“Marshall-Plan” für die Ukraine findet keine Unterstützung seitens der EU

Letzte Woche hat in der estnischen Hauptstadt Tallinn ein Forum der Länder der Östlichen Partnerschaft stattgefunden. Dort wurde klar: Die Idee eines neuen “Marshall-Plans” für die Ukraine fand keine Unterstützung in Brüssel. Für ihn hatten sich einige Nachbarn der Ukraine, insbesondere Litauen, eingesetzt.

Was wäre ein “Marshall Plan” für die Ukraine? Ein möglicher “Marshall-Plan” für die Ukraine kam erstmals im Frühjahr 2017 ins Gespräch. Vor allem der ehemalige litauische Premierminister Andrius Kubilius setzte sich für diese Idee ein. Anfangs gelang es ihm sogar, dass das Projekt bei einem Gipfel der Europäischen Volkspartei gebilligt wurde. Es ging um jährliche EU-Hilfe für die Ukraine in Höhe von fünf Milliarden Euro. Litauen setzte große Hoffnungen in den Gipfel der Östlichen Partnerschaft, der im November in Brüssel stattfinden wird. Vorgesehen war, allen Staats- und Regierungschefs der EU den Plan offiziell vorzustellen. Ziel sollte sein, dass der Plan in der Abschlusserklärung des Gipfels erwähnt wird. Das hätte dem “Marshall-Plan” für die Ukraine zumindest irgendeinen offiziellen Status verliehen.

Was ist in Tallinn passiert? EU-Kommissar Johannes Hahn, der für die Europäische Nachbarschaftspolitik zuständig ist, bestätigte, dass die Europäische Kommission die litauischen Vorschläge für einen “Marshall-Plan” erhalten hat. Zugleich betonte er jedoch, dass es innerhalb der Europäischen Kommission Zweifel bezüglich dieser Idee gebe. Hahn betonte, Brüssel verfüge bereits über eine Vielzahl von Instrumentarien, um der Ukraine zu helfen. Zuvor hatte der Kommissar deutlich gemacht, dass es schon jetzt viele Hilfsprogramme für die Ukraine gebe und dass ein neues nichts ändern würde. “Wir haben uns verpflichtet, 12,8 Milliarden Euro für Reform bereitzustellen, ganz zu schweigen von der Finanzierung, die der Ukraine von anderen Gebern und internationalen Organisationen angeboten werden. In gewisser Weise gibt es bereits einen ‘Marshall-Plan’ für die Ukraine”, sagte der EU-Kommissar in einem Interview für Eastbook.

Gründe für die Ablehnung des Plans. Es gibt mehrere Gründe für das Scheitern der litauischen Initiative.

–          Erstens ist es selbst für ukrainische Regierungsbeamte kein Geheimnis, dass es in der Ukraine Probleme bei der Anwendung von Finanzmitteln gibt. Es bestehen reale Probleme bei der Verwaltung europäischer Hilfen, was die Effektivität der europäischen Hilfen in Frage stellt.

–          Zweitens wird sich die Ukraine ab 2018 ein Jahr vor Präsidentschafts- und auch Parlamentswahlen befinden. Daher muss mit einer Verlangsamung der Reformen gerechnet werden. Das Parlament, in dem vor Wahlen sowieso Populismus betrieben wird, wird in dieser Zeit keine rigiden und unpopulären Reformen beschließen. Das machte Johannes Hahn in seiner Rede in Tallinn deutlich.

–          Drittens ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die EU bereit sein wird, Kiew ernsthafte Hilfen zu gewähren, ohne zu wissen, wer 2019 in der Ukraine an die Macht kommen wird. Erst nach den Wahlen und nach Bildung einer neuen Regierung wird es Sinn machen, über weitere Reformen zu verhandeln.

–          Und letztlich werden im Frühjahr 2019 auch in der EU Wahlen stattfinden. Außerdem wird sich im Herbst die Zusammensetzung der Europäischen Kommission ändern. Bis dahin hätten Gespräche mit der EU über einen “Marshall-Plan” für die Ukraine kaum praktischen Inhalt.