Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 8. bis 14. November 2016

 

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Die Sicherheitslage an der Kontaktlinie in der Ostukraine ist weiterhin instabil. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) meldet eine Verschärfung der Lage an der Kontaktlinie. Am Samstag teilte auch die ukrainische Seite mit, dass die prorussischen Militärverbände an allen Abschnitten der Front deutlich öfter mit schwerer Artillerie (mit einem Kaliber von 122 und 152 Millimetern) angreifen würden.

In der vergangenen Woche wurden die ukrainischen Streitkräfte 317 Mal beschossen. Infolge des Beschusses wurden vier ukrainische Soldaten getötet und 19 weitere verletzt. Es wurden auch drei Zivilisten getötet (ein 30-Jähriger und 55-Jähriger im Dorf Nowhorodske sowie ein 30-Jähriger in Torezk).

OSZE. Der erste stellvertretende Leiter der OSZE-Beobachtermission, Alexander Hug, teilte mit, dass die OSZE-Beobachter Zeugen heftiger Kampfhandlungen im Donbass geworden sind. Vom 7. bis 9. November wurden über 4000 Verstöße gegen die Waffenruhe festgestellt, in der vergangenen Woche (31.10. bis 06.11.) über 7000 Verstöße.

Waffenlieferungen aus Russland. Russland liefert weiterhin Militärtechnik in die vorübergehend besetzten Gebiete in der Ostukraine. So wurden am 11. November erneut Panzer, 14 Selbstfahrlafetten und Brennstoffe geliefert. Das teilte der Sprecher für Fragen der Anti-Terror-Operation des Verteidigungsministeriums der Ukraine mit.

Besetzte Grenzübergangsstellen und geheime Lager: Russland unterstützt die prorussischen Verbände seit zwei Jahren. Den Rebellen werden mit Zügen aus Russland große Mengen an Munition geliefert. Entsprechende Aufnahmen sind mit einem Satelliten erstellt worden, berichtet Glasnost Gone. Russland nutzt seit 2014 für die Lieferungen die von den Rebellen besetzte Grenzübergangsstelle in Maryniwka im Gebiet Donezk. So transportierten russische Güterzüge in die besetzte ukrainische Ortschaft Suchodilsk, über 100 Militärfahrzeuge. Diese wurden dann vor dort in eine frühere ukrainische Militärbasis gebracht. Es gibt Bilder, auf denen ein geheimes Lager für diese Lieferungen in der Siedlung Ruske zu sehen ist (Video).

Freiwillige ermitteln. Freiwillige der Nichtregierungsorganisation InformNapalm haben Namen russischer Soldaten ausfindig gemacht, die am Beschuss ukrainischen Territoriums von Russland aus beteiligt gewesen waren. Informnapalm wollte die russischen Artilleristen der 7. Militärbasis (im besetzten Abchasien stationiert) der 49. Armee des Südlichen Militärbezirks der russischen Streitkräfte identifizieren. Die Soldaten des reaktiven Artilleriebataillons waren am Beschuss ukrainischer Städte, Dörfer und Checkpoints der ukrainischen Streitkräfte von August bis Dezember 2014 beteiligt. 21 von 35 der russischen Soldaten wurden identifiziert (Bericht).

Mord an dem russischen Rebellen Motorola: neue Vorwürfe seitens der “Donezker Volksrepublik”. Die Vertreter der selbsternannten “Donezker Volksrepublik” haben erklärt, dass der Leiter des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) im Gebiet Donezk, Witalij Marikow, und der SBU-Leiter im Gebiet Luhansk, Oleg Koslowskij, den Mord an dem russischen Rebellen Mototola (Arsen Pawlow) organisiert hätten. Außerdem seien im Donbass sechs Mitglieder der ukrainischen nationalistischen Organisation “Misanthropic Division” festgenommen worden, die sich angeblich zum Mord an Motorola bekannt hätten. Der SBU habe ihnen angeblich befohlen, Sabotageakte in den vorübergehend besetzten Gebieten zu organisieren. Vertreter von “Misanthropic Division” weisen die Vorwürfe zurück und betonen, dass sich keine Mitglieder ihrer Organisation in diesen Gebieten aufhalten.

Austausch von Gefangenen. Der SBU ist zu jeglichen Kompromissen für einen Austausch von Gefangenen und für die Freilassung von Geiseln bereit. Die ukrainische Seite ist sogar bereit, “einen gegen drei” auszutauschen. Das teilte der Berater des SBU-Chefs, Jurij Tandit, mit. Ihm zufolge sind seit Anfang der Kampfhandlungen in der Ostukraine 3083 Personen ausfindig gemacht und freigelassen worden, 494 gelten immer noch als vermisst, 109 befinden sich in Gefangenschaft der Rebellen. Der SBU prüft auch Informationen, wonach sich einige Vermisste in Russland befinden könnten.

Wie hat die Ukraine auf Donald Trumps Wahlsieg reagiert?

Die Öffentlichkeit und Expertenkreise. Donald Trumps Wahlsieg war ein Schock für die ukrainische Öffentlichkeit. Trumps Äußerungen über die Krim und seine Sympathiebekundungen für Russland und Präsident Wladimir Putin haben für Ängste gesorgt und zu einer lebhaften Diskussion in der ukrainischen Presse geführt.

Die Staatsführung. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat in einer Erklärung dem neu gewählten US-Präsidenten gratuliert und darin betont, dass “Wahlen ein Zeichen für eine wahre Demokratie sind, wenn bis zur letzten Minute niemand das Wahlergebnis kennt”. Poroschenko hat Trump zu einem Besuch in die Ukraine eingeladen.

Einer der ersten ukrainischen Politiker, die Trump gratuliert haben, ist der ehemalige Vorsitzende der Region Odessa, Micheil Saakaschwili. In der vergangenen Woche machte er seine Unterstützung für den neugewählten US-Präsidenten deutlich und teilte auf seiner Facebook-Seite Erinnerungen an seine Freundschaft mit Trump.

Premierminister Wolodymyr Hrojsman reagierte zwar offiziell auf Trumps Wahlsieg, aber dessen Name wurde in der Erklärung nicht erwähnt. Parlamentschef Andrij Parubij gratulierte Trump ebenfalls und sprach im Zusammenhang mit dessen Wahlsieg von einer “neuen Realität und neuen Möglichkeiten für die Ukraine”. Parubij erinnerte daran, dass die US-Republikaner traditionell die Ukraine unterstützen würden.

Politiker. Der Oppositionsblock hat angekündigt, das Verhalten der ukrainischen Staatsführung genau zu beobachten. Denn noch bis vor kurzem sei Trump gedemütigt und beleidigt worden. Die Partei, die aus der ehemaligen Partei der Regionen von Ex-Präsident Wiktor Janukowytsch hervorgegangen ist, erinnerte daran, dass Kiew Trumps Wahlkampf mit dem Skandal über die Schwarze Buchhaltung der Partei der Regionen geschadet habe. In den Skandal ist der Chef von Trumps Wahlstab, Paul Manafort, verwickelt.

Der Vorsitzende der Radikalen Partei, Oleh Ljaschko, erklärte, er hoffe, dass sich Tump und Putin nicht annähern, so wie es Trump während seines Wahlkampfes angekündigt habe. Das Wahlergebnis bezeichnete Ljaschko als “Schocktherapie“. Vertreter von Julia Tymoschenkos Partei Vaterland gehen davon aus, dass die Partnerschaft mit den USA sich weiter verfestigen werde. Die Partei Volksfront des ehemaligen Premiers Arsenij Jazenjuk äußerte auch die Hoffnung auf eine weitere Zusammenarbeit, darunter bei der Entwicklung der Zivilgesellschaft. Ein Abgeordneter der Präsidenten-Partei Block Petro Poroschenko sagte scherzhaft, die Ukraine sei bereit, eigene Erfahrungen zu teilen, wie man einen problematischen Präsidenten übersteht.

Korruptionsbekämpfung: Neue Rücktrittswelle von Reformpolitikern

Die Leiterin der Nationalen Polizei, Chatia Dekanoidse, ist zurückgetreten. Ihr bisheriger Stellvertreter Vadym Trojan wird vorübergehend ihr Amt ausüben. Dekanoidse stand der ukrainischen Polizei seit November 2015 vor. Davor war sie Beraterin von Innenminister Arsen Awakow (Meldung auf Englisch).

Auch die Leiterin des Zolls in Odessa, Julia Maruschewska, hat ihren Rücktritt erklärt. Als Grund gab sie bei einem Briefing an, dass die Regierung keine Reformen beim Zoll in der Region Odessa durchführen wolle.

Am 7. November gab der Polizeichef der Region Odessa, Giorgi Lortkipanidse, seinen Rücktritt bekannt. Am selben Tag trat auch der Vorsitzende der Staatlichen Verwaltung in der Region Odessa, Micheil Saakaschwili, zurück.

Menschenrechte: “Ukrainische Saboteure” auf der Krim

Der russische Geheimdienst FSB hat erklärt, “Mitglieder einer Sabotage- und Terror-Gruppe der Hauptverwaltung der Militäraufklärung des ukrainischen Verteidigungsministeriums” festgenommen zu haben. Das meldete die Pressestelle des FSB. “Der Föderale Sicherheitsdienst der Russischen Föderation hat am 9. November 2016 in der Stadt Sewastopol Mitglieder einer Sabotage- und Terror-Gruppe der Hauptverwaltung der Militäraufklärung des ukrainischen Verteidigungsministeriums festgenommen, die Sabotageakte gegen die militärische Infrastruktur und lebenswichtige Versorgungsobjekte auf der Krim geplant haben“, so die FSB-Pressestelle. Die ukrainische Militäraufklärung weist die Vorwürfe zurück.

Die Föderale Nachrichtenagentur teilte mit Verweis auf eine Quelle mit, dass folgende Personen auf der Krim verhaftet wurden: Oleksij Bessarabow; Dmitrij Schtyblikow und Wladimir Dudko.

Am 10. November hat ein Gericht in Sewastopol drei Ukrainer für zwei Monate verhaftet. Später wurde ein Video von der “Festnahme” der Ukrainer veröffentlicht. Bei ihnen wurden angeblich Visitenkarten des “Rechten Sektors” und Waffen gefunden. Doch eine Prüfung des Videos ergab, dass es sich dabei lediglich um Waffen für Strikeball-Spiele handelt.

Der ehemalige Chef für Energieprogramme beim Zentrum „Nomos“, Michail Gontschar erklärte, dass Bessarabow und Schtyblikow Militärexperte neim „Nomos“ waren. „Sie haben direkt in Sewastopol an dem Problem der Schwarzmeerregion gearbeitet. Beide sind bekannte Experten. Im Internet können ihre Publikationen und Einschätzungen, sowie Kommentare gefunden werden. Sie waren Personen des öffentlichen Lebens. Sie passen irgendwie schlecht zur Spionage oder Sabotage“, sagte Gontschar.

Umfrage: Erfahren Binnenflüchtlinge Diskriminierung?

Mit dem Stand vom 24. Oktober 2016 zählt das Ministerium für Sozialpolitik 1.672.251 Binnenflüchtlinge aus dem Gebiet der Anti-Terror-Operation im Osten der Ukraine und aus der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim.

61 Prozent der Binnenflüchtlinge, die vom Kiewer Internationalen Institut für Soziologie befragt wurden, empfinden nicht, dass gegenüber ihnen die Menschen voreingenommen sind. Drei Prozent der Befragten spüren ständig eine voreingenommene Haltung ihnen gegenüber und elf Prozent von Zeit zu Zeit. 21 Prozent sprechen von Einzelfällen und fünf Prozent wussten keine Antwort auf die Frage.

Von denjenigen, die sich voreingenommen behandelt fühlen, sagten 50 Prozent, dass es sich dabei um einfache Menschen handele, wie Kollegen und Nachbarn. 31 Prozent gaben an, dass es sich um Beamte handeln würde. 30 Prozent nannten den Vermieter, 22 Prozent den Arbeitgeber, zehn Prozent Lehrer und Ärzten und vier Prozent die Polizei.

Kultur: Trickfilm-Festival in Kiew

Arbeiten junger ukrainischer Trickfilmmacher werden vom 18. bis 20.November in Kiew im Rahmen des 23. Internationalen Trickfilm-Festivals “Schritt-2016: Im Heimathafen” (KROK-2016) gezeigt. Das Festival gilt als eines der renommiertesten und ältesten in Osteuropa. Es findet seit 1989 jedes Jahr abwechselnd in der Ukraine und in Russland statt. In der Ukraine wurde es zuletzt im Jahr 2013 durchgeführt. Auf dem diesjährigen Programm stehen Filme aus 28 Ländern. Die Ukraine ist bei dem Wettbewerb mit sieben Filmen vertreten.

Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportagen

Ein Kandidat für einen hohen Posten in der Regierung des gewählten US-Präsidenten Donald Trump tritt für die Bewaffnung der Ukraine ein. Reportage von Ukraine Today.

Wie die Ukraine auf Donald Trumps Wahlsieg reagiert hat. Reportage von KyivPost.

Saakaschwili wirft dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko Korruption vor. Reportage von Ukraine Today.

Die Ukraine muss sich auf einen langen Krieg im Donbass einstellen. Kommentare von Experten für KyivPost.

In Kiew wird ein Denkmal für die französische Königin Anna Jaroslawna errichtet. Reportage von Ukraine Today.

Die ukrainische Abgeordnete Nadija Sawtschenko fordert in einem offenen Brief Donald Trump auf, die Sanktionen gegen Russland aufrecht zu halten. Reportage von KyivPost.

Interviews

Warum die ukrainischen Beamten eine “weiße Weste” bei der elektronischen Einkommenserklärung haben wollen. Interview von Hromadske International mit der Chefredakteurin der “Ukrajinska Prawda”, Sewgil Musajewa-Borowyk.

Welche Probleme gibt es bei der Reform des öffentlichen Rundfunks? Interview von Hromadske International mit Ihor Roskladaj, Rechtsanwalt des Instituts für Medienrecht.

Meinung

Trotz Applaus im Kreml wird Moskau in Wirklichkeit mit Trump kein Glück haben. Kolumne des Politologen Oleksandr Chara für Ukraine Today.

“Gute alte Zeiten des Krieges”. Die sowjetische Vergangenheit als Instrument der russischen Propaganda. Kolumne der Politologin Ksenija Nowikowa für Ukraine Today.

Analyse

Micheil Saakaschwili in Odessa: 10 Versprechen des ehemaligen Vorsitzenden der staatlichen Gebietsverwaltung von Odessa. Analyse von Ukraine Today.

Abgeordneter Wadim Nowinskij – ein “russischer Oligarch” in der Ukraine. Analyse von KyivPost, im Rahmen des Projekts OligarchWatch.