Mangel an Informationen behindert die Dezentralisierung

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Bereits seit mehr als einem Jahr dauert in der Ukraine die Verwaltungsreform. Bezirke können sich zu Gemeinden zusammenschließen. Im Rahmen der Dezentralisierung sind so bereits 160 vereinigte territoriale Gemeinden entstanden. Im Unterschied zu den Menschen in den Städten wissen die Menschen auf dem Lande wenig über die Reform. Die Vorsteherin eines ukrainischen Dorfes berichtet über ihre Erfahrungen.

Kiew, 26. Oktober 2016 – Das kleine, bisher immer subventionierte Dorf Stepowe im Gebiet Dnipropetrowsk musste früher mit einem Jahresetat in Höhe von einer Millionen Hrywnja auskommen. Die Hälfte davon waren staatliche Subventionen. Doch jetzt gehört das Dorf zur vereinigten Gemeinde Sloboschanske, dessen Zentrum die gleichnamige Ortschaft ist. Schon in den ersten zehn Monaten 2016 verfügte die vereinigte Gemeinde bereits über mehr als 200 Millionen Hrywnja. Allein für die Entwicklung des Dorfes Stepowe sind jetzt 25 Millionen Hrywnja eingeplant. Das sagte Jewhenija Korinna, Vorsteherin des Dorfes Stepowe, während einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center im Rahmen des UCMC-Projekts “Sprecher der Gemeinden”.

Korinna zufolge hatten die Menschen in ihrem Dorf zunächst nicht verstanden, warum man sich mit anderen Dörfern zusammenschließen sollte. Doch ihr Dorf war dann eines der ersten, das sich der Reform angeschlossen hatte. Jetzt seien die Menschen sehr zufrieden mit den Veränderungen in ihrem Dorf. Ein Vorteil der Reform sei, dass die Bewohner kleiner Dörfer für Behördengänge – darunter für Bescheinigungen und Finanzhilfen –  nicht mehr bis in die Hauptstadt ihrer Region fahren müssten. Diese Bedingung habe im Memorandum über den Zusammenschluss zur Gemeinde Sloboschanske gestanden, so Korinna. Jetzt hätten die Dorfvorsteher einen Stempel, mit dem sie Dokumente beglaubigen und Finanzhilfen vor Ort genehmigen könnten.

Wohin fließt jetzt das Geld?

Haupteinnahmequelle der lokalen Haushalte sind Steuern, die jetzt die Gemeinden bekommen. Sie fließen nicht mehr wie bisher nach Kiew. Das sind vor allem Steuern auf Einkommen physischer Personen. “Bis Ende des Jahres wollen wir 25 Millionen Hrywnja in die Entwicklung des Dorfes investieren. Früher blieben uns dafür nur 50.000 bis 100.000″ sagte Korinna.

“Man kann nicht alle Veränderungen im Dorf aufzählen, aber sie sind sehr sichtbar”, betonte die Dorfvorsteherin. “Wir haben die Schule für sieben Millionen Hrywnja renoviert. Wir beginnen beim Kindergarten mit dem Anbau einer Turnhalle für zwei Millionen Hrywnja. Wir wollen auch das Kulturhaus für 5,5 Millionen Hrywnja renovieren. Ferner wollen wir im Dorf Wasserleitungen und Straßen erneuern und diese dann vollständig beleuchten. Auch soll das Zentrum des Dorfes umgestaltet werden”, fügte sie hinzu. Zu den Prioritäten des Dorfes Stepowe zählt der Bau einer Umgehungsstraße für Lastwagen. Ferner soll der soziale Wohnungsbau gefördert werden. Auch soll die medizinische Versorgung und Bildung im Dorf verbessert werden.

Was bremst die Verwaltungsreform?

Zunächst sollten der neuen vereinigten Gemeinde Sloboschanske noch weitere benachbarte Dörfer beitreten. Doch wegen Mangels an Informationen lehnten sie dies ab. “Es fehlt an Informationen. Man muss unsere Erfolge stärker deutlich machen. Man kann auch Exkursionen bei uns durchführen, um den Menschen zu zeigen, welche Ergebnisse wir erzielen. Vor allem der Mangel an Informationen bremst die Dezentralisierung”, sagte Korinna.

Die Dorfvorsteherin ist ferner der Überzeugung, dass die geltende Gesetzgebung die Umsetzung der Dezentralisierung behindert. “Die Gesetzgebung hinkt uns hinterher. Ein dringendes Thema ist die Übertragung von Land, das außerhalb von Siedlungen liegt, in den Besitz der Gemeinden. Wir haben Fälle, wo die Pacht sehr gering ist. Darüber sind wir nicht glücklich”, sagte sie. Das Dorf trete ferner dafür ein, dass das Verbot zum Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen aufgehoben wird. “Bei uns gibt es Land, das überhaupt nicht genutzt wird. Die zuständigen Behörden interessiert das nicht. Aber uns ist wichtig, dass das ganze Land genutzt wird. Für uns wären das zusätzliche Einnahmen”, erläuterte die Vorsteherin des Dorfes Stepowe.