Am 18. September hat im westukrainischen Lwiw (Lemberg) der 83. Internationale PEN-Kongress begonnen. Er wird noch bis zum 27. September dauern. Insgesamt sind rund 200 Schriftsteller, Dichter, Übersetzer, Historiker, Journalisten und Redakteure aus 101 Ländern angereist.
“Wir haben lange darüber nachgedacht, wo wir in der Ukraine den Kongress abhalten können. Es gab interne Debatten darüber, ob wir Lwiw, Kiew oder Odessa nehmen sollten. Schließlich hat Lwiw das Rennen gemacht. Wir sind der Meinung, dass Lwiw die Kulturhauptstadt des Landes ist, und Kiew das Zentrum von Geld und Politik”, sagte während einer Pressekonferenz der Publizist Mykola Rjabtschuk. Er ist Programmdirektor des 83. Internationalen PEN-Kongresses in Lwiw und Präsident des Ukrainischen PEN-Zentrums.
Der PEN und die Ukraine
Der PEN ist einer der bekanntesten internationalen Autorenverbände. Er wurde 1921 in London gegründet. Der Name PEN war ursprünglich die Abkürzung für Poets, Essayists, Novelists. Er spielt aber nach wie vor auf das englische Wort “pen” (Schreibfeder) an. Der Verband setzt sich auch für Menschenrechte und freie Meinungsäußerung ein. So verteidigt er Autoren und Schriftsteller, die aufgrund ihrer Überzeugungen im Gefängnis sitzen und manchmal sogar getötet werden.
Die Geschichte der Beziehungen zwischen dem PEN und der Ukraine begann im Jahr 1965, als in Kiew, Lwiw, Odessa, Iwano-Frankiwsk, Ternopil, Luzk und Feodossija Dutzende Vertreter der ukrainischen Intelligenzija vom sowjetischen KGB verhaftet wurden. Die meisten von ihnen wurden wegen “antisowjetischer Agitation und Propaganda“ verurteilt. Vorher, Anfang der 1960er Jahre, war unter dem Einfluss des “Tauwetters” unter dem damaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, die ukrainische nationale Kultur wieder aufgelebt. Werke einiger “vergessener“ und vom vorherigen Stalin-Regime unterdrückter Schriftsteller konnten damals erscheinen. Doch lange hielt das “Tauwetter” nicht. Der Widerstand dieser Generation von Schriftstellern gegen das kommunistische Regime prägte die Zeit bis zum Ende der Sowjetunion. Der offizielle Beitritt der Ukraine zum PEN-Kongress erfolgte rasch nach der Unabhängigkeit der Ukraine.
Unterstützung für Oleh Senzow
Das Motto des PEN-Kongresses in Lwiw lautet “Verteidigung der Wahrheit in Zeiten der Propaganda”. Kuratorin des Kongresses ist Olha Mucha, Leiterin des Büros “Lwiw – UNESCO-Literaturstadt”. Sie meint, die Ukraine sei heute ein passender Ort, um über dieses Thema zu diskutieren. “Der Kongress hat ein doppeltes Format – ein diplomatisch-politisches und ein öffentlich-literarisches. Daher gibt es auch zwei Programme. Das eine sieht geschlossene Veranstaltungen vor, bei denen Vertreter aus verschiedenen PEN-Zentren der Welt Gelegenheit haben werden, ernste Fragen zu erörtern, vor allem politische und rechtliche. Das zweite ist ein offenes Literaturprogramm”, berichtete Mucha. Sie unterstrich, dass der PEN nicht nur für Literatur, sondern vor allem auch für Meinungsfreiheit stehe.
Daher begann der 83. Internationale PEN-Kongress in Lwiw auch mit einer Kundgebung zur Unterstützung von Oleh Senzow. Der ukrainische Regisseur war im Mai 2014 auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim festgenommen worden. Er trat aktiv gegen die Annexion ein und wurde 2015 in Moskau als angeblicher Terrorist zu 20 Jahren Haft verurteilt. Freiwillige Helfer des Kongresses begrüßten die eintreffenden Schriftsteller im Flughafen von Lwiw mit Senzow-Schildern. Symbolisch wird während des Kongresses ein Stuhl für Senzow freigehalten.
“PEN-Kongress eine einzigartige Chance”
Der ehemalige Präsident des ukrainischen PEN-Zentrums, der Rektor der Ukrainischen Katholischen Universität in Lwiw, Myroslav Marynowytsch, sagte, dass der Kongress für seine Teilnehmer vor allem harte Arbeit bedeuten würde. “Für uns ist dies auch eine Möglichkeit, Einfluss auf die Haltung des weltweiten PEN zu nehmen. Dies ist eine große Verantwortung”, fügte er hinzu.
Andrij Moskalenko, stellvertretender Bürgermeister von Lwiw, sagt, dass viele Initiativen von Bürgern bei der Vorbereitung des Kongresses behilflich gewesen seien. Das sei in der Stadt deutlich zu spüren. “Da sich unser Land in einem Krieg befindet, ist der PEN-Kongress in der Ukraine eine einzigartige Chance. Wir wollen zeigen, dass Lwiw die Literaturhauptstadt des Landes ist und dass die Ukraine immer mehr zu einem literarischen Land wird“, so Moskalenko.