Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine
In der Ostukraine halten die Kampfhandlungen an. Am 11. Juni haben die prorussischen Militärverbände schwere Waffen eingesetzt, die laut den Minsker Vereinbarungen verboten sind. Die Wohnbezirke der Siedlungen Krasnohoriwka und Marjinka wurden ebenfalls beschossen. Infolge des Beschusses wurden zwei Zivilisten verletzt. In der vergangenen Woche wurden in diesen Siedlungen Krankenhäuser und Schulen beschädigt. In den Siedlungen Olhinka und Hrafske wurden Dutzende Häuser sowie eine Unterstation beschädigt, weswegen ein Teil dieser Siedlungen ohne Strom ist. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa berichtet über Opfer unter Zivilisten in Ortschaften, die zwischen dem von den Rebellen kontrollierten Donezk und dem von Kiew kontrollierten Krasnohoriwka liegen.
Die ukrainischen Streitkräfte nehmen neue Positionen in der “Grauzone“ ein. Das 1. und 2. Bataillon der 93. mechanisierten Brigade der ukrainischen Streitkräfte hat in der vergangenen Woche weitere Abschnitte nahe der Bachmut-Autostraße (P-66 Luhansk-Lysytschansk) eingenommen, darunter das Dorf Scholobok. Dem Chefredakteur der Internetzeitung Censor.Net zufolge kann man seit acht Monaten von einem kontinuierlichen Vorrücken der ukrainischen Streitkräfte in verschiedene Richtungen sprechen.
Ukrainischen Militärangehörigen zufolge wollten die Rebellen ein Autobahnkreuz nahe Scholobok als Aufmarschgebiet für einen weiteren Angriff nutzen. Die Kommandeure der ukrainischen Brigade betonten, dieses Gebiet müsse laut Minsker Vereinbarungen unter der Kontrolle der ukrainischen Regierung stehen. Die Separatisten dürften sich dort nicht aufhalten.
Russische Artillerietruppen im Krieg gegen die Ukraine. Das von Volontären geführte Portal Informnapalm hat über soziale Netzwerke 81 Artilleristen der 291. Brigade der russischen Streitkräfte ausfindig gemacht, die am Beschuss ukrainischen Territoriums im Jahr 2014 vom Territorium der Russischen Föderation aus sowie an Kampfhandlungen auf dem Territorium der Ukraine beteiligt gewesen waren. Eine Analyse von Fotos von Artilleristen der 291. Brigade hat ergeben, dass diese Untereinheit vorwiegend aus Soldaten besteht, die im Herbst 2013 zum Wehrdienst eingezogen wurden. Sie dienten erst in Haubitzen- und Raketenartillerie-Divisionen. Im Sommer 2014 wurden sie an die ukrainische Grenze im Gebiet Rostow verlegt (Infografik).
Das Leben in den „Volksrepubliken Donezk und Luhansk“
Agentennetz des russischen Geheimdienstes im Donbass entlarvt. Der ukrainische Sicherheitsdienst (SBU) hat nach eigenen Angaben im Donbass ein Agentennetz entlarvt, das von Vertretern der russischen Militäraufklärung des Generalstabs der russischen Streitkräfte aufgebaut worden war. Der Meldung zufolge stellten die ukrainischen Rechtsschutzorgane fest, dass die russischen Geheimdienste über Bekannte, die sich in den vorübergehend besetzten Gebieten im Donbass aufhielten, zwei Bewohner von Lysytschansk und Kostiantyniwka angeworben hatten. Sie erhielten von ihren russischen Kuratoren, die sich in Luhansk unter dem Dach der “Rechtsschutzorgane der Volksrepublik Luhansk” versteckten, den Auftrag, ein weitverzweigtes Netzwerk von Informanten auf dem von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiet des Donbass zu schaffen. Die Mitarbeiter der Gegenaufklärung des SBU, so die Meldung, hätten dokumentiert, Hauptaufgabe der Agenten sei gewesen, Informationen über die Verlegung von ukrainischen Truppeneinheiten der Anti-Terror-Operation in der Nähe der Grenzlinie zu sammeln.
Kein Unterricht in ukrainischer Sprache mehr. In der sogenannten “Volksrepublik Donezk“ soll von nun an in allen Bildungseinrichtungen der Unterricht nicht mehr auf Ukrainisch, sondern nur noch auf Russisch stattfinden. Das teilte der Anführer der “Donezker Volksrepublik“, Olexandr Sachartschenko, mit. “Seit 2014 sind wir in den allgemeinbildenden Schulen schrittweise zum Russischen als Unterrichtssprache übergegangen”, sagte er. Damals wurden ihm zufolge 50 Prozent der Schüler auf Russisch unterrichtet, 2015 waren es schon 88 Prozent und 2017 sollen es 100 Prozent werden.
Die lang ersehnte Visafreiheit
Am 11. Juni 2017 ist für ukrainische Staatsbürger die visafreie Einreise in die Länder des Schengen-Raumes in Kraft getreten. Der Weg zur Visafreiheit war für die Ukraine beschwerlich.
Doch nun können ukrainische Bürger, die einen biometrischen Reisepass haben, unter Vorlage einer Einladung, einer Reiseversicherung, eines Rückfahrt-Tickets und eines Nachweises einer Hotelbuchung jederzeit die Grenze zur EU überqueren. Die visafreie Einreise gilt aber ausschließlich für Inhaber biometrischer Reisepässe.
Der Staatliche Grenzschutz der Ukraine meldet, dass am 11. Juni bis 21 Uhr über 52.000 Ukrainer in EU-Länder eingereist sind. Davon sind 20 Prozent Inhaber biometrischer Pässe. Rund 1900 Bürger der Ukraine sind ohne ein Visum eingereist. Das beliebteste Reiseziel ist nach wie vor Polen. “63 Prozent der Ukrainer beginnen ihre Bekanntschaft mit Europa gerade mit diesem Land”, sagte Oleh Slobodjan vom ukrainischen Grenzschutz. Er wies darauf hin, dass nur zwei Ukrainern die Einreise in die EU verweigert worden sei.
Nach Angaben des staatlichen Migrationsdienstes der Ukraine sind rund drei Millionen Ukrainer bereits im Besitz eines biometrischen Reisepasses.
Menschenrechte: Ukrainischer Journalist in Donezk verschwunden
Der ehemalige ukrainische Parlamentsabgeordnete und Donezker Automaidan-Aktivist Jegor Firsow berichtet, dass der Journalist, der unter dem Pseudonym Stanislaw Wasin (27) für ukrainische Medien gearbeitet hat, verschwunden ist. Wasin lebte zuletzt im besetzten Donezk. Sein Verschwinden wurde inzwischen vom Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) bestätigt.
Firsow erklärte gegenüber dem Radiosender “Donbass.Realii”, dass die Vertreter der selbsternannten “Volksrepublik Donezk” den Angehörigen von Stanislaw Wasin keinerlei Informationen über seinen Verbleib geben. Bekannt ist lediglich, dass seine Mutter mit ihm am 2. Juni Kontakt hatte. Am nächsten Tag sollten sie sich in Makijiwka treffen, doch Stanislaw war plötzlich nicht mehr erreichbar. Firsow zufolge weist Wasins Wohnung Spuren eines Einbruchs und einer Durchsuchung auf.
Stanislaw Wasin berichtete aus Donezk für den ukrainischen Dienst von Radio Liberty und andere Medien.
“Mezhyhirya Festival 2017”: Die besten investigativen Journalisten in der Ukraine
Im Rahmen des “Mezhyhirya Festival 2017” sind die besten ukrainischen Enthüllungsjournalisten ausgezeichnet worden. Das Festival findet bereits zum zweiten Mal in der ehemaligen Residenz des früheren Präsidenten Wiktor Janukowytsch nördlich von Kiew statt, und zwar nahe der Stelle, wo kurz nach Janukowytschs Flucht aus der Ukraine im Jahr 2014 zahlreiche Dokumente gefunden wurden, die korrupte Machenschaften des Ex-Präsidenten und dessen Umfeld beweisen.
Gewinnerin des diesjährigen Preises für investigativen Journalismus ist Alisa Jurtschenko von der Webseite “bihus.info”. Ausgezeichnet wurde sie für einen Beitrag im Zusammenhang mit der Einführung der elektronischen Einkommens- und Vermögenserklärung für Staatsdiener. Ausgezeichnet wurde auch der Journalist Mychajlo Tkatsch vom TV-Magazin “Schemy”, einem gemeinsamen Projekt von Radio Liberty und dem ersten Programm des ukrainischen Fernsehens “UA.Perschyj”. Den Preis erhielt Tkatsch für einen Beitrag über Immobilien des ukrainischen Premierministers Wolodymyr Hrojsman.
Kultur: Die Ukraine beim Internationalen Animationsfilmfestival in Annecy
Erstmals wird der ukrainische Animationsfilm beim Internationalen Animationsfilmfestival im französischen Annecy mit einem eigenen ukrainischen Stand vorgestellt. Parallel zum Filmfestival findet der Internationale Animationsfilmmarkt (MIFA) statt. Dies sind die beiden wichtigsten Ereignisse für den Animationsfilm weltweit.
Den ukrainischen Stand hat der neu geschaffene Ukrainische Animationsfilm-Verband organisiert. Die Staatliche Filmagentur der Ukraine unterstützt diese Initiative. “Wir wollen deutlich machen, dass die Ukraine nicht nur einfach Arbeitskräfte liefert, sondern auch besondere Geschichten und einzigartige künstlerische Werk hervorbringt”, sagte die Geschäftsführerin des ukrainischen Filmverbands, Olena Holubjewa.
Am 14. Juni werden auf dem ukrainischen Stand Animationsfilme vorgestellt, die sich noch in Produktion befinden. Und am 15. Juni findet die Europa-Premiere des Teasers eines der ehrgeizigsten Projekte “Mavka – The Forest Song” des Studios Animagrad statt. Der Film basiert auf einem klassischen ukrainischen literarischen Werk. An der Filmproduktion sind Modedesigner und Ethnologen beteiligt.
Wirtschaft. Deutsche Unternehmen wollen in der Ukraine investieren. Laut einer Umfrage der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer planen 68 Prozent der deutschen Unternehmen Investitionen in der Ukraine. 78 Prozent sehen klare Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum in der Ukraine.
Die Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass deutsche Unternehmen die Konjunktur auf dem ukrainischen Markt positiv einschätzen. Sie rechnen mit einer Erholung der Wirtschaft insgesamt, aber auch in bestimmten Sektoren. 56 Prozent der deutschen Unternehmen bewerten das wirtschaftliche Umfeld im Lande als gut oder sehr gut.
Im Vergleich zum Jahr 2015 haben 15 Prozent der Unternehmen ihre Investitionen in der Ukraine erhöht. 42 Prozent haben gleich viel wie im Vorjahr investiert. Im Jahr 2016 haben 94 Prozent der Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, keine Investitionen zurückgezogen. 95 Prozent wollen dies auch nicht im Jahr 2017 tun. Im Krisenjahr 2014 mussten 28 Prozent der Unternehmen bestimmte Geschäftsbereiche in der Ukraine schließen.
In den letzten fünf Jahren hat sich die Struktur der ukrainischen Exporte deutlich verändert, berichtet die Industrie- und Handelskammer. Im Jahr 2012 hatte die Metallproduktion (vor allem Rohstahl) einen Anteil vom 29,2 Prozent am Export. Im Jahr 2016 stieg die Produktion von Automobilkomponenten (24,7 Prozent) zum wichtigsten Exportsektor auf. Landwirtschaftliche Erzeugnisse erreichten einen Anteil von 10,7 Prozent am Export. Die Metallproduktion fiel hingegen auf Platz drei zurück (9,6 Prozent).
Ukrainische Männer verdienen mehr Geld als Frauen. Das durchschnittliche Gehalt eines männlichen Beschäftigten belief sich im ersten Quartal 2017 auf 7160 Hrywnja (umgerechnet 245 Euro). Somit verdienen Männer 27,5 Prozent mehr als vollzeitbeschäftigte Frauen. Ihr Durchschnittsgehalt beläuft sich auf 5612 Hrywnja (umgerechnet 192 Euro). Das berichtet das ukrainische Statistikamt. In der EU ist das durchschnittliche Gehalt von Frauen um 23,4 Prozent geringer als das von Männern.
Nachfolgend eine Auswahl an englischsprachigen Reportagen und Analysen zur Situation in der Ukraine
Wie Petro Poroschenko die Ukraine regiert. Reportage von Hromadske International.
Gibt es in Russland unabhängige Medien? Reportage von LB.ua
Aussichten der Privatisierung in der Ukraine. Analyse von UNIAN