Große Mehrheit der Ukrainer mit Entwicklung ihres Landes unzufrieden

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Experten und Soziologen blicken auf das Jahr 2016 zurück und sagen, was die Menschen im Jahr 2017 erwarten. Die Ergebnisse einer entsprechenden Studie wurden bei der Diskussionsrunde “Bilanz 2016: Trends, Herausforderungen und Risiken für 2017” im Ukraine Crisis Media Center vorgestellt.

86 Prozent der Ukrainer meinen, dass sich die Führung ihres Landes in falscher Richtung bewegt. 87 Prozent finden, dass die wirtschaftliche Situation in der Ukraine schlecht ist. 69 Prozent misstrauen dem Präsidenten, 82 Prozent dem Parlament. Die Regierungsparteien haben an Zustimmung verloren. Hingegen sind die Zustimmungswerte der Oppositionsparteien (Vaterland, Oppositionsblock, Partei von Wadym Rabinowitsch) gestiegen. Das sagte Wolodymyr Paniotto, Leiter des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie im Ukraine Crisis Media Center.

Seinen Angaben zufolge hatte sich zwischen 2014 und 2015 die Armutsquote auf 17,7 Prozent verdoppelt, aber zwischen 2015 und 2016 ist sie unverändert geblieben. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 betrug die Armutsquote 47,2 Prozent, 2008 11,4 Prozent und 2010 17,8 Prozent. Laut der Studie gaben im Jahr 2010 65 Prozent der Ukrainer an, glücklich zu sein. 2016 waren es 54,1 Prozent, was auf Angaben der Menschen zurückgeht, die in den Gebieten leben, wo es zu Kampfhandlungen kommt. In den restlichen Gebieten der Ukraine haben sich die Werte nicht verändert. Paniotto sagte, zur positiven Bilanz des Jahres 2016 zähle die Eindämmung der Korruption und die Zunahme der Internetnutzer auf 62 Prozent (29 Prozent im Jahr 2010). Die Menschen seien heute besser informiert. Auch die Medien hätten größere Handlungsfreiheit gewonnen. Paniotto ist überzeugt, dass sich die Lage im Land stabilisiert hat.

Oleksij Antypowytsch, Leiter der soziologischen Gruppe “Rating”, sagte, die Bevölkerung bewerte in einigen Bereichen die Arbeit der Regierung als erfolgreich. Positiv gesehen werde die Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit des Landes (40 Prozent), die Polizeireform (28 Prozent) und die Dezentralisierung (22 Prozent). Gleichzeitig bewerten 74 Prozent den Verlauf der Verhandlungen bezüglich der visafreien Einreise für ukrainische Staatsbürger in die EU als negativ. 77 Prozent sehen keine Erfolge bei der Förderung kleiner Unternehmen. 89 Prozent finden, dass die Bekämpfung der Korruption nicht erfolgreich ist. (Studie in englischer Sprache)

Erfolge und Misserfolge im Jahr 2016

An erster Stelle der Erfolge der Ukraine, so Antypowytsch, stehe der Sieg der Sängerin Jamala beim Eurovision Song Contest, aber auch die Siege der ukrainischen Mannschaft bei den Paralympischen Spielen. Weitere Erfolge waren Antypowytsch zufolge die Befreiung von Nadija Sawtschenko aus russischer Gefangenschaft, die Schaffung eines elektronischen Registers für das öffentliche Beschaffungswesen sowie die Reformen im Verteidigungsbereich. Die größten Misserfolge im Jahr 2016 sind nach Ansicht von Antypowytsch die Sabotage der Untersuchungen der Verbrechen, die während der Revolution von Würde begangen wurden, sowie das Versagen bei der Korruptionsbekämpfung.

Serhij Dazjuk, Experte des Beratungsunternehmens “Gardarika” wies darauf hin, dass die Regierung versuche, die Freiwilligen-Bewegung im Lande zurückzudrängen, was die Staatsführung insgesamt in Misskredit bringe. Er machte ferner darauf aufmerksam, dass versucht werde, die öffentliche Meinung mit Hilfe von Anti-Protest-Kampagnen zu manipulieren. Dies habe dazu geführt, dass die Protestbereitschaft in der Gesellschaft gesunken sei.

Oleh Saakjan, Politikwissenschaftler und Leiter der Initiative “Koordinationszentrum Donbass”, sagte, dass der Krieg im Osten des Landes bei den Ukrainern die Prioritäten ihrer Werte verändere. Die Menschen würden sich über Verluste des Feindes freuen und den Krieg als alltägliche Erscheinung empfinden.

Der Publizist Kostjantyn Matwijenko sagte während der Diskussion im Ukraine Crisis Center, dass es inzwischen unmöglich sei, die Kluft zwischen der Gesellschaft und der Staatsmacht zu überwinden. Die Staatsmacht lebe ihr eigenes Leben. Präsident Petro Poroschenko habe in seiner Hand maximale Befugnisse konzentriert. In den Augen der Gesellschaft ist er für alles verantwortlich, was im Land passiert. Viktor Neboschenko, Direktor des soziologischen Dienstes “Ukrainisches Barometer”, sagte in diesem Zusammenhang, der Präsident habe so viel Macht in seiner Hand konzentrieren können, weil das Parlament zersplittert sei.

Zur Lage der Eliten

Die “Gewinner” des Jahres 2016 sind Präsident Petro Poroschenko, Premierminister Wolodymyr Hrojsman und Julia Tymoschenko. Dieser Überzeugung ist Wadym Karasjow, Direktor des Instituts für globale Strategien. Hrojsman (Block Petro Poroschenko) und Tymoschenko (Vaterland) konnten ihre Positionen halten. Andrij Sadowyj (Partei Selbsthilfe) hingegen hat das Vertrauen der Bürger wegen der Probleme mit der Mülldeponie in Hrybowytschi bei Lwiw verloren. “Es gibt keine einheitliche Opposition mehr, sie ist gespalten und befindet sich in der Rolles eines Beobachters”, sagte Karasjow. Er betonte, die Ukraine sei faktisch zu einer präsidial-parlamentarischen Republik geworden, da die Macht in der Hand von Präsident Poroschenko konzentriert sei. Karasjow zufolge sind im Jahr 2016 auch die Oligarchen zurückgedrängt worden.

Die Zustimmungswerte der wichtigsten Politiker haben sich laut den Soziologen im zurückliegenden Jahr wie folgt entwickelt: Julia Tymoschenko von 13 auf 18 Prozent, Petro Poroschenko von 23 auf 14 Prozent, Oleh Ljaschko von 8 auf 9 Prozent, Andrij Sadowyj von 11 auf 8 Prozent, Nadija Sawtschenko von 10 auf 2 Prozent.

Die wichtigsten Herausforderungen 2017

Die wichtigsten Herausforderungen im Jahr 2017 liegen in der Außenpolitik. Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine ist weiterhin ungelöst. Davon, wie dieses Problem gelöst wird, wird die politische Entwicklung im ganzen Land abhängen. Eine Herausforderung besteht darin, ob die Wirtschaft der Ukraine in der Lage sein wird, wirklich zu wachsen, denn zurzeit wird nur über Wirtschaftsprobleme gesprochen, aber nicht über deren Lösung. Die politischen Veränderungen in den USA und die, die in Russland erwartet werden, werden auch ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der Ukraine sein, stellten die Teilnehmer der Diskussion im Ukraine Crisis Media Center fest.