Diskussion um die “Steinmeier-Formel” sowie weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Der Feind beschießt weiterhin die Stellungen der ukrainischen Vereinten Kräfte mit Waffen, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind. Außerdem setzt er Waffen von Schützenpanzern, Granatwerfer verschiedener Systeme, Waffen für Scharfschützen und Kleinwaffen ein.


“Steinmeier-Formel”: Mögliche Szenarien für Treffen im Normandie-Format

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte Ende August, eine der Bedingungen für ein Gipfeltreffen im Normandie-Format (Ukraine, Deutschland, Frankreich und Russland) sei, “die Formel des ehemaligen deutschen Außenministers und jetzigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zu Papier zu bringen”. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte daraufhin eine Debatte über die “Steinmeier-Formel” im Rahmen eines Gipfeltreffens im Normandie-Format an.

Unterdessen erklärte der jetzige OSZE-Vorsitzende, der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak, er sei der Ansicht, die Ukraine sollte den sogenannten “Steinmeier-Plan” zur Umsetzung der “Minsker Vereinbarungen” anwenden.

Ende letzter Woche machte der ukrainische Außenminister Wadym Prystajko eine sensationelle Erklärung. Er unterstrich, die “Steinmeier-Formel” sei in der Präsidentschaft des ehemaligen ukrainischen Staatschefs Petro Poroschenkos vereinbart worden.

Doch worum geht es eigentlich? Was ist Russlands Plan und welche Position nimmt die Ukraine ein?

Erklärung des ukrainischen Außenministers. Wadym Prystajko sagte der Nachrichtenagentur “Interfax-Ukraine” am Rande des 16. Jahrestreffens der Yalta European Strategy (YES) in Kiew, dass die ukrainische Regierung landesweit Kommunalwahlen durchführen wolle, einschließlich der Gebiete im Donbass, die sich derzeit nicht unter der Kontrolle der Regierung befinden. Sie seien für das Jahr 2020 geplant. Wahlen in den besetzten Gebieten im Osten der Ukraine sind in den Minsker Vereinbarungen ein Thema.

Bedeutet dies eine schnelle Rückkehr des besetzten Donbass? Wie und unter welchen Bedingungen kann das passieren? Wie kann man in diesen Gebieten ohne eine Kontrolle Wahlen durchführen?

Die “Steinmeier-Formel”. Prystajko sprach auch über die “Steinmeier-Formel”. Er sagte, sie sei 2016 vom früheren ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vereinbart worden. “Unser Staatsoberhaupt hatte der ‘Steinmeier-Formel’ zugestimmt und wir müssen als Menschen, die auch das tun, was unsere bisherigen Präsidenten versprochen haben, diese umsetzen. Wir diskutieren jetzt darüber, in welcher Form dies geschehen soll”, sagte er.

Zur gleichen Zeit behauptete Poroschenkos Berater Kostjantyn Jelissejew, der an den Verhandlungen im  Normandie-Format teilgenommen hatte, die Ukraine habe im Zeitraum 2014-2019 der “Steinmeier-Formel” gar nicht zugestimmt. “Als ehemaliger Teilnehmer an den Gesprächen im Normandie-Format auf der Ebene der diplomatischen Berater betone ich, dass die Ukraine der ‘Steinmeier-Formel’ nie zugestimmt hat und nicht zustimmen konnte”, betonte er in einem Artikel für die ukrainische Internetzeitung “Jewropejska Prawda” (Europäische Wahrheit).

Worin besteht die “Steinmeier-Formel”?Die von Steinmeier im Jahr 2015 vorgeschlagene Formel ist weder eine Roadmap für die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen noch ein Plan zur Deeskalation. Davon ist der frühere ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin überzeugt. Sie beziehe sich nur auf einen Punkt der Minsker Vereinbarungen: den sogenannten “Sonderstatus” der zurzeit von Kiew nicht kontrollierten Gebiete im Osten des Landes. Es gehe um Besonderheiten der lokalen Selbstverwaltung.

Die Formel ist aufgetaucht als Antwort auf die Frage, wann und unter welchen Bedingungen jenen Gebieten ein Sonderstatus gewährt werden soll. Am einfachsten kann dies so formuliert werden: “Ein Sonderstatus nach fairen, demokratischen Wahlen gemäß den OSZE-Standards.” Ihnen zufolge können aber in Gegenwart ausländischer Truppen und Söldner keine Wahlen durchgeführt werden. Dafür sind entsprechende Sicherheitsbedingungen erforderlich.

Wird es Verfassungsänderungen geben? Außenminister Wadym Prystajko betonte, man werde keine Änderungen an der Verfassung der Ukraine bezüglich eines sogenannten “Sonderstatus” des Donbass vornehmen. Die derzeit besetzten Gebiete sollten sich wie alle anderen Regionen der Ukraine auf dem Wege der Dezentralisierung weiterentwickeln.

Die Position des ukrainischen Präsidenten. Wolodymyr Selenskyj machte deutlich, dass Kommunalwahlen im Donbass nur nach einem Abzug der russischen Truppen und dann gemäß der geltenden ukrainischen Gesetzgebung abgehalten werden können.

Welche Risiken birgt die “Steinmeier-Formel”?Trotz des Optimismus und der Erwartungen der neuen ukrainischen Führung an künftige Gipfeltreffen liegen aber die Risiken auf der Hand. “Immer deutlicher sind Russlands aktive Versuche zu erkennen, die Ukraine zu zwingen, die russische Sicht auf eine Regelung zu akzeptieren – politische Verpflichtungen der Ukraine im Tausch gegen Moskaus Sicherheitsversprechen. Was diese in Wirklichkeit wert sind, muss man wohl nicht erklären”, sagte Kostjantyn Jelisejew, Berater des ehemaligen Präsidenten Poroschenko.

Auch der frühere ukrainische Außenminister Klimkin hat Bedenken, was die Einhaltung von Standards für Wahlen angeht: “Die Russische Föderation wird alles daran setzen, die Standards der OSZE für Wahlen zu verwischen. Sie wird betonen, dass es prinzipiell wichtige und nicht so wichtige gibt. Natürlich geht es darum, die richtigen Sicherheitsbedingungen für faire und demokratische Wahlen zu schaffen.”

Erklärung des US-Sonderbeauftragten für die Ukraine.Kurt Volker versicherte, dass die internationalen Partner der Ukraine Kiew nicht zu Wahlen in den betreffenden Gebieten des Donbass drängen würden, solange sich dort von Russland kontrollierte Kräfte befinden würden. “Ich sehe kein Szenario, in dem die Ukraine zu Wahlen gedrängt wird, solange die Gebiete besetzt sind. Die Umsetzung der ‘Steinmeier-Formel’ ist erst nach den Wahlen möglich”, sagte er.

Der amerikanische Diplomat unterstrich, für die Umsetzung der “Steinmeier-Formel” müsse Russland zunächst einmal Truppen abziehen. Darüber hinaus müssten von Russland unterstützte illegale bewaffnete Gruppierungen aufgelöst werden, um die Stabilität in der Region wiederherzustellen.

“Die ‘Steinmeier-Formel’ beginnt mit Wahlen, aber wir müssen zuerst an den Punkt ankommen, dass freie Wahlen stattfinden können”, sagte der US-Sonderbeauftragte. Er versicherte, die wegen der Besetzung der Krim gegen Russland verhängten Sanktionen würden so lange in Kraft bleiben, solange Russland die Halbinsel besetzt halten werde. Volker sagte ferner, sollte Russland die Minsker Vereinbarungen umsetzen, dann könnten die USA eine Lockerung der Sanktionen in Erwägung ziehen, die gegen Russland wegen der fehlenden Umsetzung der Minsker Vereinbarungen verhängt wurden.