Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 17. bis 23. Juli 2017

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Ende vergangener Woche hat sich die Situation im Osten der Ukraine deutlich zugespitzt.

Eskalation des Konflikts. Ungeachtet der Vereinbarungen über die Waffenruhe setzen die prorussischen Rebellen ihre bewaffneten Provokationen gegen die ukrainischen Militärs fort. Die meisten Angriffe gab es am 20. Juli. Dabei wurden fünf ukrainische Soldaten getötet – zwei im Frontabschnitt Donezk und drei im Frontabschnitt Mariupol. Verwundet wurden acht ukrainische Soldaten und einer ist in Gefangenschaft geraten.

Russland zieht Kräfte an seiner Grenze zusammen. Die Russische Föderation hat ihre Militärpräsenz an der Grenze zur Ukraine mit drei motorisierten Schützendivisionen erhöht. Diese Einheiten sind für schnelle Offensiven bestimmt, so der ukrainische Generalstabschef Viktor Muschenko.

Zivilbevölkerung in Gefahr. Die Zivilbevölkerung im Gebiet Donezk leidet weiterhin unter den Kampfhandlungen. So wurden am 18. Juli durch feindlichen Beschuss in Awdijiwka zwei Zivilisten verletzt. In Marjinka wurden am 21. Juli vier Menschen verwundet, davon zwei Kinder.

OSZE. Die prorussischen Rebellen schränken weiterhin die OSZE-Mission in ihrer Bewegungsfreiheit ein. Beispielsweise ließen die bewaffneten Freischärler am 22. Juli eine Patrouille der Beobachtermission nicht nach Nowoasowsk durch. Doch ungeachtet aller Behinderungen konnten die Vertreter der OSZE-Mission eine große Anzahl an Militärtechnik in der Nähe der russisch-ukrainischen Grenze verzeichnen.

Kurt Volker besucht den Donbass. Kurt Volker, der neue US-Sondergesandte für die Ukraine, sowie die US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, haben die Zone der Anti-Terror-Operation (ATO) besucht. Nach Angaben des ATO-Pressezentrums suchten sie das Hauptquartier der Einsatzgruppe “Donezk“ auf. “Unsere primäre Aufgabe besteht darin, die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine wiederherzustellen.  Wie ich verstanden habe, ist das kein eingefrorener Konflikt, sondern ein heißer Krieg. Und der Preis dafür ist gefährlich hoch – das Leben von Menschen“, sagte Volker. Der amerikanische Diplomat wich der Frage aus, ob an die Ukraine letale Waffen geliefert werden könnten.

Telefongespräch im “Normandie-Format“ am 24. Juli. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko will während des Telefonats im Rahmen des “Normandie-Formats“ verlangen, dass umgehend eine Waffenruhe im Donbass gewährleistet wird.


Das Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”

Rotes Kreuz: 2017 sind im Donbass 106 Menschen verschwunden. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat seit Beginn des Jahres 2017 106 neue Verfahren zur Suche von Personen eröffnet, die in der Konfliktzone im Donbass vermisst werden. “Das betrifft Menschen sowohl in den von den ukrainischen Behörden kontrollierten als auch in denen von ihnen nicht kontrollierten Gebieten des Donbass”, so das IKRK.

Bellingcat: Russland hat seine Strategie im Donbass geändert. Bellingcat geht davon aus, dass die Russische Föderation besser ausgebildete Militärs in den Donbass entsandt und neue Einschränkungen für deren Aufenthalt in den selbsternannten “Republiken“ erlassen hat.

Aric Toler, Experte bei Bellingcat, sagte, mit der Zeit sei es schwieriger geworden, Informationen über die Präsenz der russischen Armee im Osten der Ukraine zu sammeln. Inzwischen würden für russische Militärs strenge Einschränkungen bei der Nutzung sozialer Netzwerke gelten.

In den vergangenen zwei Jahren, so Toler, habe sich auch die Strategie des Vorgehens der russischen Armee in dem Konflikt verändert. “Die Armee der Russischen Föderation beschießt die Ukraine nicht mehr mit Artillerie und schickt nicht mehr massenweise Panzer. Jetzt sind die russischen Soldaten vorrangig mit der Lieferung von Militärtechnik, beispielsweise Drohnen, beschäftigt. Sie werben unter der einheimischen Bevölkerung neue Freischärler an und bilden sie aus“, sagte Toler.


Halbzeit im Parlament: Erfolge und Misserfolge

Die ukrainischen Abgeordneten sind in den Urlaub gegangen. Vor einem Monat hatte das Parlament, das nach der Revolution der Würde gewählt wurde, nach zweieinhalb Jahren legislativer Arbeit seine Halbzeit erreicht. Was sind die bisherigen Erfolge oder Misserfolge des Parlaments?

Post-revolutionäres Parlament. Das Parlament, das nach dem Sieg der Maidan-Bewegung und nach der Flucht des Präsidenten Viktor Janukowytsch gewählt wurde, ist das außergewöhnlichste in der Geschichte der Ukraine. 56 Prozent der Abgeordneten gehören ihm erstmals an. Gewählt wurden auch Vertreter der Zivilgesellschaft und Militärs, die an der Anti-Terror-Operation (ATO) im Osten der Ukraine auf verschiedenen Posten im Einsatz waren, darunter auch Kommandeure. Außerdem hat sich im Vergleich mit dem vorherigen Parlament das Geschlechterverhältnis zugunsten der Frauen von 9,9 Prozent auf 12 Prozent verbessert.

Erfolge: Entscheidung für Europa, Sicherheit und Korruptionsbekämpfung. Die wohl wichtigste Errungenschaft des Parlaments ist sein Beitrag zu wichtigen pro-europäischen Beschlüssen. So konnte von allen Seiten das EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen ratifiziert und den ukrainischen Staatsbürgern die visafreie Einreise in die EU (außer dem Vereinigten Königreich und Irland) gewährt werden. Insgesamt wurden mehr als 2000 Gesetze verabschiedet. Vorrang hatten dabei Fragen der nationalen Sicherheit und Verteidigung. Die Abgeordneten beschlossen Anti-Korruptions-Gesetze, eine neue Energiepolitik, eine Justiz- und Polizeireform, die Dekommunisierung des Landes sowie eine Deregulierung in allen Bereichen der Wirtschaft. Wichtig war auch die Verabschiedung von Resolutionen durch die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE), mit denen die Tatsache anerkannt wurde, dass es sich auf der Krim und im Donbass um eine Aggression Russlands handelt.

Ferner wurden mit einem wichtigen Gesetz Quoten für die ukrainische Sprache im Fernsehen eingeführt. Demnach müssen die Sendungen der landesweiten Kanäle zu 75 Prozent in ukrainischer Sprache sein, die von lokalen Stationen zu 60 Prozent. Auf diese Weise sollen inländische Künstler und Kulturschaffende gefördert werden. Ein anderes wichtiges verabschiedetes Gesetz sieht vor, dass der Staat ATO-Veteranen beim Erwerb von Wohnraum finanziell unterstützt. Außerdem können Kriegsveteranen und Binnenvertriebene Hypothekendarlehen zu günstigen Bedingungen erhalten. Damit werden Militärangehörige und Menschen, die von der russischen Aggression im Osten des Landes und der Annexion der Krim durch Russland betroffen sind, sozial gefördert.

Mit einem weiteren wichtigen Gesetz wird das Recht auf Bildung von Menschen mit Behinderungen gestärkt. Nun können Menschen mit Behinderungen alle Bildungseinrichtungen des Landes besuchen.

Misserfolge: Mangel an Disziplin, Kontrolle seitens des Präsidenten und leere Versprechungen. Obwohl viele wichtige Gesetze angenommen worden sind, bewerten Experten die Arbeit des Parlaments jedoch insgesamt als unbefriedigend. Das größte Problem ist die parlamentarische Disziplin. Nur 45 der 422 Abgeordneten haben an allen Sitzungen teilgenommen. Etwas mehr als zehn Prozent haben 90 Prozent der Abstimmungen im Parlament verpasst. Doch dieses Verhalten der Parlamentarier unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der Abgeordneten des Parlaments zu Janukowytschs Zeiten.

Ein weiteres großes Problem ist, dass das Parlament faktisch dem politischen Willen des Präsidenten folgt und kein Gegengewicht zu ihm bildet. Zum Beispiel sind in den vergangenen sechs Monaten insgesamt 275 Gesetze angenommen worden – davon 83 Prozent auf Initiative des Präsidenten, 24 Prozent auf Vorschlag der Regierung und nur 10 Prozent auf Antrag von Abgeordneten.

Außerdem ist ein Problem, dass Politiker ihre Versprechungen nicht in vollem Umfang halten. Den Experten des ukrainischen Web-Journals “Slowo i dilo” (Worte und Taten) zufolge haben die Parlamentarier in ihren insgesamt 900 Arbeitstagen weniger als ein Viertel ihrer Wahlversprechen eingelöst.


Krim: Regisseur Emir Kusturica besucht annektierte Halbinsel

Am Sonntag (23. Juli) hat der serbische Regisseur und Musiker Emir Kusturica die Krim besucht und in Jalta ein Konzert gegeben. Bei seiner Ankunft bezeichnete er die Annexion der Halbinsel durch Russland als “organischen Prozess“. Die Krim sei schon immer Teil Russlands gewesen. Kusturica sagte, er fürchte keine möglichen Sanktionen, die wegen seines Konzerts auf der annektierten Halbinsel gegen seine Person von ukrainischer Seite verhängt werden könnten. Der zweimalige Gewinner des Filmfestivals in Cannes hat seit der Annexion der Krim und des Ausbruches des Krieges im Donbass mehrmals Unterstützung für den Kreml bekundet. Als Reaktion darauf wurde ein Konzert von Kusturica in Kiew abgesagt.

Ausländische Staatsbürger dürfen nur mit Genehmigung der ukrainischen Behörden über ukrainisches Territorium auf die von Russland annektierte Halbinsel Krim einreisen. Andernfalls verletzen sie ukrainische Gesetze und unterstützen damit das illegale Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Ihnen droht in einem solchen Fall ein Einreiseverbot in die Ukraine insgesamt.


Kultur: Filmfestival in Odessa und Kulturprojekte in Bessarabien

Ukrainische Gewinner beim Internationalen Filmfestival in Odessa. Wie das Ukraine Crisis Media Center bereits berichtet hat, waren in diesem Jahr beim Internationalen Filmfestival in Odessa 48 ukrainische Filme vertreten, so viele wie noch nie. Auf sie entfiel fast die Hälfte des gesamten Festival-Programms. Bester ukrainischer Spielfilm im nationalen Wettbewerb wurde der Film “Dixie Land” von Roman Bondartschuk (Trailer). Gewinner in der Kategorie Europäischer Dokumentarfilm ist der ukrainische Regisseur Serhij Bukowskyj mit dem Film “The Leading Role” (Trailer). Bester ukrainischer Kurzfilm wurde der Streifen “Graduation 97” von Pawlo Ostrykow (Trailer). Besondere Auszeichnungen von der nationalen Jury erhielten die Filme “The Strayed” von Arkadij Nepytaljuk (Trailer) sowie der Kurzfilm vom Kateryna Hornostaj “Lilac” (Trailer). Dieser Film bekam zudem von der in Brüssel ansässigen internationalen Vereinigung von Filmkritikern und Filmjournalisten FIPRESCI als bester Kurzfilm im nationalen Wettbewerb einen Preis. Von dieser Jury wurde auch der Film “Black Level” (Teaser) von Walentyn Wasjanowytsch als bester Spielfilm ausgezeichnet.

Kunstprojekte in Bessarabien. Die Kunstabteilung des Ukraine Crisis Media Center hat ein Kulturprojekt ins Leben gerufen, mit dem die Kultur Bessarabiens erforscht werden soll. Bessarabien erstreckt sich geografisch über Teile der Regionen Odessa und Czernowitz sowie über Gebiete der Republik Moldau. Im Rahmen des Projekts steht der Teil in der Region Odessa im Mittelpunkt. Die lokale Kultur in dieser Grenzregion ist auch innerhalb des Ukraine wenig bekannt. Daher wollen Künstler und Kulturmanager erst die Region selbst erkunden und dann in fünf Städten Kulturprojekte umsetzen. Sie sollen Kunstveranstaltungen im öffentlichen Raum, eine Kooperation mit landeskundlichen Museen vor Ort und Workshops für Künstler beinhalten. Das Projektteam hat bereits zwei Reisen unternommen, darunter in die Städte Bilhorod-Dnistrowskyj, Ismajil, Tatarbunary, Kilija, Katranka und Podilsk. Neuigkeiten zu dem Projekt gibt es auf der Facebook-Seite “DE NE DE”.


Sport: Ukrainische Säbelfechterin erneut Weltmeisterin

Bei der Säbel-Weltmeisterschaft in Leipzig hat die ukrainische Sportlerin Olga Charlan Gold gewonnen. Sie setzte sich am 22. Juli mit 15:5 im Schluss-Gefecht gegen die Tunesierin Azza Besbes durch. Für Charlan ist es bereits die fünfte Goldmedaille bei einer Weltmeisterschaft. Es ist ihr dritter WM-Titel nach 2013 und 2014 im Säbel-Einzel. Zweimal gewann sie Gold im Team (2009 und 2014). Eine weitere Medaille (Bronze) für die Ukraine holte bei der WM in Leipzig die Säbelfechterin Olena Krywyzka.


Nachfolgend eine Auswahl an Reportagen, Interviews, Meinungen und Analysen in englischer Sprache

Reportagen

Der US-Sondergesandte Kurt Volker besucht die Ostukraine. Bildergalerie von UNIAN.

Die Mutter des verhafteten russischen Soldaten Viktor Agejew zu Besuch in der Ukraine. Reportage von Hromadske International.

Die Ukraine fordert Mütter von russischen Soldaten, die im Donbass vermisst werden, zum DNA-Test auf. Reportage von UNIAN.

Interview

Keine Fortschritte bei den Ermittlungen im Mordfall Pawel Scheremet. Interview von Hromadske International mit der Tochter des getöteten Journalisten.

Meinung

Was vom neuen US-Botschafter in Russland zu erwarten ist. Kolumne von Wolodymyr Ohrysko für UNIAN

Analyse

“Formel für Proteste”. Ein Vergleich zwischen Venezuela und der Ukraine. Analyse von Hromadske International.