Die Situation im Kampfgebiet der Ostukraine
Während am Wochenanfang die Situation im Osten der Ukraine verhältnismäßig ruhig war, verschlechterte sie sich deutlich zum Ende der Woche.
Kämpfe im Gebiet Luhansk. In der Nacht vom 14. zum 15. Juli ist eine Gruppe von Rebellen, gedeckt von Scharfschützen, in Richtung der ukrainischen Stellungen bei Nowotoschkiwske vorgerückt. Die ukrainischen Truppen eröffneten das Feuer und konnten den Angriff abwehren. Ein ukrainischer Soldat kam während des Angriffs der feindlichen Gruppe ums Leben. In der Nacht vom 15. zum 16. Juli versuchten die Rebellen erneut, die ukrainischen Militärs anzugreifen, dieses Mal in der Nähe der Ortschaft Krymske. Die ukrainischen Truppen zwangen den Gegner auch dieses Mal zum Rückzug.
Opfer unter der Zivilbevölkerung. Am 7. Juni sind zwei Zivilisten, Einwohner des Dorfs Schowanka, unweit des Kontrollpunktes “Majorsk“ auf einen Sprengsatz gelaufen. Bei der Explosion starb der Mann auf der Stelle. Die Frau wurde nach Bachmut ins Krankenhaus gebracht. Am Abend des 12. Juli haben die prorussischen Rebellen zwei Mal Privathäuser in Marjinka beschossen. Beim ersten Beschuss wurden Minen mit einem Kaliber von 88 Millimetern benutzt, beim zweiten Mal schwere Maschinengewehre.
Einschränkungen der Arbeit der OSZE. Im Gebiet Donezk haben Vertreter der Terrororganisation “Volksrepublik Donezk“ Angehörigen der OSZE-Mission die Fahrt zur Siedlung Sedowe verboten. Sie erklärten, die Siedlung würde sich im “Grenzgebiet befinden, in dem besondere Regelungen für die Ein- und Ausreise gelten“. Darüber berichtet die OSZE-Mission auf ihrer Internetseite.
Dritter Jahrestag des MH17-Abschusses. Das Recherchenetzwerk Bellingcat hat einen neuen Bericht zur Tragödie des Flugs MH17 veröffentlicht. Er enthält alles, was bis heute bekannt ist: Woher das Raketensystem “Buk” kam, wie es über die Grenze geschafft wurde und wer die Operation steuerte.
Das Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”
Russland hat eingestanden, dass es aus dem Donbass Kohle ausführt. Auf der Internetseite der Südlichen Zollabteilung des Föderalen Zolldienstes der Russischen Föderation wurde eine Statistik veröffentlicht, die besagt, dass im Mai 2017 in das Gebiet Rostow (Russische Föderation) aus der Ukraine 58.652 Tonnen Anthrazitkohle im Wert von 3,14 Millionen US-Dollar eingetroffen sind. Im Zeitraum Januar bis Mai waren es 236.568 Tonnen im Wert von 13,044 Millionen US-Dollar. Mit dem Stand von Mai 2017 befanden sich alle ukrainischen Minen mit Anthrazitkohle in den besetzten Gebieten des Donbass und waren somit unter der Kontrolle der Rebellen.
Mehrere ukrainische Parlamentarier verlieren Immunität
In der vergangenen Woche ist im ukrainischen Parlament ein Streit um den Entzug der Immunität einiger Abgeordneter entbrannt. Letztlich stimmte der Oberste Rat für die Aufhebung der Immunität von drei Abgeordneten: Oles Dowhyj (“Wille des Volkes”), Maksym Poljakow ( “Volksfront”) und Boryslav Rosenblatt (“Block Petro Poroschenko”). Die Abgeordneten Jewhen Dejdej (“Volksfront”) und Andrij Losowyj (“Radikale Partei von Oleh Ljaschko”) behielten hingegen ihre Immunität. Später wurde noch Mychajlo Dobkin (“Oppositionsblock“) die Immunität entzogen. Zudem billigte das Parlament die Festnahme des Abgeordneten.
Die Anträge auf Entzug der Immunität wurden eingereicht, nachdem die Ergebnisse der Untersuchungen des Nationalen Anti-Korruptions-Büros im sogenannten Fall der “Bernstein-Mafia” bekannt gegeben worden waren.
Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko beschuldigt Poljakow und Rosenblatt der illegalen Bereicherung. Ihnen drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Dowhyj Machtmissbrauch in der Zeit vor, als er Sekretär des Kiewer Stadtrates war (2006-2011). Ihm drohen sechs Jahre Haft. Losowyj und Dejdej werden Steuerhinterziehung und illegale Bereicherung zur Last gelegt. Dobkin wirft die Generalstaatsanwaltschaft Amtsmissbrauch vor. Er habe als Bürgermeister der Stadt Charkiw (2006-2010) 654 Hektar Land illegal vergeben, dessen nominaler Wert auf etwa vier Milliarden Hrywnja geschätzt wird.
Der Entzug der Immunität ermöglicht den Strafverfolgungsbehörden, Räume zu durchsuchen, in denen die Abgeordneten leben und arbeiten. Sie dürfen nun beobachtet und abgehört werden.
Trotz der Aufhebung der Immunität ist aber ein Gerichtsprozess gegen die Abgeordneten derzeit unmöglich. Denn Abgeordnete werden durch die Verfassung geschützt, wo eindeutig festgeschrieben ist, dass das Parlament erst die Immunität eines Abgeordneten aufheben muss und dann einer Festnahme und Verhaftung noch zustimmen muss. Über die Festnahme und Inhaftierung jener Abgeordneten war aber nicht abgestimmt worden. Das wird frühestens nach der Sommerpause im Herbst möglich sein.
“Der Entzug der Immunität ist nur der erste Schritt. Wenn die Regierung wirklich die Korruption bekämpfen würde, dann hätten wir auch über die Festnahme und Verhaftung der unter Verdacht stehenden Kollegen abgestimmt. Daher war das nur eine Show”, sagte dem ukrainischen Web-Sender Hromadske ein einflussreicher Abgeordneter.
Menschenrechte: Brite wegen terroristischer Betätigung im Osten der Ukraine verurteilt
In Manchester ist ein britischer Staatsbürger zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden. Dem 41-jährigen Benjamin Stimson wurde die Beteiligung an terroristischen Aktivitäten vorgeworfen. Er hatte vier Monate in den Reihen der illegalen bewaffneten prorussischen Gruppierungen im Osten der Ukraine gekämpft.
Die Anklage legte als Beweis für Stimsons Schuld seine Suchanfragen bei Google vor. So habe er mit den Worten “Kampfhandlungen in der Ukraine”, “Soldaten und Freiwillige”, “Armee von Noworossija (Neurussland)” im Internet gesucht. Ferner dienten Beiträge auf seiner Webseite als Beweis. Er hatte dort damit geprahlt, in die Ukraine gekommen zu sein, um gegen ukrainische “Nazis“ zu kämpfen. Auch hatte er Fotos mit Waffen veröffentlicht. Das Gericht stellte fest, der Brite sei kein Träger extremistischer Ideen und sei keine Gefahr für die nationale Sicherheit. Allerdings habe er die Rebellen aktiv unterstützt.
Das Urteil ist ein Präzedenzfall in der britischen Justiz. Stimson ist der erste Brite, der wegen terroristischer Betätigung in der Ostukraine verurteilt wurde.
Gesundheitsreform in der Ukraine: Eine verlorene Schlacht
Die in der Ukraine lang erwartete Gesundheitsreform ist auf den Herbst verschoben worden. Die Reform sieht grundlegende Veränderungen der postsowjetischen Gesundheitsversorgung vor, die nur auf dem Papier kostenlos ist. In Wirklichkeit müssen die Patienten alles aus eigener Tasche bezahlen. So soll es künftig unter anderem einen Hausarzt sowie eine Krankenversicherung geben. Der Staat gewährt dabei allen Bürgern ein kostenloses Paket bei der medizinischen Grund- und Notfallversorgung, bei der Geburtshilfe, in der Onkologie und anderen Bereichen. Danach soll das Prinzip der Kostenbeteiligung gelten.
Noch keine Reform ist auf einen solch massiven Widerstand der Abgeordneten gestoßen und gleichzeitig auf eine so große Unterstützung der Öffentlichkeit. Die amtierende Gesundheitsministerin der Ukraine, Uljana Suprun, kritisierte die gescheiterte Abstimmung über die Gesundheitsreform im Parlament scharf. Gewerkschaftsvertreter hatten vor dem Gesundheitsministerium gegen die Reform demonstriert.
Kultur: Ukraine erstmals Gastgeber des Internationalen PEN-Kongresses
Vom 17. bis 24. September findet in Lwiw der 83. Internationale PEN-Kongress statt. Der PEN ist einer der bekanntesten internationalen Autorenverbände. Er befasst sich nicht nur mit Literatur, sondern auch mit Menschenrechten. Die Ukraine ist erstmals Gastgeber einer solchen Veranstaltung. Thema des diesjährigen Kongresses ist “Verteidigung der Wahrheit in Zeiten der Propaganda”. Der Kongress steht unter dem Motto “Wenn Wahrheit wahr wird”. Die prominentesten Gäste des Kongress sind die beiden Nobelpreisträgerinnen, die belarussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch und die rumänisch-deutsche Schriftstellerin Herta Müller. Seine Teilnahme an dem PEN-Kongress hat auch der britische Journalist Peter Pomyerantsev bestätigt. Lwiw erwartet 200 Delegierte aus mehr als 100 Ländern. Das Programm sieht auch Veranstaltungen vor, die einem breiten Publikum zugänglich sein werden, darunter Diskussionen, Lesungen und Gespräche mit Autoren. Weitere Informationen gibt es auf Facebook und auf der Webseite des Kongresses.
Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine
Reportagen
Selbsternannte “Volksrepublik Donezk” bestätigt Verhaftung eines ukrainischen Journalisten. Reportage von UNIAN.
Sommercamp der Separatisten: Kinder aus dem von Russland kontrollierten Donbass werden in die besetzten Gebiete Georgiens geschickt. Reportage von Hromadske International.
Grauzone: Bewohnern der Ostukraine wird der Zugang zu ihren Häusern verwehrt. Reportage von Hromadske International.
Interview
Ein Plan zur De-Okkupation des Donbass muss den Menschen und nicht der Politik Vorrang gewähren. Interview mit Oleksij Rjabtschyn von Hromadske International.
Meinung
Ein amerikanischer “Habicht” für den Donbass. Kolumne von Kostjantyn Hontascharow für UNIAN.
Analyse
Ukraine-EU-Gipfel: Ohne eine gemeinsame Erklärung. Analyse von Oleksij Haran für UNIAN.