Moderne ukrainische Musikgruppen

Das Ukraine Crisis Media Center startete ein Musikprojek “Listen to Ukraine“. Jede Woche laden wir eine moderne Musikgruppe zum Interview ein.

Los Colorados: “Wir spielen einfach, was uns gefällt”

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Es war an einem gewöhnlichen Tag im Jahr 2008 im Lokalfernsehen der ukrainischen Region Ternopil. Der Abend schien wie jeder andere zu sein, als vor die Kameras ein einheimisches Quartett trat, das Coverversionen bekannter Songs sang. Doch die ungewöhnlich klingende Version des Liedes “Hot N Cold” von Katy Perry brachte den vier jungen Männern, die unter dem Namen Los Colorados auftraten, schnell mehr als vier Millionen Aufrufe bei YouTube. Eigentlich hatte alles schon im Jahr 2006 begonnen – mit Coverversionen. Ein Jahr später, im April 2007, gaben die Jungs von Los Colorados bereits ein erstes Konzert. Es war sozusagen der Startpunkt ihrer Karriere.

Die Musik von Ruslan Prystupa (Gesang und Akkordeon), Rostyslaw Fuk (Gitarre), Serhij Masyk (Bassgitarre) und Oleh Petryschyn (Schlagzeug) im Genre des “Agro-Alko-Pop” fand nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Ausland Anhänger. Im Laufe der Zeit wurde das deutsche Label Motor Music auf die Gruppe aufmerksam und bot ihr einen Plattenvertrag an. Ab dann ersetzten die Mitglieder der Gruppe – ein ehemaliger Mitarbeiter eines Fotostudios, ein Englischlehrer, Maschinenbauingenieur und Erdkundelehrer – “Alko” durch “Grünen Tee”. Doch in Deutschland nahmen die Jungs von Los Colorados nicht nur ein Album auf, sondern gaben auch ein Konzert in Berlin am Brandenburger Tor. Ihre Coverversion des Songs “I Like To Move It” wurde offizieller Fußball-Song des ZDF zur EM 2012.
Nach der Rückkehr aus Deutschland trat Los Colorados noch einmal beim Lokalfernsehen von Ternopil auf, im gleichen Studio und in der gleichen Besetzung, aber diesmal mit einer Coverversion des Songs von Rammstein “Du Hast”. Bei YouTube gab es damals mehr als 3,6 Millionen Aufrufe. Die Musiker sagen, der Erfolg habe sie nicht verändert. Ihren Lebensgewohnheiten seien sie bis heute treu geblieben: Sie trinken Grünen Tee und lassen sich von ukrainischer Musik inspirieren.
Bislang haben Los Colorados zwei Alben aufgenommen – ein ukrainisches und ein deutsches, die meist aus Coverversionen bestehen. Ein drittes Album soll zum 10. Jahrestag ihres Bestehens erscheinen. Die Gruppe tritt immer wieder auf Festivals und Konzerten auf – auf kommerziellen aber auch auf wohltätigen, mit denen sie ukrainische Soldaten unterstützen. Die Jungs von Los Colorados betonen, dass ihre Arbeit keinen Anspruch auf Einzigartigkeit erhebe. Sie würden einfach spielen, was ihnen gefalle.

Romian: Moderne Musik von Klassik-Künstlern

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Das Quintet Romian hebt sich von den anderen Musikern ab, die man in Kiews Fußgängerunterführungen antreffen kann. Erstens machen sie immer als Gruppe und niemals allein Musik. Zweitens besteht ihr Repertoire nicht aus klassischer Musik, sondern aus Coverversionen von Rock- und Pop-Liedern. Drittens ist das älteste Gruppenmitglied 20 und das jüngste 16 Jahre alt.

Der Name Romian setzt sich übrigens aus den beiden ersten Buchstaben der Namen der Gründer der Gruppe zusammen: Rodion, Mischa und Andrij. Das Quintett besteht aus zwei Geigen (Mychajlo Bykow und Georgij Moros), zwei Violen (Olexandra Kanke und Wladislaw Osadtschyj) und einem Cello (Tetjana Krawtschenko). Alle Mitglieder von Romian, außer Mychajlo (Mischa) Bykow, studieren Musik. Zusammen haben sie endlos viele Stunden in Fußgängerunterführungen gespielt, aber auch schon einige Konzerte gegeben.

Zu ihrem Repertoire zählen zahlreiche Coverversionen von System Of A Down, Nirvana, Sia, Jamala und anderen. Inspiriert von klassischer Musik, aber auch von Symphomania, Adele und Apocalyptica, beschränkt sich Romian bislang auf Coverversionen, aber die Gruppe ist ja auch erst anderthalb Jahre alt. Pläne für eigene Songs gibt es schon.

ANAKARD: Musiker eines freien Volkes

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Das Pop-Projekt ANAKARD gibt es erst seit wenigen Jahren. Aber dessen Mitglieder sind keine Newcomer. ANAKARD ist nur eine weitere Etappe im Wirken der Sängerin Margo Gontar und ihrer Kollegen Jurij Rjabtschuk (Schlagzeug) und Anton Korpan (Gitarre). Für Margo ist ANAKARD bereits die siebte Gruppe. Zuvor hatte sie sich auch schon als Gitarristin, Sängerin im Post-Hardcore, Jazz, Dubstep und in anderen Genres ausprobiert. Am Ende war ihr klar, dass sie etwas eigenes schaffen will.

Mit ihrem Projekt ANAKARD wollen die Musiker eine Nische in der modernen ukrainischen Szene füllen. Sie wollen eine Gruppe mit einem unverwechselbaren Klang sein. Die Songs sollen Gedanken und Gefühlen ausdrücken, die sich mit denen der Zuhörer decken. Das Spektrum der Musik, aus dem die Gruppe schöpft, ist breit und reicht von Rock (Bring Me The Horizon, Red Hot Chili Peppers) bis Pop (Beyonce) und Hip-Hop (Bones). Die Musik von ANAKARD ist ein ungewöhnlicher Mix aus Indie, Synth-Pop, Hip-Hop, elektronischer Musik und Live-Instrumenten.
Zusammen haben die Musiker bereits ein Album mit dem Titel “We Are Free” aufgenommen. Viele Songs handeln von den Ereignissen in der Ukraine in den Jahren 2013 und 2014 – der Revolution der Würde. Ein zweites Album ist in Arbeit. Vor kurzem hat ANAKARD ein neues Video zum Song “We Are Free” herausgebracht. Nach der Premiere verglichen Musikkritiker den Clip mit Videosequenzen aus der amerikanischen Fantasy-Fernsehserie “Games of Thrones”. Mit ihrem Video will ANAKARD die Ukrainer als junges Volk darstellen, das seine Freiheit niemals mehr aufgeben wird.

NastyaZnykaye: Energisch und melancholisch zugleich

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Wenn man zum ersten Mal den Namen der Gruppe NastyaZnykaye (Nastja verschwindet) hört, fragt man sich logischerweise: Wer ist Nastja und wohin verschwindet sie? Die Sängerin Anastasia (Nastja) Osypenko sagt, Nastja verschwinde nur in der Namensgebung, aber nicht in Wirklichkeit. Ihr Name sei schon einmal für ein Solo-Projekt verwendet worden. Musik sei für sie etwas, was man im Leben hinterlasse, was einem helfe, nicht vollständig zu verschwinden, so die Künstlerin. Ihre Musik bezeichnet sie als energischen und zugleich melancholischen Soul.

Nach ihrem Debütalbum verspürte Nastja den Wunsch, eine Musikgruppe zu gründen. Vor anderthalb Jahren schlossen sich ihr Jurij Schakalow (Bass), Natalia Wowk (Keyboard) und Olena Borytschewska (Schlagzeug) an. Inspiriert durch die Musik der Beatles, von Amy Winehouse, Norah Jones, Miles Davis und John Coltrane wollen die jungen Künstler in diesem Jahr ihr erstes gemeinsames Album herausbringen. Details verraten sie noch keine.

Früher schrieb Nastja ihre Musik und Texte selbst. Aber jetzt geschieht das gemeinsam in der Gruppe. Die Mitglieder von NastyaZnykaye geben zu, dass die harte Arbeit an den Songs allein nicht ausreicht, um auf dem jungen ukrainischen Musikmarkt erfolgreich zu sein. Man müsse schon wissen, wie man Auftritte gestaltet. Dies sollte man in die Hand eines professionellen Producers geben und sich selbst lieber auf die Songs konzentrieren, so die Musiker. Aufgetreten sind sie bereits auf mehreren ukrainischen Festivals (Kraina Mriy, Faine misto und JazzKoktebel), in vielen ukrainischen Städten sowie in Prag.