Kommen die ukrainischen Seeleute und politischen Häftlinge in Russland frei?

Seit der Wahl des neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj berichten die Medien immer wieder über einen möglichen Austausch von Gefangenen zwischen der Ukraine und Russland. Spekuliert wird über eine mögliche Freilassung der ukrainischen Seeleute und politischen Häftlinge. Außerdem gibt es noch Geiseln, die sich in den besetzten Gebieten im Donbass befinden. Was könnte in naher Zukunft passieren? Einzelheiten vom Ukraine Crisis Media Center:

Ende Juni begannen Spekulationen über eine mögliche Freilassung der ukrainischen Seeleute, die im November 2018 von Russland in der Meerenge von Kertsch illegal gefangen genommen wurden. Doch am 25. Juni erklärte der Kreml, Moskau werde die Forderung des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg, die Männer freizulassen, ignorieren. Doch noch am selben Abend wurde bekannt, dass Russland bei dem Gerichtshof einen Bericht zur Umsetzung der Forderung eingereicht und der Ukraine eine Note geschickt hat, mit dem Vorschlag, Kiew solle garantieren, dass die ukrainischen Seeleute nach russischem Recht weiterhin strafrechtlich verfolgt werden.

Das ukrainische Außenministerium erklärte, der russische Vorschlag sei inakzeptabel und verschärfe den Streit zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation. Schließlich hätten die Seeleute aus Sicht der Ukraine kein Verbrechen begangen. Ihre strafrechtliche Verfolgung in der Ukraine würde nur bedeuten, dass die Ukraine die Annexion der Krim durch Russland anerkenne.

Am 27. Juni zeigte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj über das Vorgehen von Außenminister Pawlo Klimkin verärgert, der ohne Rücksprache mit ihm auf die Note aus Russland geantwortet hatte. Klimkin sagte daraufhin, das Außenamt habe die Antwort auf die russische Note mit dem Präsidenten nicht absprechen müssen.

Treffen zwischen den Ombudsfrauen

Ein Treffen zwischen der Menschenrechtsbeauftragten des ukrainischen Parlaments, Ljudmyla Denisowa, und ihrer russischen Amtskollegin Tetjana Moskalkowa am 15. Juli in Kiew wurde als Hinweis auf eine mögliche positive Entwicklung gedeutet. Die Ukraine setzte die in Russland gefangenen Seeleute auf die Liste der Inhaftierten, die die Ombudsfrauen aus der Ukraine und Russland austauschen sollen.

Am 9. Juli hatten die russischen Behörden allen 24 ukrainischen Seeleuten die Anklage übergeben. Den Männern droht ein Prozess. Am 17. Juli verlängerte das Moskauer Lefortowo-Gericht die Haft für alle 24 Gefangene um drei Monate.

Selenskyj: “Lasst uns mit den Seeleuten beginnen”

Neben dem Treffen der Ombudsfrauen fand ein Telefongespräch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin statt. Am 17. Juli berichtete Selenskyj in seinem Videoblog von Putins Vorschlag, die Gefangenen im Format “alle gegen alle” auszutauschen: “Alle gegen alle, das werden wir auf jeden Fall machen, aber lasst uns zuerst alle, die auf der Krim und in Russland sind, zurückholen, und lasst uns mit den Seeleuten beginnen. Ich denke, dass dies ein normaler Schritt zur Rückkehr zu einem Dialog und ein wirklich starker Schritt ist, um den Krieg zu beenden.”

Antwort aus Moskau: “Lasst uns mit Wyschinskij beginnen”

Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, sagte, der erste Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Moskau und Kiew könnte die Rückkehr von Kirill Wyschinskij nach Russland sein. “Insgesamt werden alle Schritte zur Freilassung von Menschen nur begrüßt”, sagte er.

Der Leiter der russischen Nachrichtenagentur RIA-Nowosti in der Ukraine, Kirill Wyschinskij, wurde am 15. Mai 2018 nach einer Durchsuchung der Büroräume festgenommen. Anschließend teilte der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) mit, Wyschinskij habe sich am hybriden Informationskrieg gegen die Ukraine aufseiten des Aggressor-Staates beteiligt. 2015 hatte Präsident Putin Wyschinskij einen russischen Pass ausstellen lassen. Dieser wurde bei der Durchsuchung vom SBU gefunden und zusammen mit der russischen Verdienstmedaille “Für die Rückkehr der Krim” sichergestellt. Im Juni 2018 verzichtete Wyschinskij auf seine ukrainische Staatsbürgerschaft.

Vom Herbst 2013 bis Februar 2014 hatte Wyschinskij über den Euromaidan berichtet. Als der Krieg im Donbass begann, fuhr er in das von den pro-russischen Separatisten besetzte Donezk. Seine Berichte enthielten eindeutig anti-ukrainische Positionen. Im März 2019 wurde er von Cherson nach Kiew verlegt. Der Prozess in seinem Fall läuft noch. Wyschinskij steht auf der Liste von 36 Personen, die die Ukraine bereit ist, gegen 23 Geiseln des Kremls auszutauschen.

Vorschlag aus Kiew: “Wyschinskij gegen Senzow”

Am 19. Juli schlug das ukrainische Präsidialamt Moskau vor, den in Russland wegen Terrorismus verurteilten politischen Gefangenen Oleh Senzow gleichzeitig mit dem in der Ukraine wegen Hochverrats angeklagten Kirill Wyschinskij freizulassen. Das teilte die Sprecherin des ukrainischen Präsidenten, Julia Mendel, mit. Sie betonte auf Facebook, das ukrainische Präsidialamt habe “mit Interesse” den Vorschlag Russlands wahrgenommen, die Ukraine solle Wyschinskij als Zeichen des “guten Willens” freilassen. Der ukrainische Regisseur Oleh Senzow, der von der Krim stammt, feierte am 13. Juli seien 43. Geburtstag – den sechsten in russischer Gefangenschaft.

Europaparlament: Freilassung und Sanktionen

Am 18. Juli 2019 verabschiedete das neugewählte Europäische Parlament mit 458 Stimmen eine Entschließung zu Russland. Darin wird betont, dass die Annexion der Krim nicht anerkannt wird. Zudem wird Moskau aufgefordert, alle illegal und nach politisch motivierten Vorwürfen inhaftierte ukrainische Staatsbürger umgehend freizulassen, sowohl in Russland als auch in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine. Es solle für deren sichere Rückkehr gesorgt werden – darunter auch der Krimtataren, die nach einem friedlichen Protest auf dem Roten Platz in Moskau am 10. Juli 2019 festgenommen wurden. Das Europaparlament verlangt auch die Freilassung der 24 ukrainischen Seeleute. Das berichtete auf Twitter die Vertretung der Ukraine bei der EU.

Laut Entschließung sollen die EU-Sanktionen gegen Russland in Kraft bleiben, bis Moskau seinen internationalen Verpflichtungen, einschließlich der Minsker Vereinbarungen, nachkommt. Darüber hinaus bestätigt das Dokument, dass die EU bereit sein sollte, neue Sanktionen gegen die Russische Föderation zu verhängen, sollte sie weiterhin gegen internationales Recht verstoßen.

US-Kongress: Sanktions-Entwurf gegen Russland

Dem Repräsentantenhaus des US-Kongresses wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt, der Sanktionen gegen Russland wegen der Festsetzung der ukrainischen Seeleute und Schiffe vorsieht. Der Entwurf wurde von Abgeordneten der Demokratischen und auch der Republikanischen Partei eingebracht, die Mitglieder der “Gruppe der Freunde der Ukraine” sind. Das geht aus einer Erklärung der Autoren des Entwurfs hervor, die auf der Webseite der Abgeordneten Marcy Kaptur veröffentlicht wurde.

Demnach sieht der Gesetzesentwurf vor, dass gegen 24 hochrangige Beamte des Föderalen Sicherheitsdienstes Russlands (FSB) und deren enge Mitarbeiter Sanktionen verhängt werden, bis alle 24 ukrainischen Seeleute freigelassen und die drei von Russland festgesetzten ukrainischen Schiffe freigegeben werden.