“Du wählst” – Das Projekt “Uchoose” gegen Populismus

Vier Jahre nach der Revolution der Würde sind die Ziele der Maidan-Bewegung nicht nur durch den Krieg im Osten des Landes und die grassierende Korruption bedroht, sondern auch von einem zunehmenden Populismus. Geschickt nutzen Politiker die Müdigkeit, Enttäuschung und Verzweiflung der Menschen aus, die schnelle Veränderungen wollen. Am 13. März 2018 ist die Webseite Uchoose gestartet, an der ein Team des Ukraine Crisis Media Center arbeitet. Ihr Ziel ist, Populismus zu bekämpfen. Allein in den ersten zehn Tagen haben bereits eine halbe Million Ukrainer die Webseite besucht.

Natalija Popowytsch, Mitbegründerin von UCMC

Eine aktuelle Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie (KIIS), die zwischen dem 5. und 21. Februar 2018 durchgeführt wurde, hat viele Beobachter erstaunt. Ein Jahr vor den nächsten Wahlen liegen populistische Kräfte vorn. Die Wähler würden derzeit wie folgt stimmen:

  • 22,5% – Partei “Vaterland” von Julia Tymoschenko
  • 13,7% – “Radikale Partei” von Oleh Ljaschko
  • 12,4% – Partei “Oppositionsblock” (ehemalige Partei der Regionen)
  • 10,3% – Partei “Für das Leben” von Wadym Rabinowitsch
  • 6,6% – Partei “Block Petro Poroschenko”
  • 6% – Partei “Samopomitsch” (Selbsthilfe)
  • 5,8% – Partei “Swoboda” (Freiheit)

Die Zustimmungswerte für die Partei “Vaterland” sind zwischen September 2017 und Februar 2018 von 16,3% auf 22,5% gestiegen, die der “Radikalen Partei” von 8,1% auf 13,7% und die des “Oppositionsblocks” von 8,1% auf 12,4%. Gleichzeitig sind die Werte der Partei “Block Petro Poroschenko” von 12,2% auf 6,6% und die der Partei “Samopomitsch” von 8,7% auf 6% gefallen.

So funktioniert “Uchoose”

Die Autoren des Projekts zur Bekämpfung von Populismus versichern, dass die Webseite neutral ist. “Wir werben nicht für bestimmte Politiker und wir sind auch keine Plattform für eine bestimmte politische Position. Freiheit und Unabhängigkeit sind uns wichtig und das hat für uns Priorität”, betonen sie. Bekannte Personen des ukrainischen öffentlichen Lebens machen auf das neue Projekt in sozialen Netzwerken aufmerksam, darunter der Dichter Serhij Zhadan.

Auf der Seite “Uchoose” findet der User ein Computerspiel, Quizfragen, lustige Bilder und einige Hintergrundartikel. Das interaktive Spiel ist ziemlich einfach. Der User kann eine von vier Rollen wählen: Präsident, Premierminister, Abgeordneter oder Bürgermeister. Dann erscheinen verschiedene Leute auf dem Bildschirm, die Fragen stellen. Das können einfache Bürger, Abgeordnete, Rentner, Oppositionelle, Staatsanwälte, Bauern oder Investoren sein. Deren Fragen kann man nur mit Ja oder Nein beantworten.

Olesja Draschkaba, Projektredaktorin

Dann zeigt das Programm dem Spieler an, wie sich seine Antwort auf die fünf wichtigsten Indikatoren auswirkt. Anhand der Indikatoren Budget, Umfragewerte, Ansehen im Ausland, Sicherheit und Rechtmäßigkeit wird die Leistung eines Präsidenten, Premierministers, Abgeordneten oder Bürgermeisters bewertet. Wenn auch nur ein Indikator auf Null fällt, ist das Spiel vorbei. Ein und dieselbe Entscheidung – zum Beispiel eine Rentenerhöhung – wirkt sich einerseits positiv auf die Bewertung des Präsidenten durch die Bevölkerung aus, hat aber negative Folgen für das Staatsbudget und den internationalen Ruf. So verlangt zum Beispiel der IWF eine Reduzierung der Haushaltsausgaben. Das Spiel zielt also darauf ab, kritisches Denken zu fördern.

Zielpublikum sind junge Menschen

Das Projekt “Uchoose” richtet sich vor allem an junge Menschen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren. Diese Zielgruppe steht gewöhnlich nicht im Interesse der Politiker. Daher gehen junge Menschen entweder gar nicht zur Wahl oder stimmen eher gleichgültig ab.

“Wir hoffen, dass die Wahlen im Jahr 2019 die letzten sein werden, bei denen die älteren Menschen massenhaft abstimmen werden. Wir hoffen, dass wir in vier Jahren eine neue Wählerschicht bekommen, die auch kritisch nachdenkt”, sagte die Projektkoordinatorin Switlana Tkatschenko.

Switlana Tkatschenko, Projektkoordinatorin

Genau dies soll mit dem Projekt erreicht werden. Was normalerweise nur Experten erläutern – und das für junge Leute nicht immer verständlich – wollen die Autoren des Projekts nun auf ihrer Webseite in Form eines einfachen Lernspiels tun.

Reaktionen von Abgeordneten

Für das Fachpublikum bietet das Projekt mehrere Quiz-Tests an. Die Fragen zielen darauf ab, herauszufinden, ob die User verstehen, wer für was im Staat verantwortlich ist und welche Vollmachten Beamte verschiedener Behörden haben.

“Vor kurzem hat eine Abgeordnete auf Facebook ihren Kollegen geraten, diesen Test zu machen”, berichtet Tkatschenko und fügte hinzu: “Es stellte sich heraus, dass viele Abgeordnete ihre Vollmachten überhaupt nicht kennen.” Abgeordnete und Beamte haben inzwischen den Autoren des Projekts vorgeschlagen, die eine oder andere Frage zum Quiz hinzuzufügen.

Ob das Projekt helfen wird, unter den Ukrainern kritisches Denken zu fördern, und ob es zu einem Instrument beim Kampf gegen Populismus bei den nächsten Wahlen wird, wird man 2019 sehen, wenn im Frühjahr Präsidentschaftswahlen und im Herbst Parlamentswahlen stattfinden. Eine andere Frage ist, ob es bei den Wahlen zu den Populisten eine echte Alternative geben wird, die es auch wert sein wird, von kritisch eingestellten Ukrainern gewählt zu werden. Auf diese Frage, so scheint es, gibt es derzeit noch keine Antwort.