Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 24. bis 30. Januar 2017

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

In der Ostukraine wird weiter heftig gekämpft. Im Vergleich zur vergangenen Berichtsperiode erhöhte sich der Beschuss um 50 Prozent. Auch nahm die Anzahl der Verletzten und Toten unter den ukrainischen Soldaten zu.

Schwere Kämpfe ums Gewerbegebiet von Awdijiwka. In den letzten Tagen haben die prorussischen Militärverbände erneut versucht, das Gewerbegebiet von Awdijiwka einzunehmen. Dabei haben sie schwere Artillerie, darunter Raketensysteme (BM-21 GRAD und GRAD-Partisan), Panzer, Granatwerfer mit einem Kaliber von 122 Millimetern eingesetzt. Nach einer misslungenen Offensive von zwei Trupps wurde der Angriff von den ukrainischen Streitkräften abgewehrt. Den ukrainischen Truppen gelang es dabei, strategisch wichtige Stellungen zu besetzen, teilte der Verteidigungsminister Stepan Poltorak mit.

Nach heftigem Beschuss waren 34.000 Einwohner in Awdijiwka ohne Wärme-, Wasser- und Stromversorgung. Die Außentemperatur liegt dort derzeit bei -20 Grad Celsius. Die Kokerei von Awdijiwka ist ebenfalls außer Betrieb. Aufgrund dieser Situation ist die Gefahr einer humanitären Katastrophe groß. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat seinen Besuch nach Deutschland unterbrochen (Meldung auf Englisch).

Blockade des Handels mit den selbsternannten „Republiken“. Veteranen der Anti-Terror-Operation haben mit einer Blockade der Eisenbahnstrecke Luhansk-Lysytschansk-Popasna (nahe den Ortschaften Hnutowe und Solote) begonnen. Dies teilte der ukrainische Abgeordnete und ehemalige Kommandeur des Bataillons “Donbass”, Semen Sementschenko, mit. Dem Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Oleksander Turtschynow, zufolge wird es aber ohne eine Regierungsentscheidung in der Zone der Anti-Terror-Operation keine zusätzlichen Checkpoints geben, die eine Wirtschaftsblockade gegen den Donbass zu Ziel haben. Wie bereits berichtet wurde, soll die Blockade dazu dienen, die Freilassung ukrainischer Gefangenen zu beschleunigen.

Inspektionen in russischen Grenzgebieten zur Ukraine. Vom 16. bis 19. Januar haben ukrainische, kanadische und dänische Vertreter im russischen Gebiet Rostow nahe der Grenze zur Ukraine Inspektionen durchgeführt und dabei überprüft, ob dort russische Militäreinheiten stationiert sind. Russland begrenzte die Inspektionsflüge in russisches Territorium hinein zunächst auf 25 Kilometer, später verbot es sie ganz und die Inspekteure konnten sich nur noch per Auto bewegen. Die Inspekteure stellten fest, dass Russland gegen das Wiener Dokument 2011 der Verhandlungen über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen (WD 11) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verstoßen hat, indem es damit begonnen hat, nahe der ukrainischen Grenze eine motorisierte Schützendivision aus mehr als 10.000 Soldaten aufzubauen. Die Inspekteure konnten Informationen über eine deutliche Konzentration von Artilleriesystemen verschiedener Typen unweit von Nowotscherkassk sowie auf dem Truppenübungsplatz “Kusjminskij” bestätigen. Diese Artilleriesysteme könnten an die prorussischen Militärverbände geliefert werden.

Das Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”

Werbung im besetzten Teil des Donbass als Spiegel der ukrainischen Korruption. Eine Studie über Werbung und Annoncen im besetzten Teil des Donbass gibt einen interessanten Aufschluss über das Leben in dem Staatsgebiet, das von der ukrainischen Regierung nicht kontrolliert wird. Unter anderem lassen sich anhand von Annoncen korrupte Machenschaften in ukrainischen Passämtern, Gerichten, bei Notaren sowie in den Service-Centern des Innenministeriums und des Sicherheitsdienstes SBU erkennen. So wird den Bewohnern der besetzten Gebiete in Anzeigen versprochen, Passierscheine für die Trennlinie innerhalb eines Tages zu bekommen, anstatt der üblichen zehn Tage. Auch wird eine schnelle Ausstellung eines neuen Passes, eines Führerscheins und anderer ukrainischer Dokumente versprochen. Als weitere Dienstleistungen werden bequeme Reisen in andere ukrainische Städte sowie auf die Krim und nach Russland angeboten.

Tod des ehemaligen Anführers der “Volksrepublik Luhansk”. Webseiten der Separatisten sowie Vertreter der prorussischen Rebellen berichten in sozialen Netzwerken vom Tod des ehemaligen Anführers der Gruppierung “Volksrepublik Luhansk”, Walerij Bolotow. Die Berichte bestätigte der ehemalige Anführer der Gruppierung “Volksrepublik Donezk”, der russische Staatsbürger Aleksandr Borodaj. Nach vorläufigen Angaben erlag Bolotow einem Herzinfarkt. Er gehörte zu den prorussischen Rebellen, die die Besetzung des Gebäudes des Sicherheitsdienstes SBU im Gebiet Luhansk im April 2014 organisiert hatten. Danach wurde Bolotow Anführer der Gruppierung “Volksrepublik Luhansk”. Doch im August 2014 macht Moskau Igor Plotnizkij zum Anführer der prorussischen Rebellen in Luhansk.

Krim: Jagd auf Rechtsanwälte

Am 26. Januar haben russische Sicherheitsbeamte auf der Krim den Rechtsanwalt Emil Kuberdinow festgenommen. Anschließend sprach ihn ein Gericht in Simferopol wegen einer Ordnungswidrigkeit schuldig. Kuberdinow wird vorgeworfen, in den Jahren 2012 und 2013 auf Facebook Symbole der in Russland verbotenen Organisationen Islamischer Staat, Hizb ut-Tahrir und Al-Nusra-Front veröffentlicht zu haben.

Einen Tag zuvor nahmen in Simferopol sechs Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes FSB den Anwalt Nikolaj Polosow fest. Am Vortag hatte Polosow noch an der Sitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) teilgenommen. Dort hatte er erklärt, von den russischen Behörden unter Druck gesetzt zu werden.

Beide Anwälte vertreten auf der Krim inhaftierte pro-ukrainisch gesinnte Bürger, die mehrheitlich Krimtataren sind.

Menschenrechte: Die Ukraine vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Die ukrainische Regierung gehört zu denen, die im Jahr 2016 laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am meisten die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt haben. Im Laufe des Jahres hat das Gericht 70 Urteile gefällt, in denen die Ukraine für schuldig erklärt wird, mindestens einen Artikel der Konvention verletzt zu haben (gegen Russland wurden 222 solcher Urteile gesprochen).

In deutlich mehr Fällen erkannte die Ukraine ihre Schuld an und zahlte die von den Klägern geforderten Beträge gemäß dem Verfahren der einseitigen Erklärung (482 Beschwerden). Übertroffen wird die Ukraine von Italien (811 Erklärungen).

Auch liegt die Ukraine an erster Stelle (456 Beschwerden) wenn es um eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits geht. Dabei handelt Kiew mit dem Kläger die Höhe der Entschädigung aus und der Kläger nimmt seine Ansprüche gegen den Staat zurück (der Staat weiß, dass er die Konvention verletzt hat und den Streit verliert, aber rechtlich erkennt er den Verstoß nicht an). An zweiter Stelle ist Russland (354 Beschwerden).

“Salem-Preis 2016” geht an die ukrainische Mathematikerin Maryna Viazovska

Nach Angaben des ukrainischen Ministeriums für Bildung und Wissenschaft ist Maryna Viazovska mit dem internationalen “Salem-Preis 2016” ausgezeichnet worden. Dieser renommierte Preis wird an junge Mathematiker und Mathematikerinnen vergeben, die herausragende Leistungen erbracht haben. Er ist nach dem griechischen und französischen Mathematiker und Bankier Raphaël Salem benannt.

Sport: Ukrainerin gewinnt Juniorenturnier bei den Australian Open

Die 14-jährige ukrainische Tennisspielerin Marta Kostjuk hat das Juniorenturnier bei den Australian Open 2017 in Melbourne gewonnen. Im Finale setzte sich Kostjuk gegen die Schweizerin Rebeka Masarova durch. Kostjuk ist die vierte Ukrainerin, die es geschafft hat, ein Grand-Slam-Turnier unter Junioren zu gewinnen. Sie ist die erste, die das Australian Open gewonnen hat.

Kultur: Fokus im Osten

Der ukrainische Dichter und Schriftsteller Serhij Zhadan hat eine Wohltätigkeitsstiftung gegründet. Sie soll humanitäre Unterstützung für die Menschen im Osten der Ukraine leisten. Seit 2014 besucht Zhadan zusammen mit anderen Künstlern Soldaten. Er sammelt Spenden für Bildungs-, Kultur- und medizinische Einrichtungen in der Ostukraine. Seine neue Stiftung soll diese Arbeit koordinieren und dazu dienen, die humanitäre Hilfe zu verstärken.

Beim “Haus freier Menschen”, einem Zusammenschluss von NGOs, die Binnenflüchtlingen helfen, ist eine Ausstellung eröffnet worden, die sich dem neuen Online-Museum Luhansk’s ART & FACTs widmet. Das Projekt (es gibt eine englischsprachige Seite) besteht aus Fotografien, Büchern, Bildern und weiteren Gegenständen, die das Kunstleben in Luhansk in den Jahren 2004 bis 2013 dokumentieren. Das Projekt wird von der gesellschaftlichen Organisation “STAN” mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung umgesetzt. Die Veranstalter wurden vom Berliner Friedrichshain-Kreuzberg Museum beraten.

Nachfolgend eine Auswahl an englischsprachigen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportagen

Neue Angriffe im Gewerbegebiet bei Awdijiwka. Reportage von UNIAN

Angriffe statt Entflechtung. Was in der Ostukraine passiert. Reportage von Hromadske International

Donald Trump erwägt die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland. Reportage von UNIAN

Verfahren gegen Janukowytsch: Angst des flüchtigen Präsidenten. Reportage von The Day

Ihor Kononenko, Parteifreund des ukrainischen Präsidenten, angeblich mit Quecksilber vergiftet. Reportage von LB.

Russland setzt Anwälte der Krimtataren unter Druck. Reportage von Hromadske International

Meinung

Erwartungen an Trumps Präsidentschaft. Leitartikel von KyivPost

Analyse

Kraft und Schwäche der russischen Geheimdienste. Analyse von LB

Sind die Sanktionen gegen Russland wirksam? Analyse von LB

Wie wird eine Reintegration der vorübergehend besetzten Gebiete des Donbass aussehen? Analyse von Hromadske International