Die Lage im Donbass, Russland in Den Haag verurteilt, Umfrage zu Wahlen sowie weitere Themen:  Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten #57, 8. – 14. Mai 2018

 

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

 

Die Lage im Donbass ist nach wie vor angespannt. Die prorussischen Rebellen beschießen häufig und regelmäßig die ukrainischen Truppen in beiden Sektoren. Dabei verwenden sie täglich Waffen, die gemäß den Minsker Vereinbarungen verboten sind. So wurden im Laufe der Woche Mörsergranaten (82 mm und 120 mm) sowie Artillerie (122 mm und 152 mm) eingesetzt. Außerdem feuert der Feind weiterhin auf Ortschaften. So gerieten in der vergangenen Woche Loskutiwka und Sajzewe unter den Beschuss der feindlichen Artillerie. Die von der trilateralen Kontaktgruppe geplante Entflechtung der Kräfte in der Region Stanyzja Luhanska ist wegen der regelmäßigen Angriffe der Rebellen immer noch nicht möglich.

Diplomatische Front: Verhandlungen mit Macron und Merkel. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat erklärt, er habe in Aachen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron über eine “Roadmap” zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen unter obligatorischer Einbeziehung einer UN-Friedensmission gesprochen. Poroschenko betonte, die Praxis zeige, dass die Sicherheitskomponente der Minsker Vereinbarungen ohne eine vollwertige Friedensmission im besetzten Teil des Donbass nicht umgesetzt werden könne. Ihm zufolge haben Merkel und Macron wie zuvor schon die USA diese Position unterstützt.


Die Krim-Annexion hat ihrem Preis: Entscheidung aus Den Haag

Urteil. Der Ständige Schiedshof in Den Haag hat entschieden, dass die Russische Föderation einer Reihe von ukrainischen Unternehmen deren Verluste wegen der Annexion der Krim entschädigen muss. Dabei geht es um 159 Millionen Dollar. “Am 23. März 2018 hat der Schiedshof nach Anhörung der Parteien den Abschluss der mündlichen Verhandlung gemäß Artikel 29 (1) der UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung von 1976 bekannt gegeben. Am 2. Mai 2018 hat der Schiedshof nach Anhörung einstimmig über Haftung und Schadensersatz entschieden”, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Das ist das erste Urteil überhaupt, gemäß dem Russland wegen der Krim-Annexion eine Entschädigung zahlen muss. 18 ukrainische Unternehmen sowie eine Einzelperson hatten gegen Russland Klage eingereicht.

Die Position des ukrainischen Außenministeriums. Der Außenminister der Ukraine, Pawlo Klimkin, ist zuversichtlich, dass Verstöße gegen internationale Abkommen Folgen haben werden. “Wenn man erst internationale Abkommen schließt und sie dann verletzt, muss man sich der Konsequenzen bewusst sein. Auch wenn sie nicht schnell eintreten, so sind sie doch unausweichlich”, schrieb Klimkin am 10. Mai auf seiner Facebook-Seite. Die stellvertretende Außenministerin der Ukraine für europäische Integration, Olena Serkal, fordert unterdessen weitere Unternehmen auf, Russland vor internationalen Gerichten wegen Verlusten im Zusammenhang mit der Krim-Annexion zu verklagen, damit der Preis für die Besetzung der ukrainischen Halbinsel für Moskau noch weiter steigt. Nach dem Urteil des Schiedshofs in Den Haag schrieb sie am 10. Mai auf Facebook: “Das ist erste Entscheidung zu Entschädigungen für Eigentum, das infolge der Besetzung der Krim verloren gegangen ist. Das ist der erste Sieg an der juristischen Front.”

Reaktion der Russischen Föderation. Russland erkennt das Urteil nicht an und ignoriert die Prüfung des Falles. Das Gericht erinnert daran, dass nach einer Anhörung in dem Rechtsstreit vom 5. bis 6. Oktober 2017 die Parteien um zusätzliche schriftliche Erklärungen gebeten worden waren. Am 11. Dezember 2017 legten die Kläger ihre Erklärungen vor, doch die Russische Föderation legte keine vor.


NABU deckt Korruption im Verteidigungsbereich auf

Vorwürfe des NABU. Das Nationale Anti-Korruptions-Büro (NABU) hat mitgeteilt, dass Detektive des NABU bei mindestens 15 Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes der Ukraine Beweise für Korruption gesammelt hätten. Am häufigsten gehe es in den Fällen um Aneignung, Unterschlagung, Amtsmissbrauch und um den Kauf von Waren zu überhöhten Preisen über Zwischengesellschaften, die den Leitern der staatlichen Unternehmen nahe stehen. Dabei sei dem Staat, so die Ermittler, nach vorläufigen Schätzungen ein Schaden von umgerechnet über drei Millionen Dollar entstanden.

Wer wird verdächtigt? Nach Angaben der NABU-Detektive spielen die Leiter staatlicher Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes dabei eine entscheidende Rolle. Jeder zweite, der der Korruption überführt worden sei, gehöre zur Leitungsebene jener Unternehmen. Insgesamt werden 23 Personen verdächtigt. 13 davon sind Staatsdiener.


Umfrage zu Wahlen: Enttäuschung und Apathie unter Ukrainern

Vor kurzem wurden die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, die im Januar 2018 im Rahmen des Programms “Join Us!” (USAID) von der Organisation Pact zur Bürgerbeteiligung in der Ukraine durchgeführt wurde. Ziel war es, das Engagement und die Partizipation der Bürger, die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie die Wahrnehmung des Reformprozesses in der Ukraine zu untersuchen. Hier die wichtigsten Ergebnisse:

Zunehmender Pessimismus. Die Umfrage kommt zum Ergebnis, dass viele Ukrainer von dem Reformprozess und der Arbeit der jetzigen Regierung enttäuscht sind. Fast alle Zweige der Staatsmacht genießen sehr geringes Vertrauen. Die eingeleiteten Reformen finden bei einem erheblichen Teil der Bevölkerung keine Unterstützung. Korruption und Unfähigkeit der Beamten sind nach Ansicht der Menschen die größten Hindernisse für eine wirksame Reform des Staates. Unter den Bürgern wächst Pessimismus bezüglich der Reformen. Die politischen Parteien werden kaum unterstützt. Es herrschen weit verbreitet Misstrauen und Müdigkeit, was politische Anführer, Parteien und den Reformprozess insgesamt angeht. 81 Prozent der Menschen glauben, dass sich die Regierung überhaupt nicht um die Bürger schert.

Günstiges Klima für Populismus. Ein großer Teil der Bevölkerung ist mit der jetzigen Regierung unzufrieden, aber apathisch, was Wahlen angeht. Fast jeder vierte Bürger weiß nicht, für wen er bei den nächsten Wahlen stimmen wird. 14 Prozent gaben an, überhaupt nicht zur Wahl gehen zu wollen, und 16 Prozent sind gegen alle politischen Parteien. Dies deutet auf eine klare Unzufriedenheit, Unsicherheit und Ambivalenz in Bezug auf die jetzige Staatsführung und das politische System insgesamt hin. Das zeigt auch, dass das politische Klima für Populismus oder neue politische Kräfte günstig ist.

Bewertungen der politischen Parteien. Der Umfrage zufolge genießen die politischen Parteien in der Ukraine nur geringe Unterstützung. Keine Partei hat eine dominierende Stellung. Julia Timoschenkos Partei “Vaterland” wird von 8 Prozent unterstützt, der “Oppositionsblock” von 5 Prozent, die Partei “Für das Leben” von 5 Prozent und die Partei “Selbsthilfe” von 4 Prozent. Alle anderen politischen Parteien, die in der Umfrage erwähnt wurden, kommen auf 3 Prozent oder noch weniger. Das breite Misstrauen gegenüber den politischen Parteien schadet nicht nur dem jetzigen politischen Systems, sondern ermöglicht auch außerparlamentarischen Kräften, das politische System vor allem auf lokaler Ebene zu beeinflussen.

Unbeliebte Reformen. Ein bestimmter Teil der Bürger ist generell gegen Reformen. 26 Prozent wollen keine Reformen in der Justiz und bezüglich der Bekämpfung von Korruption. 29 Prozent sind gegen die Reform des Wahlrechts. Über die Hälfte der Bevölkerung hält eine Landreform und die Privatisierung staatlicher Unternehmen nicht für notwendig und ein Fünftel (22 Prozent) wendet sich gegen all diese Reformen insgesamt. Trotz der Bemühungen der ukrainischen Zivilgesellschaft sind die Bewohner des Landes in der Regel skeptisch und pessimistisch, was den Reformprozess betrifft. Dieser Widerstand ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Menschen wirtschaftliche Schwierigkeiten fürchten, die während einer Übergangszeit auftreten können.


Kultur: Der Film “Woman at War”bei der Kritikerwoche in Cannes

Bei den Filmfestspielen von Cannes hat im Rahmen der Kritkerwoche die Weltpremiere des Films “Woman at War” (Trailer) des isländischen Regisseurs Benedikt Erlingsson stattgefunden. Der Film ist eine ukrainisch-französisch-isländische Koproduktion. Der Streifen erhielt viel Applaus. Im Mittelpunkt des abendfüllenden Spielfilms steht die Geschichte von Halla, einer Chorleiterin und Umweltaktivistin, die heimlich gegen die Aluminiumindustrie kämpft und dabei guerilla-mäßig Stromleitungen beschädigt. Während Halla ihre größte und kühnste Operation plant, erhält sie nach langer Zeit die Bestätigung, dass sie ein Waisenkind aus der Ukraine adoptieren darf. Das Mädchen kommt aus dem Ort Druschkiwka im Donbass. Es hat seine Familie im Krieg verloren. Der Film wurde teilweise in der Ukraine unter Beteiligung ukrainischer Produzenten, Regisseure und Schauspieler gedreht. So wurde Hallas Tochter, das Waisenkind aus der Ukraine, von einem ukrainischen Mädchen gespielt. Ferner wurde ein Teil der Computergrafik in der Ukraine erstellt. In dem Film sind auch Mitglieder eines ukrainischen Chors zu sehen, die der Premiere in Cannes in Volkstrachten beiwohnten. Kritiken zum Film sind zu lesen bei: The Guardian, The Variety und The Hollywood Reporter.