Gasstreit zwischen Ukraine und Ungarn, Präsident Selenskyj und die Pandora-Papers, Parlamentschef Rasumkow droht Absetzung und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Am 2. Oktober haben die von Russland unterstützten Rebellen die “Ruhe” im Donbass elfmal gebrochen. Dabei wurde ein ukrainischer Soldat verwundet. Das geht aus dem Morgenbericht vom 3. Oktober 2021 zur Lage im Bereich des Einsatzes der ukrainischen Vereinten Kräfte hervor. 

Es wird darauf hingewiesen, dass die Besatzer dreimal das Feuer mit Waffen eröffneten, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind.

Durch den feindlichen Beschuss erlitt ein ukrainischer Soldat eine Splitterwunde. Er befindet sich in einer medizinischen Einrichtung und sein Zustand ist stabil. “Als Reaktion auf den Beschuss des Feindes eröffneten die ukrainischen Verteidiger das Feuer, ohne Waffen verbotenen Kalibers einzusetzen. Ihnen gelang es, das feindliche Feuer zu beenden”, so die ukrainische Armee.

Streit zwischen der Ukraine und Ungarn über Gastransit

Am 27. September haben die ungarische MVM-Gruppe und der russische Konzern Gazprom einen 15-Jahres-Vertrag (bis 2036) über die Lieferung von russischem Gas unter Umgehung der Ukraine unterzeichnet. Im Rahmen des Vertrags wird Gazprom jährlich 4,5 Milliarden Kubikmeter Gas nach Ungarn liefern: davon 3,5 Milliarden über Serbien (über die Pipeline Turkish Stream) und eine Milliarde über Österreich. Kurz vor der Unterzeichnung erklärte das Außenministerium der Ukraine, es sei überrascht und enttäuscht von der Entscheidung Ungarns, zu Gunsten des Kremls einen Vertrag mit Gazprom über die Lieferung von Gas unter Umgehung der Ukraine zu unterzeichnen.

Daraufhin warf der ungarische Außenminister Peter Szijjarto der Ukraine vor, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Das ungarische Außenministerium bestellte den ukrainischen Botschafter ein und bezeichnete die Haltung Kiews in der Gas-Frage als unfreundlich. Und das Außenministerium der Ukraine bestellte entsprechend den ungarischen Botschafter ein, um ihm die grundsätzliche Position Kiews bezüglich des Gastransports unter Umgehung der Ukraine darzulegen.

Die Europäische Kommission hat angekündigt, die Folgen des langfristigen Vertrags zwischen der MVM-Gruppe und Gazprom zu untersuchen.

Am 1. Oktober um 7 Uhr morgens wurde der Transit von Erdgas über das Territorium der Ukraine in Richtung Ungarn gestoppt. Anträge auf einen Gastransit seien nicht eingegangen, obwohl per Vertrag eine Liefer-Kapazität aus der Ukraine in Richtung Ungarn für das gesamte Gas-Jahr (vom 01.10.2021 bis 30.09.2022) in Höhe von 24,6 Millionen Kubikmeter pro Tag vorgesehen seien, so der Pressedienst des Betreibers des ukrainischen Gasfernleitungsnetzes.

Ebenfalls am 1. Oktober trat ein neuer Vertrag zwischen Ungarn und Russland über den Transport von Erdgas in Höhe von 4,5 Milliarden Kubikmetern pro Jahr in Kraft. Da der Import von Erdgas aus Ungarn in einem virtuellen Reverse erfolgte, gibt es keine Möglichkeiten für den Import aus Ungarn ohne Transit, heißt es in der Meldung.

“Ungarn erhält seit Jahrzehnten Gas über die Ukraine, und die ukrainische Seite hat ihre Verpflichtungen nie verletzt. Darüber hinaus ist die ukrainische Route die kostengünstigste, da sie der kürzeste Weg ist, um Ungarn mit Gas zu versorgen, wie das Handelsvolumen zwischen den Unternehmen beider Länder in den letzten Jahren belegt. Die Monopolisierung der Gas-Routen durch Gazprom, die wir derzeit erleben, wirft die Frage auf, ob die grundlegenden Prinzipien von Wettbewerbsfähigkeit und Transparenz der EU-Gasmärkte noch funktionieren. Die Stärkung der marktbeherrschenden Stellung eines Akteurs, der seinen Einfluss für offensichtliche politische Zwecke ausnutzt, muss vor dem Hintergrund des schockierenden Anstiegs der Gaspreise in Europa gestoppt werden”, erklärte Serhij Makohon, Generaldirektor des Betreibers des ukrainischen Gasfernleitungsnetzes.

Pandora Papers: Selenskyjs versteckte Offshores und Verbindungen zu Kolomojskyj

Hunderte investigativer Journalisten aus der ganzen Welt haben im Laufe des Jahres Millionen vertraulicher Akten untersucht, darunter Informationen über Wolodymyr Selenskyj und andere ukrainische Politiker. Was sie genau herausgefunden haben, berichtet der ukrainische Sender “Hromadske”. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden von Journalisten von “slidstvo.info”, die sich an der Untersuchung beteiligten, in einem Video und auf der Websiteveröffentlicht.

Was sind die Pandora-Papers? Sie sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit von mehr als 600 investigativen Journalisten aus 117 Ländern, die im Laufe des Jahres 11,9 Millionen Akten untersucht haben – das größte Leck vertraulicher Dokumente in der Geschichte.

Den Journalisten zufolge werden Geheimnisse von 35 aktuellen und ehemaligen Staats- und Regierungschefs, von mehr als 330 Beamten in 90 Ländern, von Künstlern und Mördern enthüllt. Auch ukrainische Journalisten von “slidstvo.info” beteiligten sich an der Untersuchung dieser Akten. In den Dokumenten finden sich Informationen über ukrainische Oligarchen sowie ehemalige und aktuelle Beamte. Insgesamt sind 1500 Ukrainer in den Pandora-Papers zu finden.

Verbindungen zwischen Selenskyj und Kolomojskyj. Die Journalisten erklärten, sie könnten die Informationen teilweise bestätigen, wonach Offshore-Firmen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und von Personen aus seinem Umfeld seit 2012 rund 40 Millionen US-Dollar von Unternehmen erhalten haben, die mit dem Oligarchen Ihor Kolomojskyj in Verbindung gebracht werden. Die Dokumente würden zeigen, dass aus dem Umfeld von Selenskyjs Film- und TV-Produktionsfirma “Kvartal 95” im Jahr 2012 über ein Dutzend Offshore-Firmen angemeldet wurden.

Zu ihren Besitzern gehören neben Selenskyj die Brüder Serhij und Borys Schefir. Kolomojskyjs Unternehmen zahlten formell 40 Millionen US-Dollar als Einlage zum Genehmigten Kapital ein. Gleichzeitig stehen die Unternehmen des Oligarchen im Verdacht, Milliarden aus der inzwischen verstaatlichten “PrivatBank” des Oligarchen gewaschen zu haben.

Ferner wurde das Geld nach Angaben von “slidstvo.info” über die zyprische Filiale der “PrivatBank” überwiesen – dieselbe, über die der Oligarch Millionenbeträge waschen konnte. Die neuen Dokumente zeigen, dass mindestens eine führende Person von “Kvartal 95” ein Konto bei dieser Bank hatte. Das heißt, dass die Offshore-Firmen von Selenskyj auch Teil der Geldwäsche-Geschichte sein könnten.

Reaktion der Generalstaatsanwältin der Ukraine. Iryna Wenediktowa erklärte, die Veröffentlichungen aus den Pandora-Papers, in denen hochrangige ukrainische Beamte vorkommen, seien für die ukrainischen Ermittler “keine Überraschung”. Sie erklärte, das bekannt gewordene Material liege dem Nationalen Büro für Korruptionsbekämpfung (NABU) längst vor und werde mikroskopisch genau untersucht.

Ukrainischem Parlamentschef Rasumkow droht Absetzung

Wie am 2. Oktober bekannt wurde, haben Abgeordnete der regierenden Partei “Diener des Volkes” 150 Unterschriften gesammelt, um eine Absetzung des Vorsitzenden des ukrainischen Parlaments, Dmytro Rasumkow, zu erwirken. Jetzt müssen mindestens 226 Abgeordnete für seine Absetzung stimmen. Fraktionssprecherin Julia Palijtschuk sagte, die Partei “Diener des Volkes” habe sich vorgenommen, das Verfahren am 4. Oktober einzuleiten. Zuvor hatte Rasumkow erklärt, er werde nicht zurücktreten, sich aber auch nicht an den Posten klammern.

Die Gründe für die mögliche Absetzung. Das Präsidialamt und die Fraktion “Diener des Volkes” haben den Parlamentschef immer wieder kritisiert. Insbesondere sagte der Vorsitzende des Steuer-Ausschusses Danylo Hetmanzew, ihm sei unklar, welche Haltung Rasumkow zum Anti-Oligarchen-Gesetz einnehme.

Und der Präsidentenberater Mychajlo Podoljak erklärte, Rasumkow würde wichtige Initiativen des Staatsoberhaupts offen bremsen. Seine Kritik betrifft ebenfalls das Anti-Oligarchen-Gesetz. Rasumkows Vorgehen gegen das Dokument werde von der Partei “Diener des Volkes” als unfreundlich empfunden. Rasumkow hatte den Gesetzentwurf an die Venedig-Kommission geschickt, obwohl Fraktionschef Dawyd Arachamija darum gebeten hatte, dies nicht zu tun. Ferner habe Rasumkow eine Änderung vorgenommen, die der Position des zuständigen Ausschusses widersprach.

Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich am 2. Oktober zu einer möglichen Absetzung Rasumkows. Der Präsident sagte, dies sei eine “fraktionsinterne Sache” und beschuldigte Rasumkow, diese öffentlich gemacht zu haben. “Wir leben in einer Demokratie. Wenn man andere Ansichten vertritt, als die 73 % der Menschen, die für dieses Regierungsprogramm gestimmt haben, dann ist das nichts Ungewöhnliches, bedeutet aber, dass man dann ein Privatleben führt”, so Selenskyj.

Parlamentswahlen in Russland: Folgen für die Ukraine

Zu den wichtigsten Herausforderungen und Problemen der Ukraine infolge der Parlamentswahlen in Russland gibt es eine neue Infografik der Hybrid Warfare Analytical Group (HWAG) des Ukraine Crisis Media Center (UCMC) in englischer Sprache: Russia’s Parliamentary “Elections”: Consequences for Ukraine

Russland und Belarus: Militärübungen “Westen 2021” 

Die Hybrid Warfare Analytical Group (HWAG) des Ukraine Crisis Media Center (UCMC) hat eine neue Infografik zu den gemeinsamen Militärmanövern von Russland und Belarus “Westen 2021” in englischer Sprache erarbeitet: Zapad 2021 Military Exercises

Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft

Die Situation mit der Ausbreitung des Coronavirus in der Ukraine verschlechtert sich weiterhin rapide. Am 30. September wurde das Coronavirus in der Ukraine bei 12.034 Menschen nachgewiesen, 172 Todesfälle wurden registriert und 3264 Patienten sind genesen.

Am vergangenen Wochenende fielen die Zahlen niedriger aus: Am 3. Oktober wurden in der Ukraine 4.821 Neuinfektionen und 114 Todesfälle registriert, 2092 Menschen wurden mit COVID-19 oder dem Verdacht darauf ins Krankenhaus eingeliefert und 1116 Menschen sind genesen.

Während der gesamten Pandemie wurde das Coronavirus in der Ukraine bei 2.460.010 Menschen nachgewiesen, von denen 2.264.523 genesen und 56.889 gestorben sind.