Die Gewerkschaften in den vorübergehend besetzten Gebieten der Region Luhansk befassen sich nicht mit dem Schutz der sozialen und wirtschaftlichen Rechte ihrer Mitglieder, sondern lobbyieren die Interessen der selbsternannten Regierung der sogenannten “Volksrepublik Luhansk”. Zudem rufen sie dazu auf, sich den Reihen der illegalen bewaffneten Gruppen anzuschließen. Ferner nehmen sie an Treffen auf internationaler Ebene als Gewerkschaftsvertreter der sogenannten “Volksrepublik Luhansk” teil.
Zu diesem Ergebnis kommt die ukrainische “Östliche Menschenrechtsgruppe” (East Human Rights Group), die im Juli 2014 gegründet wurde, als die Kampfhandlungen im Donbass bereits in vollem Gange waren. Die Vertreter der Menschenrechtsgruppe stellten im Ukraine Crisis Media Center nun ihren jüngsten Bericht vor.
Zwischen Dezember 2016 und April 2017 haben die Menschenrechtler die Arbeit der Gewerkschaftsorganisationen in den besetzten Gebieten der Region Luhansk untersucht. Sie führten 57 Interviews durch. Sie sprachen per Telefon und Skype mit Mitgliedern der sogenannten “Föderation der Gewerkschaften der Volksrepublik Luhansk” sowie mit einigen Leitern von Unternehmen in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten des Donbass. Sie sprachen außerdem mit ehemaligen aktiven Gewerkschaftsmitgliedern sowie persönlich auch mit Beschäftigten von Unternehmen aus neun Städten, die nicht von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden.
Gewerkschaften unter Druck
Pawlo Lysjanskyj, Leiter der “Östlichen Menschenrechtsgruppe”, sagte, dass die sogenannte “Föderation der Gewerkschaften der Volksrepublik Luhansk” im Juni 2014 geschaffen worden sei. Die selbsternannten Machthaber der Region hätten die Gewerkschaften, die bislang ukrainischen Verbänden angehört hätten, gezwungen, der “Luhansker Gewerkschafts-Föderation” beizutreten. Gewerkschaftsführer, die dies abgelehnt hätten, seien unter Druck gesetzt worden. Lysjanskyj zufolge wurden sie verhört und für zehn Tage verhaftet. Ihnen sei gedroht worden, wegen des Verdachts auf “Extremismus” zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen zu werden. Im Bericht der Menschenrechtler wird betont, dass alle Versuche, eine Gegen-Gewerkschaft zu organisieren oder aus der “Föderation der Gewerkschaften der Volksrepublik Luhansk” freiwillig auszutreten, mit Verhaftungen der Mitglieder der Initiativgruppen geendet hätten.
Proteste sind in den von der Ukraine nicht kontrollierten Gebieten faktisch verboten. “Es gab Fälle, und wir hatten darüber berichtet, wo Bergarbeiter mehr Lohn gefordert hatten. Aber die Demonstrationen wurden gewaltsam erstickt. Es gibt keine Justiz als solche. Die sogenannten Gerichte akzeptieren keine Klagen, bei denen es darum geht, dass den Menschen keine Löhne gezahlt werden. Es gibt auch keinen Arbeitsschutz in Unternehmen”, so Lysjanskyj. Ihm zufolge gibt es in offen zugänglichen Quellen nirgendwo Kritik an der sogenannten Regierung seitens der “Föderation der Gewerkschaften der Volksrepublik Luhansk”. “Das ist eigentlich unlogisch, weil der Schutz der sozialen und wirtschaftlichen Rechte immer Kritik an der Regierung erfordert“, so Lysjanskyj. Er fügte hinzu, all dies würde gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verstoßen.
Mobilisierung von Freiwilligen
Die Menschenrechtler haben darüber hinaus direkte Beweise dafür, dass die Gewerkschaften die Beschäftigten von Unternehmen auffordern, sich den illegalen bewaffneten Gruppen anzuschließen. “Uns liegt ein internes Papier der sogenannten Föderation der Gewerkschaften der Volksrepublik Luhansk vom 21. Januar 2015 vor”, berichtete Lysjanskyj. Darin stehe: “Wir empfehlen, der Mobilisierung von Freiwilligen zum Schutz der Grenze der Volksrepublik Luhansk besondere Aufmerksamkeit zu widmen.”
Lobbyarbeit für die “Volksrepublik Luhansk”
Die sogenannte “Föderation der Gewerkschaften der Volksrepublik Luhansk” wird dem Bericht zufolge auch dazu benutzt, die sogenannte “Volksrepublik Luhansk” unter dem Deckmantel des Schutzes sozialer und wirtschaftlicher Rechte international zu propagieren und salonfähig zu machen. So habe der Anführer der “Föderation der Gewerkschaften der Volksrepublik Luhansk” mehrmals Brüssel besucht und der Verband sei in den Weltgewerkschaftsbund (World Federation of Trade Unions) aufgenommen worden. “Wir rufen Menschenrechtsorganisationen und die internationale Gemeinschaft auf, sich diesem Problem anzunehmen. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments und die ukrainischen Ministerien, die für Fragen der besetzten Gebiete zuständig sind, müssen darüber informiert werden. Leider findet dieses Problem keine Beachtung. Personen, die sich als Anführer der von Kiew nicht kontrollierten Gebiete bezeichnen, reisen ungehindert in die EU”, unterstrich Lysjanskyj. Dies bringe die Ukraine dem Frieden nicht näher, sondern verstärke nur die Kampfhandlungen, so der Leiter der “Östlichen Menschenrechtsgruppe”.