PACE-Herbstsitzung ohne Ukraine, Rücktritt des US-Sonderbeauftragten Kurt Volker, Rücktritt von Sicherheitschef Oleksandr Danyljuk und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Bewaffnete Verbände der Russischen Föderation und ihre Söldner verletzen weiterhin die Waffenruhe. Sie haben am 22. September gegen die Minsker Vereinbarungen verstoßen und viermal den Abschnitt Nr. 3 der Truppenentflechtung im Bezirk Bohdaniwka mit Waffen von Schützenpanzern, Granatwerfern verschiedener Systeme und Kleinwaffen beschossen. Außerdem wurden die Stellungen der ukrainischen Vereinten Kräfte mit 82-mm-Mörsern beschossen, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind. Ferner schossen die bewaffneten Verbände mit Granatwerfern verschiedener Systeme und Kleinwaffen.


Ukraine-Delegation nimmt an der PACE-Herbstsitzung nicht teil

Am Montag  hat in Straßburg die Herbstsitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) begonnen. Sie wird bis zum 4. Oktober dauern. Vergangene Woche wurde im neu gewählten ukrainischen Parlament eine neue Delegation für die PACE gebildet. Gleich darauf wurde mitgeteilt, die Delegation werde aufgrund der Rückkehr der Russischen Föderation in der PACE nicht an der Herbstsitzung der Versammlung teilnehmen. Einige Mitglieder der neuen ukrainischen Delegation, die auch schon der früheren angehört hatten, fahren aber dennoch nach Straßburg. Allerdings werden sie an den Sitzungen und der Arbeit der Ausschüsse nicht teilnehmen.

Die PACE hatte auf ihrer Sommersitzung beschlossen, die Befugnisse der russischen Delegation zu bekräftigen, obwohl Moskau gegen die Grundsätze des Europarates verstößt. Danach verließen Vertreter von sieben nationalen Delegationen aus Protest die Versammlung. Auch einige Vertreter Großbritanniens und Schwedens schlossen sich ihnen an.


Wie reagiert die Ukraine auf Kurt Volkers Rücktritt?

Der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Kurt Volker, ist zurückgetreten. Dies geschieht vor dem Hintergrund des Skandals um das Juli-Telefonat zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und dem ukrainischen Staatsoberhaupt Wolodymyr Selenskyj. Laut US-Medien könnte Volker in den Burisma-Fall um Hunter Biden, den Sohn des ehemaligen US-Vizepräsidenten Jo Biden, verwickelt sein. Volker steht auf der Liste derjenigen Mitarbeiter des US-Außenministeriums, über die Mitglieder des Repräsentantenhauses im Zusammenhang mit dem “ukrainischen Fall” Informationen angefordert haben.

Darüber hinaus veröffentlichte Trumps persönlicher Anwalt Rudolph Giuliani einen Screenshot einer Textnachricht vom 19. Juli, in der Kurt Volker Giuliani mit Andrij Jermak, einem engen Mitarbeiter des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bekannt macht.

Das US-Repräsentantenhaus wird Volker nächste Woche im Rahmen einer Untersuchung zu einer möglichen Amtsenthebung von Donald Trump befragen.

Womit hat sich Volker befasst? Volker wurde 2017 zum US-Sonderbeauftragten für die Ukraine ernannt. Davor gab es diesen Posten nicht. Bis dahin kümmerte sich die ehemalige Beraterin des US-Außenministers Victoria Nuland um die Ukraine. Unter anderem führte sie Verhandlungen mit dem Kreml-Vertreter Wladislaw Surkow. Doch sie beschäftigte sich mit ganz Europa und Eurasien, während Kurt Volker nur für die Ukraine zuständig war. Er setzte sich mit dem russisch-ukrainischen Konflikt auseinander, einschließlich dem Donbass.

Volker reiste mehrmals in die Ukraine, darunter auch in den Donbass Er sprach dabei mit dem jetzigen Präsidenten Selenskyj und dessen Amtsvorgänger Petro Poroschenko. Der US-Sonderbeauftragte nahm immer eine pro-ukrainische Haltung ein und sicherte der Ukraine ständig die Unterstützung der USA zu. Er hielt einen direkten Dialog mit Russland aufrecht.

Reaktion ukrainischer Experten.Die meisten ukrainischen Experten bedauern Volkers Rücktritt. “Ich kann mich an keinen hochrangigen amerikanischen Beamten erinnern, der die Ukraine innerhalb von zwei Jahren mehr als zehn Mal besucht hat, nicht nur Kiew, sondern auch Awdijiwka, Mariupol und Kramatorsk. Er kannte die Lage in der Ukraine sehr gut”, sagte Jewhen Mahda, Direktor des “Instituts für globale Politik”, im Gespräch mit dem ukrainischen Sender “Hromadske”.

Nach Ansicht vieler Experten widmete Volker der Ukraine ständig Aufmerksamkeit. Er habe dem US-Außenamt und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten immer sein Wissen mitgeteilt. “Meine größte Sorge ist, dass dieser Posten ganz abgeschafft wird. Die Existenz dieses Postens innerhalb der Struktur des Außenamts war für die internationalen Akteure ein spürbares Signal dafür, dass die USA an der Ukraine interessiert sind”, so Mahda.

Reaktion ukrainischer Politiker. Die ukrainischen Politiker haben auf Volkers Rücktritt schnell in den sozialen Netzwerken reagiert. So schrieb der frühere Außenminister Pawlo Klimkin Facebook von einem “realen Verlust”. “Wir waren ihm nicht egal und das kommt in der Politik sehr selten vor”, so Klimkin.

Der ehemalige Präsident der Ukraine und Chef der Partei “Europäische Solidarität”, Petro Poroschenko, bedauert ebenfalls Volkers Rücktritt. “Seine Entschlossenheit und strategische Sicht bezüglich der Abwehr der russischen Aggression ist äußerst zu würdigen. Mit Kurt fühlten wir uns alle in der Ukraine sicherer, sowohl was eine friedliche Beilegung angeht, als auch bei den Fortschritten auf dem Weg der Reformen und auch was die Rolle der USA betrifft”, schrieb Poroschenko auf Facebook.


Sicherheitschef Oleksandr Danyljuk zurückgetreten: Was bedeutet das?

Ende September ist der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Oleksandr Danyljuk, zurückgetreten. Gründe für diesen Schritt gab er keine an. Danyljuk war wohl der erste bekannte Politiker, der sich im Präsidentschaftswahlkampf dem Team von Wolodymyr Selenskyj angeschlossen hatte. Nun könnte er der erste sein, der es wieder verlässt.

Wer ist Oleksandr Danyljuk? Danyljuk hatte sich im März dieses Jahres vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen Selenskyj angeschlossen. Er hatte den Besuch des damaligen Präsidentschaftskandidaten Selenskyj beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris vorbereitet. Damals hieß es, wie “Hromadske” berichtete, Danyljuk habe “Selenskyj in den Augen der internationalen Gemeinschaft faktisch hoffähig gemacht”. Denn im Unterschied zu Selenskyj ist Danyljuk international bekannt. Von 2016 bis 2018 war er Finanzminister in der Regierung von Wolodymyr Hrojsman und verhandelte erfolgreich mit dem Internationalen Währungsfonds über Kredite.

Darüber hinaus verstaatlichte Danylkuk die ukrainische “PrivatBank” und bereitete Dokumente für eine Klage des Staates gegen den Oligarchen Ihor Kolomojskyj in London vor.

Nach Selenskyjs Wahlsieg wurde Danyljuk als möglicher Kandidat für den Posten des Chefs des Präsidialamts gehandelt, und nach den Parlamentswahlen als möglicher Premierminister.

Nationaler Sicherheits- und Verteidigungsrat. Stattdessen wurde Danyljuk vom Präsidenten zum Sicherheitschef des Landes ernannt. Das Staatsoberhaupt bildet die Zusammensetzung des Rates und leitet ihn. Aber der Sekretär verwaltet den Rat. Er besteht aus dem Premierminister, dem Verteidigungsminister, dem Leiter des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) sowie aus den Leitern des Innenministeriums und des Außenministeriums.

In seiner neuen Position war Danyljuk mit ihm schon vertrauten Aufgaben beschäftigt: mit den IWF-Verhandlungen und der Reform des Präsidialamts. Von 2014 bis 2016 war er stellvertretender Leiter des Präsidialamts unter Selenskyjs Amtsvorgänger Poroschenko.

Warum ist Danyljuk zurückgetreten? In den knapp fünf Monaten seiner Amtszeit kam es zwischen Danyljuk und mehreren Mitgliedern von Selenskyjs Team zu Meinungsverschiedenheiten. Er hatte seine eigene Sicht, was einen “Neustart des Präsidialamts”angeht. Es wurde inzwischen auf Vorschlag von Andrij Bohdan, dem Chef des Amts, in ein “Büro des Präsidenten” umbenannt. Danyljuk hatte zudem verlangt, das Personal des Büros müsse bei einem Wettbewerb ausgewählt werden. Bohdan lehnt das aber ab.

Danylyuk beaufsichtigte auch die Reform des staatlichen Rüstungskonzern “Ukroboronprom”. An dessen Spitze steht nun Aivaras Abromavičius, mit dem Danyljuk während der Präsidentschaft von Poroschenko zusammengearbeitet hatte.  Abromavičius war von 2014 bis 2016 Wirtschaftsminister in der Regierung von Arsenij Jazenjuk.

Als Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates sprach sich Danyljuk ferner dafür aus, dem SBU die Befugnis zur Aufklärung von Wirtschaftsverbrechen zu entziehen. Der neue Leiter des Geheimdienstes, Iwan Bakanow, lehnt dies allerdings ab.

Ukrainische Medien berichten unter Berufung auf eigene Quellen, Präsident Selenskyj habe selbst den Namen des Sekretärs des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, Danyljuk, von der Liste der offiziellen Delegationen für seinen USA-Besuch gestrichen. Das sei für Danyljuk der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, so die Medien. Daraufhin habe Danyljuk entschieden, zurückzutreten. Aus dem Umfeld des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates heißt es, Danyljuks Entscheidung gehe auf einen Konflikt mit dem Leiter des Büros des Präsidenten, Andrij Bohdan, zurück.