Im Vorfeld des 7. Jahrestages der Revolution der Würde hat der ukrainische Think Tank “Nowa Jewropa” (Neues Europa) die Ergebnisse einer neuen Umfrage zur öffentlichen Meinung über die Ukraine in vier europäischen Ländern, darunter Frankreich, Deutschland, Polen und Italien vorgestellt. Am 18. November 2020 wurde die Studie unter Beteiligung von Diplomaten vorgestellt, darunter des französischen Botschaftern in der Ukraine, Etienne de Poncins, des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, des ukrainischen Botschafters in Polen, Andrij Deschtschyzja, unddes Gesandten-Botschaftsrats der ukrainischen Botschaft in Italien, Dmytro Wolownyk. Hier nun Einzelheiten aus der Studie in ukrainischer Sprache:
Die Umfrage sollte herausfinden, welcher Meinung über die Ukraine die Öffentlichkeit in vier europäischen Ländern ist: in Deutschland, Frankreich, Italien und Polen – und mit was am häufigsten die Ukraine dort in Verbindung gebracht wird. Darüber hinaus aktualisiert die Umfrage die Ergebnisse einer ähnlichen Umfrage aus dem Jahr 2015, was einen Vergleich zwischen 2015 und 2020 erlaubt. Dies wiederum zeigt die Veränderungen in der öffentlichen Meinung über die Ukraine, aber auch die wichtigsten Tendenzen.
Methodik der Umfrage. Die Meinungsumfrage wurde in Frankreich, Deutschland, Italien und Polen von der Agentur “Kantar Profiles Division” im Auftrag des Zentrums “Nowa Jewropa” durchgeführt. Insgesamt beantworteten mehr als 4000 Befragte im Alter von 18 bis 65 Jahren sechs Fragen, darunter eine offene. Die Befragten in jedem Land wurden so ausgewählt, dass sie unterschiedliche Gruppen nach Geschlecht, Alter und Wohnort proportional repräsentieren. Die Antworten wurden im Rahmen einer Online-Umfrage vom 22. bis 29. September 2020 gesammelt.
Die 10 wichtigsten Ergebnisse der Studie
Die Ukraine wird deutlich weniger mit Krieg verbunden. Sowohl 2015 als auch 2020 wird die Ukraine weitgehend mit Krieg in Verbindung gebracht, aber heute deutlich weniger als 2015. Damals waren es 49% der Befragten, während die Zahl im Jahr 2020 auf 12% gesunken ist.
Die Ukraine wird zunehmend mit Einwanderern verbunden. Im Jahr 2015 war die Anzahl derer, die die Ukraine mit Einwanderern in Verbindung brachten, unbedeutend. 2020 ist dies bereits die am dritthäufigste genannte Antwort, die von 10,3% der Befragten gegeben wurde. Dies deutet auf eine zunehmende Migration aus der Ukraine von Menschen hin, die in der EU einen besseren Job suchen.
Negative Assoziationen mit der Ukraine überwiegen. Die meisten Befragten bringen negative Dinge mit der Ukraine in Verbindung. Die zehn am häufigsten genannten Dinge sind negativ (Krieg, Armut, Einwanderung), und diese Tendenz ist in allen Ländern zu beobachten. Am häufigsten wird der Krieg und Konflikt mit Russland genannt (12%), dann Armut und Arbeitslosigkeit (10,8%), und dann Einwanderung und Saisonarbeiter (10,3%). In diesem Zusammenhang ist es interessant, die Daten mit den Ergebnissen der Umfrage von 2015 zu vergleichen. Zum Beispiel wurde damals am häufigsten Krieg (49%), Russland (18%) und Armut (9%) genannt.
Zugleich ist es sehr unterschiedlich, was in den verschiedenen Ländern mit der Ukraine in Verbindung gebracht wird. Polen verbindet die Ukraine hauptsächlich mit Einwanderern (25,8%) und Armut (25%) und erst danach mit dem Krieg. Gleichzeitig verbindet die Mehrheit der französischen Befragten (15,5%) die Ukraine mit Russland, Krieg und Konflikt (13,1%) und Osteuropa (10,6%). Die drei am häufigsten genannten Antworten der Deutschen beziehen sich auf Russland (Krieg, Invasion auf der Krim), was mit 47,5% fast die Hälfte ausmacht. Was Deutschland und Frankreich angeht, ist die Tatsache, dass häufig der Krieg genannt wird, darauf zurückzuführen, dass aufgrund der Rolle Berlins und Paris im Normandie-Format der Krieg zwischen der Ukraine und Russland in diesen Ländern öfter Thema ist als in anderen.
In Italien ist der russisch-ukrainische Krieg in der öffentlichen Meinung fast überhaupt kein Thema, er wird nur von 0,6% der Befragten erwähnt. Die Italiener gehören aber zu denen, die die Ukraine am positivsten sehen. Unter den zehn am häufigsten genannten Dingen, die sie mit der Ukraine verbinden, ist nur eine teilweise negative (Einwanderer und Arbeitslosigkeit), während der Rest neutral gesehen wird, wie Gas- und Energieressourcen oder Politik. Als Positives werden Kultur und Geschichte sowie ukrainische Freunde wahrgenommen.
Terra incognita. Fast ein Viertel der Befragten (23,6%) verbindet nichts mit der Ukraine. Dies kann aber auch eine gute Nachricht sein, da bei diesen Befragten noch ein positives Image über die Ukraine gefördert werden kann.
Wie wirkt sich das Coronavirus auf den Wunsch nach Zusammenarbeit mit der Ukraine aus? Die Frage der Unterstützung der Ukraine während der COVID-19-Pandemie spaltet die europäische Öffentlichkeit. Unter den Befragten besteht kein Konsens darüber, wie die Ukraine während der Pandemie unterstützt werden sollte. Im Allgemeinen ist etwa die Hälfte der Befragten der Ansicht, dass die Länder die Zusammenarbeit auf dem derzeitigen Niveau beibehalten oder intensivieren sollten, während die andere Hälfte der Befragten der Ansicht ist, dass die Zusammenarbeit begrenzt werden oder man sich auf die Probleme des eigenen Landes konzentrieren sollte.
Russische Narrativa über die Ukraine erweisen sich als unwirksam. Nur 0,8% der Befragten glauben, dass die Ukrainer einen Bürgerkrieg führen, und die Zahl derer, die die Ukraine als extremistisches oder faschistisches Land betrachten, liegt unter 0,2%. Wie im Jahr 2015 zeigt die aktuelle Umfrage, dass das größte Hindernis für die Mitgliedschaft der Ukraine in der EU die Korruption ist, deren Bekämpfung von 43,1% der Befragten im Jahr 2020 priorisiert wurde (37,5% im Jahr 2015).
55% unterstützen eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Auch die Unterstützung für eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO ist erheblich (38%), aber diese Frage erreicht im Gegensatz zur Frage nach einer EU-Mitgliedschaft keine Mehrheit unter den Befragten.
Weniger Menschen bringen die Ukraine mit Russland in Verbindung. 2020 betrug die Zahl der Befragten, die die Ukraine mit Russland in Verbindung bringen, 9,1%, während es vor fünf Jahren mit 18% noch doppelt so viele waren. Dies deutet auf eine klare Trennung der Ukraine von Russland hin. Die Ukraine wird zunehmend als ein von Russland unabhängiges Land wahrgenommen. Als häufigste Antwort auf die Frage, wie die Ukraine im Kampf gegen die russische Aggression unterstützt werden kann, nannten 21,5% die Fortsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland. Am wenigsten wurde die Lieferung von Waffen an die Ukraine genannt.