Lage an der Front, Senzow nach dem Hungerstreik, Sprachgesetz in der Ukraine und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Am Abend des 1. Oktober haben die russischen Besatzer zynisch, in Verletzung jedweder Regeln der Kriegsführung und Normen der allgemeinen menschlichen Moral das Dorf Wodjane angegriffen. Der Feind beschoss Wohnbezirke am Asowschen Meer mit einem 122-mm-Artilleriegeschütz sowie Mörsern des Kalibers 82 und 120 mm mit insgesamt 31 Artilleriegranaten und 16 Minen. Geschossen wurde nicht auf Stellungen der ukrainischen Streitkräfte, sondern auf Wohnbezirke.

Die russischen Besatzungstruppen feuerten ferner auf die Stellungen der ukrainischen Vereinten Kräfte nahe der Ortschaften Stanyzja Luhanska, Krymske, Nowotoshkiwske, Orijchowe, Kateryniwka, Nowoswaniwka, Luhanske, Werchnjotorezke, Awdijiwka, Krasnohoriwka, Nowotrojizke, Bohaniwka, Starohnatiwka, Tshermalyk, Pawlopil, Hnutowe, Wodjane, Lebedynske und Schyrokyne.


Senzow beendet Hungerstreik: Wie geht es weiter?

Am 6. Oktober 2018 hat Oleh Senzow, der in Russland illegal zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, seinen Hungerstreik beendet, da ihm mit einer Zwangsernährung gedroht wurde. Das teilte Senzow am 5. Oktober in einem Brief mit.

Brief an seine Cousine: “Man hat mir keine andere Wahl gelassen.” In einem Brief an seine Cousine Natalia Kaplan erläutert Oleh Senzow ausführlich, warum er sich entschied, den Hungerstreik zu beenden. Seine Cousine zitierte gegenüber dem ukrainischen Sender “Hromadske” aus Senzows Brief. Darin schreibt er: “Ich bin gezwungen, morgen mit dem Hungerstreik aufzuhören.” Untersuchungen hätten ergeben, dass seine inneren Organe schwer gelitten hätten. “Es ist bitter zu verlieren, aber man hat mir keine andere Wahl gelassen. Ich will all dies nicht in einen erniedrigenden Anblick verwandeln”, so Senzow.

Wird Senzow überleben?“Niemand kann jetzt sagen, ob Oleh überleben wird”, schrieb Natalia Kaplan am 5. Oktober auf Facebook. “Von seiner Gesundheit ist nicht viel übrig geblieben. Zur Hypoxie, Anämie und Dystrophie sind Arrhythmie und Ischämie hinzugekommen. Die Nieren sind verstopft und können jederzeit versagen. Die Leber ist vergrößert und zerfällt bereits. Es gibt Probleme mit dem Darm und dem Gehirn. Der Hungerstreik wäre sowieso zu Ende gegangen, die Frage ist nur wie: mit Folter oder mit dem Versuch zu überleben. Oleh hat sich für einen Überlebensversuch entschieden und ich hoffe, dass er es schafft”, so Sezows Cousine.

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Oleh Senzow beendet Hungerstreik: Was ist der Grund und wie ist sein Zustand?

Forderungen der EU an die Russische Föderation. Die Europäische Union verlangt von Russland, Oleh Senzow nicht nur schnell und angemessen medizinisch zu behandeln, sondern ihn auch umgehend freizulassen – zusammen mit den anderen illegal in Russland und auf der annektierten Krim inhaftierten Ukrainern. Das geht aus einer Erklärung des Europäischen Auswärtigen Dienstes hervor. Darin wird betont: “Oleh Senzow hat während seiner 145 Tage Hungerstreik unglaublichen Mut, Entschlossenheit und Selbstlosigkeit gezeigt.” Ferner heißt es aus Brüssel, Senzow sei wegen angeblicher Aktivitäten auf der Krim inhaftiert worden. Die illegale Annexion der Halbinsel durch die Russische Föderation habe er entschieden ablehnt. “Die EU betrachtet den Fall als Verstoß gegen internationales Recht und elementare Normen der Rechtsprechung”, so die Erklärung.

Was macht Senzow jetzt? Der ukrainische Regisseur Oleh Senzow hat nach Beendigung des Hungerstreiks damit begonnen, ein Drehbuch zu schreiben. Das sagte in einem Interview für die russische Zeitung “Iswestija” derstellvertretende Leiter des russischen Föderalen Strafvollzugsdienstes, Walerij Maximenko. “Er arbeitet an einem Drehbuch für einen künftigen Film. Es ist eine Geschichte über das Leben im Gefängnis und über Gefangene”, sagte Maximenko. Ihm zufolge überwachen die Ärzte im Gefängnis ständig Senzows Gesundheitszustand.


Ein weiterer Schritt hin zu einem neuen Sprachgesetz in der Ukraine

Am 4. Oktober hat das ukrainische Parlament in erster Lesung einen Gesetzentwurf angenommen, der Ukrainisch als offizielle Staatssprache in der Ukraine festlegt und für Verstöße gegen das Gesetz administrative und strafrechtliche Maßnahmen vorsieht. Für den Entwurf stimmten 261 Abgeordnete.

Die einzige Staatssprache. Gemäß dem Gesetzentwurf ist Ukrainisch die einzige Amtssprache in der Ukraine. “Versuche, entgegen der Verfassung in der Ukraine eine offizielle Mehrsprachigkeit einzuführen”, würden eine sprachliche Spaltung des Landes und interethnische Konflikte provozieren, heißt es zur Begründung in dem Entwurf.

Sprache und Staatsbürgerschaft. Der Entwurf sieht außerdem vor, dass jeder Bürger der Ukraine sowie alle Bewerber um die ukrainische Staatsbürgerschaft die ukrainische Sprache beherrschen müssen.

Sprache und Behörden. Alle Beamten und Leiter von Sicherheitsbehörden müssen Ukrainisch sprechen. Ukrainisch ist auch für Abgeordnete aller Ebenen, Richter, Rechtsanwälte, Leiter von Hochschulen, medizinische Beschäftigte usw. obligatorisch. Gemäß dem Gesetzentwurf müssen alle Sitzungen, Treffen usw. in allen Behörden und staatlichen Institutionen auf zentraler und regionaler Ebene in ukrainischer Sprache abgehalten werden.

Beauftragter zum Schutz der Staatssprache. Der Gesetzentwurf führt ein neues Amt ein: den Beauftragten zum Schutz der Staatssprache. Er wird vom Ministerkabinett für fünf Jahre ernannt. Diese Person wird kein Beamter sein, aber die Vergütung dieser Position ist mit der eines Ministers gleichgestellt.

Administrative und strafrechtliche Verantwortung. Der Gesetzentwurf schlägt vor, administrative Maßnahmen bei Verstöße gegen die Anwendung der Staatssprache zu verhängen. Darüber hinaus ist eine strafrechtliche Verantwortung “für die öffentliche Erniedrigung und Missachtung der Staatssprache” vorgesehen. Dafür kann eine Geldstrafe in Höhe von bis zu 50 steuerfreien Mindesteinkommen oder eine Haft von bis zu sechs Monaten und sogar Gefängnis von bis zu drei Jahre verhängt werden – so, wie für die öffentliche Schändung der Nationalflagge, des Wappens und der Hymne.

Bestrafen oder nicht bestrafen? Debattiert wurde im Parlament vor allem über die Durchsetzung des Gesetzes und darüber, wie die Umsetzung kontrolliert werden kann. Laut dem Gesetzentwurf sollen dem Beauftragen zum Schutz der Staatssprache 27 Sprach-Inspektoren unterstellt werden. Sie sollen Philologen und Juristen sein, die bei einem Wettbewerb ausgesucht werden. Diese Personen können bei Verstößen gegen das Sprachgesetz Protokolle erstellen. Neben den Inspektoren soll es ein Sekretariat geben. Die gesamte Institution soll über die Anwendung des Ukrainischen als Staatssprache im öffentlichen Raum wachen. Sie wird sich mit Beschwerden an die Rechtsschutzorgane wenden können.

Doch gerade diese Bestimmungen wurden von den Abgeordneten der Partei von Präsident Petro Poroschenko kritisiert. “Die Anwendung repressiver Zwangs-Methoden zum Erlernen und zur Beherrschung der ukrainischen Sprache ist für den Osten, den Süden und den Südosten der Ukraine inakzeptabel. (…) Wir werden diesen großen Gesetzentwurf unterstützen – vorausgesetzt, dass die Inspektoren rausgeworfen werden”, sagte vor Journalisten die Abgeordnete des “Blocks Petro Poroschenko”, Iryna Luzenko. Sie betonte, dass die Zwangs-Methoden und zusätzlichen Bedingungen nicht mit den Empfehlungen der Venedig-Kommission im Einklang stünden.

Im Februar hatte das Verfassungsgericht der Ukraine das Gesetz aus dem Jahr 2012 “Über die Grundlagen der staatlichen Sprachpolitik”, das als “Kiwalow-Kolesnitschenko-Gesetz” bekannt ist, für verfassungswidrig erklärt. Geklagt hatten 57 Abgeordnete. Jenes Gesetz über die “regionalen Sprachen” trat 2012 in Kraft. Im Februar 2014 wurde es vom Parlament wieder abgeschafft. Doch der Beschluss wurde vom damaligen Übergangspräsident Oleksandr Turtschynow nicht unterschrieben. Folglich blieb das Gesetz bis Februar 2018 in Kraft. Es sah die Möglichkeit vor, dass in Regionen, wo ethnische Minderheiten über zehn Prozent der Bevölkerung stellen, eine offizielle Mehrsprachigkeit eingeführt werden kann. Eine Reihe von regionalen und lokalen Räten erklärten daraufhin Russisch zur Regionalsprache. Darüber hinaus wurden Ungarisch, Moldauisch und Rumänisch in westlichen Gebieten der Ukraine zu Regionalsprachen erhoben.

Mehr dazu: Wie geht es weiter mit dem Sprachengesetz in der Ukraine?


Kunst hinter Gittern: Zeichnungen von Roman Suschtschenko

Am 5. Oktober wurde in Kiew in den Räumlichkeiten der staatlichen ukrainischen Nachrichtenagentur “Ukrinform” die Ausstellung “Kunst hinter Gittern” eröffnet. Gezeigt werden Zeichnungen von Roman Suschtschenko. Der Paris-Korrespondent der Nachrichtenagentur wurde bei einem privaten Besuch in Moskau festgenommen und nach erfundenen Spionage-Vorwürfen in Russland illegal zu zwölf Jahren Haft verurteilt. In zwei Jahren Haft hat der Journalist über 20 Zeichnungen aus dem Moskauer Gefängnis verschickt. Da Gefangene kein Malwerkzeug besitzen würfen, fertigte Suschtschenko die Bilder mit einem Kugelschreiber und Bleistift, aber auch mit Tee, Zwiebelschalen, Rübensaft und Ketchup  an.

Mehr dazu: 12 Jahre Haft für einen Journalisten: Was ist im Fall Suschtschenko zu erwarten?