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Ukraine in Flammen: Großbrände entlang der Front

Seit dem 1. Oktober bekämpfen ukrainische Rettungskräfte massive Waldbrände in der Region Luhansk. Verschiedenen Quellen zufolge sind durch die Brände neun bis elf Menschen ums Leben gekommen. Das Feuer hat über 13.000 Hektar entlang der Trennlinie zur sogenannten “Luhansker Volksrepublik” erfasst. Was sind die Ursachen für das Feuer? War es Brandstiftung? Wie entwickelt sich die Lage?

Am Morgen des 2. Oktober war die Lage in der Gegend von Stanyzja Luhanska bis Sewerodonezk am gefährlichsten, wo das Feuer mehr als 30 Ortschaften bedroht. Das meldet der ukrainische Staatliche Katastrophenschutzdienst. Das Feuer hat bereits über 250 Häuser beschädigt. Die Situation wird durch starken Wind verschärft.

Die Brände haben Wälder in den Bezirken Nowoajdarsk, Starobilsk, Popasne und Stanyzja Luhanska erfasst. Sie alle befinden sich in der Nähe des Einsatzgebietes der ukrainischen Vereinten Kräfte. Hunderte von Menschen wurden aus dem Epizentrum der Katastrophe evakuiert und 17 ins Krankenhaus eingeliefert. Die Generalstaatsanwaltschaft meldete am Abend des 1. Oktober elf Tote, der Katastrophenschutz am Morgen des 2. Oktober hingegen neun Todesfälle.

Übergangsstelle geschlossen. Aufgrund der Brände musste am 1. Oktober der Kontrollpunkt Stanyzja Luhanska geschlossen werden. Das Feuer erfasste den Kontrollpunkt selbst, mehrere Straßen der Ortschaft und erreichte den von Minen gesäumten Straßenrand in der Nähe dieses Kontrollpunkts, wodurch es zu Explosionen kam. Der Kontrollpunkt soll mit der Zeit vollständig wiederhergestellt werden. Das Feuer tobte auch in der Nähe einer Fabrik für Antiseptika, wo 30 Tonnen Alkohol lagern. Es erreichte auch eine Pumpstation, wo sich 280 Kilogramm Chlor befinden. Dort konnte das Feuer aber gelöscht werden.

Wer ist schuld? Am 1. Oktober hieß es seitens der ukrainischen Vereinten Kräfte, die Brände seien das Ergebnis “absichtlicher bewaffneter Provokationen seitens der russischen Besatzungstruppen”. Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow schloss Brandstiftung nicht aus. Die Polizei hat bereits eine Reihe von Strafverfahren eingeleitet. Insgesamt werden vier Ursachen untersucht, die die Katastrophe ausgelöst haben könnten: Von einer Selbstentzündung von Gras und Wald aufgrund der Wetterbedingungen bis hin zur Ausbreitung des Feuers durch Beschuss seitens der prorussischen Rebellen.

Die lokalen Behörden vermuten, dass das Feuer durch Aktionen der Verbände der sogenannten “Luhansker Volksrepublik” ausgebrochen ist. “Manche denken, dass es bei uns ruhig und friedlich ist und dass es hier gar keinen Krieg gibt. Sie glauben sogar, dass man sicher Wahlen durchführen könne. Aber seit sechs Jahren, jedes Mal wenn starker Wind weht, bricht in der Gegend Feuer aus”, heißt es seitens der Behörden von Stanyzja Luhanska auf Facebook. Normalerweise würden sie am Ufer des Flusses Siwerskyj Donez oder in der Nähe durch Beschuss mit Minen beginnen. Entlang des Flusses verläuft in dieser Gegend die Frontlinie zur selbsternannten “Luhansker Volksrepublik”. Die Behörden von Stanyzja Luhanska machen auch darauf aufmerksam, dass “seltsamerweise” in der Nähe mehrerer Dörfer gleichzeitig Brände aufgetreten seien.

Die ukrainische regionale zivil-militärische Verwaltung von Luhansk hat mit den Verbänden der sogenannten “Luhansker Volksrepublik” eine Ruhe vereinbart, die den Einsatz von Löschflugzeugen ermöglicht. Im Einsatz sind zwei Flugzeuge und ein Hubschrauber. Gleichzeitig verhindert aber Rauch den Einsatz von Drohnen, um das Feuer zu beobachten. Ferner stellten Grenzschutzbeamte fest, dass das Feuer von Explosionen begleitet wurde, die auf die Detonation von Munition an der Front hinweisen könnten.

Brände in der Ukraine zunehmend ein Problem

Neben der offensichtlichen Gefahr von Bränden an vorderster Front wurde in diesem Jahr in der Ukraine eine Rekordzahl von Bränden registriert, die hauptsächlich in den Regionen Ost und Süd auftreten. Aufgrund der unerfreulichen Folgen der Brände für das Ökosystem und ihrer raschen Zunahme in diesem Jahr hat das Ukraine Crisis Media Center (UCMC) eine Expertendiskussion zu diesem Thema durchgeführt.

2020: Steigende Zahlen. Laut Serhij Sibzew von der ukrainischen Nationalen Universität für Lebens- und Umweltwissenschaften (NUBiP) gab es in der Ukraine jedes Jahr Brände auf rund 5000 bis 7000 Hektar Wald. Doch in diesem Jahr seien es mindestens 120.000 Hektar. Das Ausmaß von Bränden auf landwirtschaftlichen Flächen ist allerdings nahezu unverändert. In der Ukraine brennen jedes Jahr 500.000 bis eine Million Hektar Ackerland. Durch die vielen Brände in Wäldern und Feldern im Jahr 2020 sind noch vor den aktuellen Bränden entlang der Front sieben Menschen ums Leben gekommen und 27 wurden verletzt.

Hauptgründe für die Zunahme von Bränden in der Ukraine. Während der Diskussion im UCMC betonte der Parlamentsabgeordnete Oleksandr Marikowskyj, dass letztendlich Menschen durch Fehlverhalten zu Großbränden beitragen würden. Weitere Gründe seien die globale Erwärmung, fehlende Niederschläge und mangelnde Verhütung solcher Brände.

Jewhenija Sasjadko von der NGO “EcoDia”, sagte während der Diskussion beim UCMC: “In den letzten 30 Jahren ist die Durchschnittstemperatur in der Ukraine um 1,2 Grad gestiegen. Dies birgt die Gefahr von Bränden, Dürren und sogar Wüstenbildung.”

Was muss getan werden? Oleksandr Schust vom ukrainischen Ministerium für Umweltschutz und natürliche Ressourcen berichtete im UCMC über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zu diesem Thema: “Das Ministerium sieht diesem Problem nicht tatenlos zu. Wir habe eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die eine Strategie gegen Landschaftsbrände entwickelt.”

Auch die Zivilgesellschaft ist aktiv an der Entwicklung von Ideen beteiligt. Jewhenija Sasjadko sagte während der Diskussion, dass ihre Organisation einen Fahrplan für Klimaschutzmaßnahmen mit vorbereitet habe: “Wir haben Klimaziele für fünf Sektoren entwickelt, in denen wir Ziele festgelegt haben, die zu einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der Ukraine führen. Mehr als 30 NGOs haben diese Ziele unterstützt, und mehr als 30 Experten waren an der Erstellung dieses Dokuments beteiligt.”