Geiselnahmen und Angriffe auf Aktivisten: Bilanz der Woche

Letzte Woche haben die Ukraine mehrere Nachrichten erschüttert: Zwei Geiselnahmen und mindestens zwei Angriffe auf Aktivisten – einer davon mit tödlichem Ausgang. Einzelheiten vom Ukraine Crisis Media Center (UCMC):

Angriffe auf Aktivisten

Am 22. Juli wurde der bekannte ukrainische Freiwillige Oleksij Kutschapin tot aufgefunden. Der Leiter des “Hauses der Barmherzigkeit” kümmerte sich um Obdachlose. Kutschapin wurde bereits seit dem 16. Juli vermisst. Von seine Familie hieß es, Kutschapin sei in die Stadt Dnipro gefahren. Seine Leiche wurde aber in einer Mietwohnung für Obdachlose in Kiew gefunden. Kutschapins Freunde sind überzeugt, dass er getötet wurde. Er habe Drohungen erhalten und außerdem sei das Sofa, das angeblich vom Tatort entfernt worden war, blutverschmiert gewesen. Doch die Polizei geht eines natürlichen Todes des Mannes aus. Nach wie vor gibt es in diesem Fall keine Klarheit.

Am 24. Juli demonstrierten mehrere Dutzend Menschen vor dem Gebäude des Innenministeriums. Sie forderten eine Untersuchung der Todesumstände von Oleksij Kutschapin.

Ein weiterer Angriff auf einen Aktivisten ereignete sich in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli. Unbekannte hatten das Haus von Vitalij Schabunin, des Leiters des “Zentrums zur Korruptionsbekämpfung”, in Brand gesteckt. Menschen kamen nicht zu Schaden, es entstand aber Sachschaden. Diesen zeigte Schabunin Journalisten und erklärte dabei: “Wir möchten noch einmal darauf hinweisen, dass die Behörden nicht in der Lage sind, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu schützen.” Die Ereignisse seien für ihn ein Ansporn, noch mehr zu arbeiten, so Schabunin.

Das “Zentrum zur Korruptionsbekämpfung” ist eine Nichtregierungsorganisation, die von Vitalij Schabunin und Daria Kalenjuk gegründet wurde. Die Organisation hat wiederholt Korruption auf höchster Ebene angeprangert und öffentliche Aktionen durchgeführt. Sie leistet Beratung bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen und setzt sich für die Rückführung von Vermögenswerten ein, die durch korrupte Machenschaften unterschlagen wurden.

Erklärung des UCMC. Das Ukraine Crisis Media Center hat vor dem Hintergrund dieser Ereignisse eine Erklärung veröffentlicht. Darin heißt es: “Wir sind davon überzeugt, dass diese Fälle auf wachsende Probleme im Land hindeuten. Aktivisten fällt es in letzter Zeit immer schwerer, ihrer gesellschaftlich wichtigen Arbeit nachzugehen. Straflosigkeit motiviert und fördert zunehmende Aggressionen. Das Fehlen einer sofortigen Untersuchung und einer fairen Bestrafung führt zu Misstrauen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Wir fordern ein Ende der Eskalation der Gewalt gegen Aktivisten der Zivilgesellschaft und fordern von den Behörden eine klare und rasche Reaktion.”

Terror und Geiselnahmen

Passagiere in Luzk als Geiseln. Am Morgen des 21. Juli brachte in der Stadt Luzk ein bewaffneter Mann einen Bus in seine Gewalt. Er befahl dem Fahrer, zum zentralen Theaterplatz zu fahren. Etwa 13 Menschen nahm er dabei als Geiseln. Der Täter gab an, Waffen und Sprengstoff bei sich zu haben. Er beklagte sich über das “bestehende System in der Ukraine” und gab Schüsse auf die Polizei ab. Am Abend ließ er eine ältere Frau, einen Teenager und eine schwangere junge Frau frei.

Der Geiselnehmer ist der 44-jährige mehrfach vorbestrafte Maxim Krywosch, der unter anderem in sozialen Medien unter dem Pseudonym “Plochoj” auftritt. Der Mann forderte, Richter und Staatsanwälte, Minister bis hin zum Premierminister, sollten sich alle als “Terroristen” bezeichnen.

Zudem verlangte Krywosch von Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Videobotschaft mit folgenden Worten: “Alle müssen sich den Film Earthlings aus dem Jahr 2005 ansehen”. Selenskyj kam der Forderung nach, worauf sich der Täter ergab. Die Behörden leiteten ein Strafverfahren wegen Geiselnahme und Terrorismus ein. Krywosch drohen zwischen sieben und 15 Jahren Haft. Auch ist lebenslanger Freiheitsentzug nicht ausgeschlossen.

Polizisten in Poltawa als Geiseln. Am Morgen des 23. Juli hatte in Poltawa die Polizei versucht, einen Mann wegen Autodiebstahls festzunehmen. Der Verdächtige heißt Roman Skrypnyk. Er ist bereits wegen geringfügigen Diebstahls, Betrugs und Drogenbesitzes vorbestraft.  Bei der Festnahme begann er sich zu wehren, holte eine Granate hervor und nahm einen Polizisten als Geisel. Er drohte, sich und die Geisel in die Luft zu jagen, sollte er nicht freigelassen werden. 

Nach Verhandlungen wurde der Polizist durch den Chef der Kriminalpolizei Vitalij Schyjan ausgetauscht. Dem Täter wurde ein Auto zur Verfügung gestellt, mit dem er zusammen mit der Geisel die Stadt verließen. Am Nachmittag ließ der Täter den Beamten frei.

Seitdem versteckt er sich in einem Waldgebiet in der Region Poltawa. Zahlreiche Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen der Polizei, von Behörden und der Nationalgarde suchen nach ihm. Im Einsatz sind Flugzeuge und andere Spezialausrüstung sowie Spürhunde. Die Koordination hat ein Stab aus Polizei, Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) und Staatsanwaltschaft übernommen.