woche acht Mal Beschuss festgestellt (zuletzt am 6. Oktober). Festgestellt wurde außerdem eine Zunahme des Beschusses an anderen Frontabschnitten von den vorübergehend besetzten Gebieten aus. Der Chef der Staatlichen Administration im Gebiet Luhansk, Jurij Harbus, teilte mit, das Risiko sei hoch, dass die prorussischen Kampfverbände den Ort Stanyzja Luhanska einnehmen.

“Was Stanyzja Luhanska angeht, gibt es keine Entscheidung, die Entflechtung der Truppen einzustellen”, erklärte im Zusammenhang mit der Erklärung von Jurij Harbus der stellvertretende Minister für die vorübergehend besetzten Gebiete, Heorhij Tuka. Er warf den lokalen Behörden des Gebiets Luhansk vor, unter der lokalen Bevölkerung eine Protest-Stimmung zu schüren. Die Ukrainer protestieren gegen einen Rückzug der ukrainischen Streitkräfte, weil sie befürchten, dass dann die prorussischen Kampfverbände die Gebiete einnehmen.

OSZE. Am 7. Oktober bestätigte die Sonderbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE-SMM) eine synchrone Entflechtung der Truppen beider Seiten bei Petriwske (Gebiet Donezk). Die Offiziere des Gemeinsamen Zentrums zur Koordinierung und Kontrolle (JCKK) und die OSZE-Beobachter werden den Waffenstillstand rund um die Uhr überwachen.

Die Sonderbeobachtermission der OSZE erklärte, dass ihre Beobachter nur einen eingeschränkten Zugang zur Zone der Entflechtung der Truppen und der Militärtechnik bei Perwomajsk/Solote (Gebiet Luhansk) und Petriwske/Bohdaniwka (Gebiet Donezk) haben. Als Grund werden fehlende Sicherheitsgarantien seitens der ukrainischen Streitkräfte, aber auch seitens der prorussischen Kampfverbände der selbsternannten “Volksrepubliken genannt.

Probleme bei der Entminung. Der Korridor auf der Strecke Solote-Perwomajsk im Gebiet Luhansk ist nach wie vor vermint, so die OSZE-Pressestelle. Keine der Konfliktparteien hat das Gebiet in der Zone der Entflechtung von Minen geräumt, weil sie angeblich keine entsprechenden Befehle bekommen haben. Später teilten Vertreter der ukrainischen Streitkräfte mit, dass sich keine ukrainischen Soldaten in den Zonen der Entflechtung aufhalten dürfen, und dass die Minen vom staatlichen Katastrophenschutz geräumt werden müssten. Am 1. Oktober wurden die Truppen bei Solote entflochten. Laut Rahmenabkommen muss die OSZE-SMM freien und sicheren Zugang zu diesen Gebieten erhalten.

Folter in der “Luhansker Volksrepublik”. Menschenrechtler berichten über Sklaverei und Folter in der sogenannten “Luhansker Volksrepublik”. Nach Angaben der ukrainischen “Östlichen Menschenrechtsgruppe” verbüßen in dem Gebiet, das von der selbsternannten “Luhansker Volksrepublik” kontrolliert wird, rund 5000 Menschen eine Strafe (Stand September 2016). Unter der Kontrolle der ukrainischen Regierung befindet sich lediglich ein Untersuchungsgefängnis (in Starobilsk), während die sogenannte “Luhansker Volksrepublik” neun Haftanstalten kontrolliert. Drei weitere, die sich in den vorübergehend besetzten Gebieten befinden, sind nicht in Betrieb – entweder aufgrund der Kampfhandlungen oder weil sie zu Basen der prorussischen Kampfverbände umfunktioniert wurden. Den Menschenrechtlern zufolge werden die Gefängnisinsassen in den vorübergehend besetzten Gebieten gefoltert und zu Sklavenarbeit gezwungen.

Menschenrechte: Der Fall Suschtschenko und 10 Jahre seit der Ermordung von Anna Politkovskaja

Gegen den am 30. September festgenommenen ukrainischen Journalisten Roman Suschtschenko haben die russischen Ermittler Anklage wegen Spionage erhoben. Laut seinem Anwalt Mark Feigin hält sich der Journalist für unschuldig. Er beklage, dass er nicht die Gelegenheit bekomme habe, sich mit seinem Verteidiger zu beraten.

Wie inzwischen bekannt wurde, erhielt der festgenommene Ukrainer am ersten Tag weder Nahrung noch Wasser. Der ukrainische Konsul in Moskau wird erst am 14. Oktober zu Suschtschenko gelassen. Inzwischen hat der Vorsitzende des Journalistenverbandes Russlands in einem Brief an den Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB darum gebeten, Einzelheiten der Verhaftung des ukrainischen Journalisten offenzulegen.

In Frankreich haben Demonstrationen stattgefunden, auf denen Suschtschenkos Freilassung gefordert wurde. Suschtschenko war als Sonderkorrespondent der ukrainischen staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform in Paris tätig. Es war nach Moskau gereist, um dort Verwandte zu besuchen.

Am 7. Oktober ist in Russland der vor zehn Jahren in Moskau ermordeten Journalistin Anna Politkovskaja gedacht worden. Trotz des Aufsehens, für das der Fall gesorgt hatte, ist immer noch nicht geklärt, wer den Mord in Auftrag gegeben hat. Politkovskaja hatte die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin scharf kritisiert. Der Mord wurde an Putins Geburtstag verübt.

Krim: Probleme mit der Wasserversorgung und fragwürdige Rekordernten

Der russische Minister für natürliche Ressourcen und Umwelt, Sergej Donskoj, hat erklärt, dass Russland nicht in der Lage sein werde, bis Ende des Jahres 2019 eine stabile Wasserversorgung für die Krim aufzubauen. Darüber hinaus wies er die selbsternannten Behörden der Halbinsel an, die Kontrollen über den Wasserverbrauch zu verstärken, da Wasser derzeit “Gold wert” sei.

Nach der Annexion der Halbinsel durch Russland im Jahr 2014 hatte die Ukraine die Wasserversorgung der Krim gestoppt. Bis dahin wurde die nun von Russland besetzte Halbinsel vom ukrainischen Festland aus zu 85 Prozent mit Frischwasser versorgt.

Der selbsternannte Anführer der Krim, Sergej Aksjonow, erklärte unterdessen, die Landwirte auf der Halbinsel hätten zum dritten Mal in Folge eine Rekordernte bei Getreide eingefahren, die entsprechende Infrastruktur entwickele sich gut und Produkte von der Krim würden zunehmend in andere Regionen geliefert. Allerdings haben die selbsternannten Behörden der Krim keine statischen Daten veröffentlicht, die dies bestätigen können. Auch fehlen dazu andere Quellen.

Umfragewerte der politischen Parteien in der Ukraine für September 2016

Das Kiewer Internationale Institut für Soziologie hat Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht. Befragt wurden 2040 Personen aus 110 Städten und Ortschaften aus allen Regionen der Ukraine (mit Ausnahme der Krim).

Wenn Ende September Parlamentswahlen gewesen wären, wären nach Parteilisten Vertretern von sieben politischen Kräften in den Obersten Rat eingezogen. Die Zustimmungswerte für die Partei des Präsidenten, den “Block Petro Poroschenko”, sind im Vergleich zum Oktober 2014 deutlich gesunken. Hingegen sind die Zustimmungswerte der “Vaterlandspartei” von Julija Tymoschenko und des “Oppositionsblocks” (frühere “Partei der Regionen”) im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen.

Wenn diejenigen, die sich noch nicht entschieden haben, wen sie wählen würden, nicht an der Wahl teilgenommen hätten, wäre eine Wahlbeteiligung von 41 Prozent erreicht worden. Die Stimmen hätten sich wie folgt verteilt :

15,4 Prozent für die “Vaterlandspartei” (5,7 Prozent im Oktober 2014)

14,5 Prozent für die Partei “Block Petro Poroschenko” (21,7 Prozent im Oktober 2014)

13,1 Prozent für die Partei “Oppositionsblock” (9,5 Prozent im Oktober 2014)

10,3 Prozent für die Partei “Selbsthilfe”(11 Prozent im Oktober 2014)

9,6 Prozent für die “Radikale Partei” von Oleh Ljaschko (7,5 Prozent im Oktober 2014)

6,0 Prozent für die Partei “Bürger-Position” (3,1 Prozent im Oktober 2014)

5,3 Prozent für die Partei “Für das Leben” (0 Prozent im Oktober 2014).

Kultur: Ukrainische Dokumentarfilme im Verleih

Der ukrainische Dokumentarfilm erlebt einen Aufschwung und schafft den Weg von Festivals und unabhängigen Kino-Klubs in die großen Kinos des Landes.

So ist der Dokumentarfilm von Ostap Kostjuk “The Living Fire” jetzt in den ukrainischen Filmverleih gekommen (Trailer). Der Film zeigt die Traditionen von Schäfern in den Karpaten und erzählt die Lebensgeschichten von drei Generationen von Männern. In den vergangenen zwei Jahren war der Film bei internationalen Festivals zu sehen. Er erhielt einen Preis beim Internationalen Filmfestival in Odessa und beim kanadischen Dokumentarfilmfestival Hot Docs.

Der zweite ukrainische Dokumentarfilm im Verleih ist der Streifen “Reve ta Stohne on tour” der ukrainischen Filmemacherin Nadija Parfan. Ein Filmteam reist zusammen mit der ukrainischen Musikergruppe “Reve ta Stohne” nach Polen, wo sie ihren Traum, Rockstars zu werden, verwirklichen wollen (Trailer).

Nachfolgend eine Auswahl an englischsprachigen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportagen

Ein Schritt zum Waffenstillstand: Die Konfliktparteien haben die Truppen in einer weiteren Zone entflochten. Reportage von Ukraine Today (Bilder).

Humanitäre Hilfe des Roten Kreuzes an der Kontaktlinie im Donbass. Reportage von Ukraine Today.

Was der Aufstieg von Poroschenkos Sohn über den Präsidenten sagt. Reportage von KyivPost im Rahmen des Projekts Oligarch Watch.

Es bleibt in der Familie: Eine Fortsetzung. Reportage von KyivPost über Petro Poroschenko im Rahmen des Projektes Oligarch Watch.

Welche EU-Handelsschiffe steuern immer noch die von Russland besetzte Krim an? Reportage von Ukraine Today.

Im Jahr 2016 wurden bereits 173 ukrainische Soldaten im Kampfgebiet in der Ostukraine getötet. Reportage von Ukraine Today.

Ehemaliger “Minister der Donezker Volksrepublik”: Russland finanziert die Separatisten direkt. Reportage von Ukraine Today.

Im ukrainischen Parlament wird eine mögliche Visumpflicht für Russland erörtert. Reportage von Ukraine Today.

Ukrainer haben mehr als 2000 Beschwerden gegen Russland beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Reportage von Ukraine Today.

Die Ukraine wird im Jahr 2017 eine Krankenversicherung einführen. Reportage von Ukraine Today.

Interviews

Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und Russland ist keine Alternative zu guten Beziehungen zur Ukraine. Interview von Hromadske International mit dem stellvertretenden türkischen Ministerpräsidenten Mehmet Simsek.

Theater von Flüchtlingen beim Gogolfest. Interview von Hromadske International mit dem syrischen Regisseur des Stücks “Skelett des Elefanten in der Wüste”, Ayham Majid Agha.

In Polen wird ein Film über die Tragödie von Wolhynien gezeigt. Interview von Hromadske International mit Dariusz Stola, dem polnischen Historiker und Direktor des Museums der polnischen Juden.

Die Weltbank gewährt der Ukraine Kredite in Höhe von 500 Millionen US-Dollar. Interview von Hromadske International mit Satu Kahkonen, der Direktorin der Abteilung für Zusammenarbeit mit der Ukraine, der Republik Moldau und Belarus.

Meinung

Ukrainische Soldaten erzählen in der Dokumentar-Performance “Ich bin ein Veteran”, was sie im Kampfgebiet in der Ostukraine erlebt haben. Reportage von KyivPost.

Putin-Test für Hillary Clinton. Reportage von KyivPost.

Ein russischer Aktivist ist wegen einer Mahnwache in Erinnerung an die Ermordung der russischen Journalistin Anna Politkovskaja brutal zusammengeschlagen worden. Reportage von KyivPost.

Tod und Steuer. Der Politologe Oleksandr Chara über die jüngsten Korruptionsskandale. Reportage von Ukraine Today.

Der Politologe Oleh Belokos über Putins Pläne für Russland, die Ukraine und Europa. Reportage von Ukraine Today.

Analyse

Schwarze Liste mit all den Schiffen, die gegen die Krim-Sanktionen verstoßen haben. Analyse von Ukraine Today.

Sind die Krim-Sanktionen effektiv? Bericht der Nichtregierungsorganisation “Maidan für auswärtige Angelegenheiten” bei Ukraine Today.

Erfolge und Misserfolge im ukrainischen Parlament bei der Umsetzung von Reformen in der vergangenen Woche. Analyse von KyivPost.