Ukraine-Besuch von US-Außenminister Antony Blinken: Die wichtigsten Ergebnisse

Am 6. Mai 2021 hat US-Außenminister Antony Blinken die Ukraine besucht. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach mit ihm über die Lage im Donbass, über Nord Stream 2 und die Reformen in der Ukraine. Blinken betonte, dass es wichtig sei, die Korruption zu bekämpfen, um die Reformen in der Ukraine voranzubringen. Darüber hinaus fand ein Treffen des US-Außenministers mit dem Vorsitzenden des ukrainischen Parlaments, Dmytro Rasumkow, sowie den Chefs der Fraktionen statt. Das UCMC hat die wichtigsten Ergebnisse des Besuchs zusammengefasst:

Erstmals hat mit US-Außenminister Antony Blinken ein Vertreter der Administration von US-Präsident Joe Biden die Ukraine besucht. Blinken sicherte der Ukraine die Unterstützung der USA zu, auch bei der Konfrontation mit Russland. Andererseits machte er deutlich, dass Washington mit dem Stand der Reformen und dem Einfluss der Oligarchen in der Ukraine nicht zufrieden sei.

Blinken war nicht zum ersten Mal in der Ukraine. Er hatte verschiedene Positionen unter drei US-Präsidenten inne – unter Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama. Während Obamas Präsidentschaft, als Joe Biden Vizepräsident war, war Blinken Bidens außenpolitischer Berater. Im Jahr 2014, mitten im bewaffneten Konflikt im ukrainischen Donbass, wurde Blinken stellvertretender US-Außenminister.

Blinken war zwischn 2009 und 2017 viele Male in der Ukraine. Er verhandelte mit der damaligen Staatsführung und äußerte sich regelmäßig zur Lage des Landes und zur Politik Russlands gegenüber der Ukraine. Blinken sagte noch 2014 als einer der ersten amerikanischen Diplomaten, die USA würden die Frage prüfen, die Ukraine mit tödlichen Waffen auszustatten, um Kiew im Konflikt mit Russland zu unterstützen.

Einige Monate später, im März 2015, traf sich Blinken während eines Besuchs in Kiew mit hochrangigen Regierungsbeamten und sprach ganz offen mit Journalisten. Damals betonte er, die USA seien “der Zukunft der Ukraine und ihrem Erfolg zutiefst verpflichtet”. “Grenzen dürfen nicht mit Gewalt geändert werden. Wenn wir dies zulassen, wird dies nicht nur hier in Europa, sondern auf der ganzen Welt ein Präzedenzfall sein”, sagte er.

Allein die Tatsache des Besuchs des Außenministers jetzt im Jahr 2021, nach der Verlegung russischer Truppen an die Grenze zur Ukraine, halten Politikwissenschaftlern für sehr wichtig. Denn die Ukraine ist das erste osteuropäische Land, das von einem Vertreter der neuen US-Regierung diesen Ranges besucht wurde.

Blinken traf sich mit wichtigen Vertretern der ukrainischen Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft. Er fand auch Zeit für das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Metropolit Epifanij.

Die öffentlichen Treffen fanden in einer ausdrücklich herzlichen Atmosphäre statt, und Präsident Selenskyj lud sogar seinen amerikanischen Amtskollegen Joe Biden offiziell zu einem Besuch in der Ukraine ein. Gleichzeitig machte der US-Außenminister während der Pressekonferenz, mit der Blinkens Gespräch mit Selenskyj endete, deutlich, dass das derzeitige Reformtempo und die Korruptionsbekämpfung in der Ukraine unzureichend seien.

Treffen mit Außenminister, Abgeordneten und Kirchenoberhaupt. Blinkens Besuch in Kiew begann mit einem Gespräch mit Außenminister Dmytro Kuleba. Nach einem Gespräch im Außenamt legte Blinken zusammen mit seinem ukrainischen Amtskollegen und Metropolit Epifanij Blumen am Denkmal für die im Donbass getöteten Soldaten nieder und besuchte danach die St.-Michael-Kathedrale.

Darüber hinaus erörterte Blinken mit dem Parlamentsvorsitzenden Dmytro Rasumkow und den Fraktionschefs, darunter dem ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko, Fragen der “nationalen Sicherheit und der Bekämpfung der russischen Aggression”.

Laut dem Pressedienst der regierenden Partei “Diener des Volkes” hat Blinken um die Bestätigung von Kristina Kvien als US-Botschafterin in der Ukraine gebeten, die derzeit noch als Chargé d’affaires ad interim in Kiew tätig ist.

Blinkens Treffen mit Präsident Selenskyj. Gegen Mittag begann das Haupttreffen, das Gespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj. Es dauerte ungefähr eine Stunde. Die abschließende Pressekonferenz war kurz, aber die Gesprächspartner versicherten, dass sie eine Vielzahl wichtiger Themen erörtert haben. Vom militärischen Druck Russlands bis zu den Reformen und der weiterer Zusammenarbeit.

Während der Pressekonferenz erklärte Selenskyj unter anderem: “Wir haben nicht nur die Besetzung unserer Gebiete, die illegale Annexion der Krim durch die Russische Föderation, sondern auch das Thema Nord Stream 2 besprochen. Dies ist ein sehr empfindliches Thema für uns. Wir haben auch die Reformen in der Ukraine erörtert, was wir erreicht haben, wo wir noch auf dem Weg sind. Insgesamt war das Treffen inhaltsvoll. Wir denken, dass dieses Jahr ein fundamentales in den Beziehungen zwischen der Ukraine und den USA sein wird.”

Selenskyj und Blinken teilten mit, dass sich die russischen Truppen teilweise von der Grenze zur Ukraine zurückgezogen hätten. Doch dies sei noch unzureichend. “Russland hat die Fähigkeit, in kurzer Zeit aggressiv vorzugehen, wenn es dies will. Wir überwachen Russlands Vorgehen genau”, warnte Blinken und betonte, die USA würden die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine konsequent unterstützen.

Blinken betonte wiederholt, dass Russland nur eine der Bedrohungen für die Zukunft der Ukraine sei. “Die Ukraine steht vor zwei Herausforderungen – einer von außen, von Russland, aber es besteht immer noch eine Bedrohung von innen, und das sind Korruption, Oligarchen und andere Personen, die ihre eigenen Interessen über die des ukrainischen Volkes stellen”, sagte Blinken und fügte hinzu, dass diese beiden Dinge verbunden seien, weil Russland auch Korruption und Einzelpersonen dazu nutze, seine Interessen gegen die Interessen des ukrainischen Volkes durchzusetzen.

Ferner forderte der US-Außenminister weitere Reformen in der Ukraine. Ihm zufolge wurde über die Bedeutung unabhängiger Anti-Korruptions-Institutionen, die Reform der Justiz und des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) gesprochen.

Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Abschließend hielt Blinken ein Online-Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft zu Reformen und zur Korruptionsbekämpfung ab. Das Gespräch war nicht öffentlich, aber anschließend erklärte in sozialen Medien die Exekutivdirektorin des Zentrums zur Korruptionsbekämpfung, Daria Kalenjuk, die an dem Treffen teilnahm, Blinken habe sich erneut unzufrieden über die Situation in der Ukraine geäußert.

“Blinkens Hauptbotschaft lautet: Der Umfang und die Qualität der US-Unterstützung für die Ukraine hängen direkt vom Maß der Reformen im Bereich Gute Regierungsführung und Korruptionsbekämpfung ab. Und der IWF ist ein Indikator für das Maß an Reformen”, so Kalenjuk. Ihr zufolge machte Blinken keinen Hehl aus “seinem Schock” bezüglich der Lage beim ukrainischen staatlichen Energiekonzern Naftogaz, wo die Führung letzte Woche in Umgehung geltender Prozeduren ausgewechselt wurde. “Die Justizreform wird entscheidend sein. Ihr Erfolg hängt von der Beteiligung unabhängiger internationaler Experten an der Säuberung der Selbstverwaltung der Justiz ab”, fügte Kalenjuk hinzu.

Wie bewerten Experten den Besuch? Experten sind sich einig, dass die Tatsache eines solchen Besuchs für die Ukraine sehr wichtig ist. Gleichzeitig sollte er aber nicht überschätzt werden, meint Oleksij Melnyk vom ukrainischen Rasumkow-Forschungszentrum. “Es ist eher ein planmäßiger Besuch. Die neue Administration gewinnt an Dynamik und physische Besuche in wichtigen Ländern und Schlüsselregionen sind ein obligatorischer Bestandteil solcher Prozesse”, erläuterte er.

Der ukrainische Politologe Wolodymyr Fesenko meint, die Erklärungen bezüglich der US-Unterstützung für die Ukraine im Konflikt mit Russland sowie die Forderungen nach Reformen und Bekämpfung der Korruption seien nichts Neues. “Andererseits klingen solche Botschaften, wenn sie persönlich überbracht werden, viel überzeugender”, so der Experte. Er betonte: “Dies ist eine Bestätigung dessen, dass die Ukraine eine der Prioritäten der US-Außenpolitik ist. Es ist auch eine Bestätigung dessen, dass wir in dieser jetzigen schwierigen Konfrontation mit Russland aktiv unterstützt werden.”