Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine
Die Lage im Kampfgebiet im Donbass ist angespannt, aber unter Kontrolle. Am 13. Februar haben die von Russland unterstützten Rebellen den Waffenstillstand sechsmal verletzt, einmal mit Waffen, die durch die Vereinbarungen von Minsk verboten sind. Unter den ukrainischen Soldaten gab es keine Verluste.
Selenskyj spricht mit Biden über Sicherheitsgarantien und lädt ihn in die Ukraine ein
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Joe Biden haben ein Telefongespräch geführt, angesichts der Gefahr einer weiteren Aggression Russlands gegen die Ukraine. In einer Erklärung von ukrainischer Seite heißt es, die Präsidenten hätten Informationen und Einschätzungen ausgetauscht und Wege zur Deeskalation besprochen.
Selenskyj versicherte, die Ukraine sei sich der aktuellen Risiken bewusst und auf “jede Entwicklung der Situation” vorbereitet. Er merkte an, dass das Land die Unterstützung der USA und anderer Partner spüre, und hoffe, dass dies dazu beitragen werde, Panik zu verhindern. Selenskyj betonte, dass “wirksame Sicherheitsgarantien” für die Ukraine wichtig seien. Er stellte fest, dass ohne die Sicherheit der Ukraine es keine Sicherheit in Europa gebe. “Wir sind bereit, über sie in verschiedenen Formaten zu diskutieren”, sagte er.
Zudem lud Selenskyj Biden ein, in den kommenden Tagen in die Ukraine zu kommen. “Ich bin überzeugt, dass Ihre Ankunft in Kiew in den kommenden Tagen, die für die Stabilisierung der Lage entscheidend sein werden, ein starkes Signal wäre und zur Deeskalation beitragen würde”, so der ukrainische Präsident. Von amerikanischer Seite wurde die Möglichkeit eines Besuchs Bidens in der Ukraine nicht erwähnt.
Die beiden Präsidenten sprachen auch über Sanktionen gegen Russland, sollte Moskau seine Aggression gegen die Ukraine eskalieren. Sie sprachen auch vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen über eine Stabilisierung des ukrainischen Finanz- und Energiewesens. Am 12. Februar hatte US-Präsident Biden mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen.
Treffen Selenskyj-Scholz: Donbass-Gesetzentwürfe und NATO-Kurs
Bundeskanzler Olaf Scholz ist am 14. Februar nach Kyjiw gereist, inmitten größter internationaler Spannungen angesichts einer weiteren drohenden russischen Militäroperation gegen die Ukraine. Dort sprach er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Am 15. Februar reist Scholz nach Moskau, um sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen. Diesen will Scholz vor schweren wirtschaftlichen Folgen warnen, sollte es eine weitere Invasion Moskaus in die Ukraine geben.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba nannte Scholz’ Besuch in Kiew “äußerst wichtig”, berichtet die ukrainische Zeitung “NW”. “Wir haben keine allzu großen Erwartungen, aber dies wird das erste lange sachliche Gespräch zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem Präsidenten der Ukraine sein, bei dem sie ihre Positionen wirklich synchronisieren, mit denen dann der Bundeskanzler nach Moskau reisen wird”, erklärte Kuleba vor der Ankunft von Scholz. Das ukrainische Präsidialamt hatte zuvor die Hoffnung geäußert, der Besuch von Olaf Scholz werde “inhaltsvoll” sein und Deutschland werde weiterhin eine Schlüsselrolle dabei spielen, eine friedliche Lösung der Krise zu erreichen.
Die Verhandlungen zwischen Scholz und Selenskyj dauerten mehr als zwei Stunden. Die wichtigsten Ergebnisse aus der Pressekonferenz nach den Gesprächen:
Ukraine und NATO: Der ukrainische Präsident bekräftigte den NATO-Kurs seines Landes. “Wir würden gerne der NATO beitreten und damit unsere Sicherheit, unsere territoriale Integrität gewährleisten, die auch im ukrainischen Recht verankert ist”, erinnerte Selenskyj. Wenn alles von der Ukraine abhängen würde, würde ein NATO-Beitritt seiner Meinung nach schneller stattfinden. Der ukrainische Staatschef betonte, dass trotzdem die Entscheidung über den strategischen Kurs in Richtung EU und NATO weiterhin von der Ukraine und nicht von westlichen Partnern getroffen werde. “Niemand weiß, wann wir dort sein werden, nicht nur die Ukraine, sondern auch einige NATO-Mitglieder. Ich denke, dass wir den eingeschlagenen Weg weitergehen müssen. Aber die Hauptsache auf diesem Weg ist, eine starke Armee zu haben”, so Selenskyj.
Scholz erklärte in diesem Zusammenhang: “Die Frage von Mitgliedschaften in Bündnissen steht ja praktisch gar nicht an, und deshalb ist es schon etwas eigenwillig zu beobachten, dass die russische Regierung etwas, das praktisch nicht auf der Tagesordnung steht, zum Gegenstand großer politischer Problematiken macht.”
Gesetz über einen Sonderstatus und Kommunalwahlen im Donbass: Bundeskanzler Scholz erklärte: “Der Präsident hat mir in unseren Gesprächen versichert, die Gesetzentwürfe zum Sonderstatus, zur Verfassungsänderung und zum Wahlrecht zur Verfügung zu stellen für die Gespräche im Minsker Format.” Scholz sagte, zusammen mit Frankreich seien die Bemühungen im Normandie-Format intensiviert worden. Der Bundeskanzler betonte, dass er und Präsident Selenskyj sich darin einig seien, dass dieses Format für die Gespräche mit Russland bedeutend sei.
Kredite: Olaf Scholz kündigte in Kyjiw eine beschleunigte Auszahlung eines Kredits an die Ukraine über 150 Millionen Euro an sowie einen weiteren in selber Höhe.
Nord Stream 2: Selenskyj stellte fest, bezüglich des Nord-Stream-Projekts bestünden Meinungsverschiedenheiten mit Scholz. “Wir haben die Sicherheitsrisiken von Nord Stream 2 besprochen. Und hier haben wir einige Unterschiede in der Bewertung. Ich habe daran erinnert, dass unsere Position unverändert ist, dass wir Nord Stream 2 heute ausschließlich durch das Prisma der Energie- und Sicherheitsbedrohungen für uns und die Region betrachten. Uns ist klar, dass dies eine geopolitische Waffe ist, und deshalb braucht die Ukraine Energie- und Sicherheitsgarantien”, sagte der Präsident der Ukraine.
Ukraine beruft OSZE-Treffen wegen russischer Truppen an ihren Grenzen ein
Die Ukraine beruft ein Treffen mit Russland und allen OSZE-Teilnehmerstaaten ein, da sie von Moskau keine Antwort auf ein Ersuchen nach dem Mechanismus zur Risikominderung angesichts der Manöver russischer Streitkräfte erhalten hat. Dies erklärte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba.
“Russland hat auf unser Ersuchen gemäß dem Wiener Dokument nicht reagiert. Wir unternehmen nun den nächsten Schritt. Die Ukraine beruft innerhalb der nächsten 48 Stunden ein Treffen mit Russland und allen Mitgliedstaaten ein, um über die Verstärkung und Verlegung russischer Truppen entlang unserer Grenzen und auf der vorübergehend besetzten Krim zu erörtern”, so Kuleba am Abend des 13. Februar.
Der Außenminister fügte hinzu, wenn Russland seine Worte bezüglich der Unteilbarkeit der Sicherheit im OSZE-Gebiet ernst nehme, müsse es seiner Verpflichtung zu militärischer Transparenz nachkommen, um Spannungen abzubauen und die Sicherheit für alle Mitgliedstaaten zu stärken.
Nach Berichten von “Radio Liberty” soll inzwischen allerdings eine russische Antwort auf das ukrainische Ersuchen vorliegen. Demnach heißt es aus dem Kreml, Russland unternehme keine ungewöhnlichen militärische Aktivitäten und das Ersuchen der Ukraine gemäß dem Wiener Dokument sei “inakzeptabel”. Das Außenministerium der Ukraine hat sich dazu noch nicht geäußert. Dmytro Kuleba hatte zuvor darauf hingewiesen, dass ein Treffen nicht nur bei Ausbleiben einer Antwort, sondern auch bei unzureichenden oder unzureichenden Informationen einberufen werden könne.
Die Ukraine hatte am 11. Februar den Mechanismus zur Risikominderung aktiviert und Russland sollte innerhalb von 48 Stunden reagieren. Am 9. Februar hatten die baltischen Staaten den Mechanismus gemäß dem Wiener Dokument der OSZE aktiviert und aufgrund der großangelegten belarussisch-russischen Militärübungen an Minsk appelliert.
Diplomaten, OSZE-Beobachter und Militärausbilder verlassen die Ukraine, aber auch Oligarchen
In den vergangenen Tagen haben mehrere europäische Länder ihren Bürgern geraten, die Ukraine zu verlassen, und mit der Evakuierung ihrer Botschaften begonnen. So haben das Vereinigte Königreich, Lettland, Dänemark, Finnland und Norwegen ihren Bürgern empfohlen, die Ukraine zu verlassen. Später rieten auch Italien, Schweden und die Tschechische Republik ihren Bürgern wegen der drohenden militärischen Eskalation, auszureisen. Auch Deutschland legte seinen Bürgern nahe, die Ukraine zu verlassen. Frankreich hat seine Bürger noch nicht aufgefordert, angesichts von Berichten über eine drohende russische Invasion auszureisen, rät jedoch, Reisen in die Ukraine zu verschieben und sich mit Lebensmitteln und Wasser einzudecken. Die französische Botschaft hat bisher keine Evakuierung angekündigt.
Mehrere Botschaften werden nach Lwiw evakuiert. Wie am 13. Februar bekannt wurde, wird die US-Botschaft von Kyjiw nach Lwiw evakuiert. Auch Kanada verlegt seine Botschaft vorübergehend nach Lwiw. Die kanadische Außenministerin Melanie Joly hatte zuvor mitgeteilt, die kanadische Botschaft in der Ukraine werde wegen der russischen Bedrohung vorübergehend in Lwiw arbeiten. Unterdessen evakuiert Japan fast sein gesamtes Botschaftspersonal. Das japanische Außenministerium stellt fest, dass nach der Evakuierung die japanische Botschaft in Kyjiw nur begrenzte Funktionen ausüben werde.
Ausländische Militärausbilder. Kanada verlegt seine Militärausbilder aus der Ukraine in andere europäische Länder. Auch die USA ziehen Angehörige der US-Nationalgarde sowie Militärausbilder aus der Ukraine ab. Militärausbilder aus Großbritannien verlassen ebenfalls die Ukraine.
OSZE-Sonderbeobachtungsmission. Einige OSZE-Teilnehmerstaaten ziehen ihre Vertreter aus der Ukraine ab. Die OSZE-Sonderbeobachtungsmission teilt jedoch nicht mit, welche Staaten beschlossen haben, ihre Vertreter aus der Ukraine abzuberufen.
Wer bleibt? Der EU-Botschafter in der Ukraine, Matti Maasikas, wird in Kyjiw bleiben. Einige Mitarbeiter der Vertretung durften aber abreisen. Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, sagte, dass die diplomatischen Vertretungen der EU in Kyjiw nicht geschlossen würden. Auch die britische Botschafterin bleibt mit einem kleinen Team in Kyjiw. Die deutsche Botschaft wird ebenfalls ihre Arbeit in Kyjiw fortsetzen, trotz der Empfehlung an deutsche Staatsbürger, die Ukraine angesichts von Informationen über Vorbereitungen für eine russische Invasion zu verlassen.
Ukrainische Oligarchen reisen aus. Ukrainische Oligarchen und Geschäftsleute verlassen die Ukraine mit Charterflügen. Laut ukrainischen Medien sind allein am 13. Februar etwa 20 Charter- und Privatflugzeuge von Kyjiw gestartet. Einige der Geschäftsleute behaupten, sie seien auf Geschäftsreise und würden bald zurückkehren.
Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft
Am 13. Februar wurden in der Ukraine 16.993 neue Fälle von Coronavirus-Erkrankungen registriert. 142 Menschen starben an Komplikationen und 9338 wurden als genesen gemeldet. Mit 142 Todesfällen belegt die Ukraine den 11. Platz weltweit und den 3. Platz in Europa nach Russland und Italien.
Seit Beginn der Pandemie wurden in der Ukraine 4,5 Millionen Fälle von COVID-19 entdeckt. Davon starben 102.950 Menschen an den Folgen der Krankheit, und mehr als 3,7 Millionen sind inzwischen genesen.