561. Kriegstag: Blinken in Kyjiw, Aussichten für die Gegenoffensive, Geld russischer Oligarchen

Blinken in Kyjiw: Die wichtigsten Ergebnisse des Besuchs

Antony Blinken hält sich erstmals während des Krieges zu einem zweitägigen Besuch in der Ukraine auf. Seine Entscheidung, die Nacht in Kyjiw zu verbringen, sollte wie die gesamte Reise ein Signal der amerikanischen Unterstützung für die Ukraine sein, betont das US-Außenministerium.

Blinken bestätigte die Angaben amerikanischer Medien, dass zu den Hauptzielen seines Besuchs der Wunsch des Weißen Hauses gehört, von der Ukraine Informationen über die Gegenoffensive ihrer Streitkräfte zu erfahren sowie zusätzliche Hilfe für die Ukraine zu besprechen, aber auch Strategie zum Wiederaufbau des Landes. Zu den Themen von Blinkens Treffen in Kyjiw gehören auch die Vorbereitung der ukrainischen Energiewirtschaft auf den Winter und alternative Routen für den Getreideexport aus der Ukraine.

In Kyjiw gedachte Blinken auf dem Berkowez-Friedhof der gefallenen Verteidiger der Ukraine. Zudem traf er sich bereits mit Außenminister Dmytro Kuleba, Premierminister Denys Schmyhal, Präsident Wolodymyr Selenskyj und Mitarbeitern der US-Botschaft in der Ukraine. Blinken kündigte dabei ein neues Hilfspaket in Höhe von einer Milliarde US-Dollar für die Ukraine an, darunter 665 Millionen US-Dollar für die zivile Sicherheit. Bei seinem Treffen mit Kuleba wies Blinken auf gute Fortschritte bei der Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte hin und erklärte, dass die USA sicherstellen wollen, dass die Ukraine jetzt und in Zukunft alles hat, was sie braucht.

US-Geheimdienst rechnet mit Fortschritten bei der ukrainischen Gegenoffensive

Im Pentagon geht man davon aus, dass die jüngsten Erfolge der ukrainischen Streitkräfte die “realistische Möglichkeit” nahelegen, dass die restlichen russischen Verteidigungslinien bis Ende 2023 durchbrochen werden können, auch wenn dies äußerst schwierig sein wird.

In einem Interview mit “The Economist” sagte Trent Maul, Direktor der Analyseabteilung der Defense Intelligence Agency (DIA), des militärischen Nachrichtendienstes der Vereinigten Staaten, dass die ukrainische Gegenoffensive nach drei Monaten langsamer Fortschritte etwas an Fahrt gewinne. Er räumt ein, dass amerikanische und ukrainische Vertreter die Tiefe der russischen Verteidigungsanlagen und die Schwierigkeit, sie mit gepanzerten Fahrzeugen zu durchdringen, für die Ukraine nicht voll eingeschätzt hätten. Ukrainische Generäle sagten unterdessen der Zeitung “Guardian”, dass 80 Prozent der Bemühungen Russlands auf den Aufbau der ersten und zweiten Verteidigungslinie gerichtet waren. Trent Maul warnt jedoch davor, dass ein erheblicher Teil der russischen Verstärkungen auch noch in der dritten Linie verbleibt. Ihm zufolge sind zwei kritische Faktoren äußerst wichtig: die Munitionsversorgung der Ukraine, die für die Unterstützung der Artillerie, die den Vormarsch sichert, von entscheidender Bedeutung ist, und das Wetter im Herbst.

Ein Vertreter der Administration von US-Präsident Joe Biden hatte zuvor erklärt, der Ukraine würden nur noch etwa sechs bis sieben Wochen bis zum Höhepunkt der Offensive bleiben. Maul ist diesbezüglich optimistischer. Er stellt fest, dass Sergej Surowokin, der russische General, der die Verteidigungslinien errichtete, und Jewgenij Prigoschin, dessen Wagner-Söldner im vergangenen Jahr Russlands greifbarste Erfolge erzielten, beide außer Gefecht sind. Surowokin ist entlassen und Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

Maul sagte auch, dass die jüngsten Erfolge der Ukraine “bedeutend” seien und sie ihren Streitkräften die “realistische Chance” geben – geheimdienstlich gesehen mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 bis 50 Prozent – bis zum Jahresende die verbleibenden russischen Verteidigungslinien zu durchbrechen. Aber er warnte zugleich, dass die begrenzte Munition und das sich verschlechternde Wetter dies “sehr schwierig” machen würden.

Unterdessen richtet sich die Aufmerksamkeit der US-Geheimdienste bereits auf die nächste Kampf-Saison. Sollte in diesem Jahr kein Durchbruch erzielt werden, ist die DIA davon überzeugt, dass die Ukraine gut auf einen weiteren Durchbruch im Jahr 2024 vorbereitet sein wird, wenn sie den Vorsprung um Robotyne erweitern und sich eine Munitionsversorgung sichern kann.

USA übergeben erstmals beschlagnahmtes Geld russischer Oligarchen an die Ukraine

Zum ersten Mal haben die USA der Ukraine Vermögenswerte übergeben, die von sanktionierten russischen Oligarchen beschlagnahmt wurden. Sie werden zur Unterstützung von Veteranen eingesetzt. Dies erklärte US-Außenminister Antony Blinken bei seinem Besuch in Kyjiw am 6. September. “Wer Putins Angriffskrieg ermöglicht hat, muss dafür zahlen”, betonte er.