Was die Ukraine vom Gipfel mit der EU im Oktober erwartet

Am 28. September hat das Pressezentrum des Ukraine Crisis Media Center (UCMC) einen Runden Tisch durchgeführt, mit dem Thema: “Bedingungen für den Erfolg des Ukraine-EU-Gipfels. Was ist von dem wichtigsten Treffen mit der EU des Jahres zu erwarten?”. Der Gipfel ist für den 12. Oktober geplant. An dem Runden Tisch nahmen Vertreter der ukrainischen Regierung und Opposition teil, aber auch Experten und Journalisten. Hier ihre wichtigsten Aussagen:

Serhij Sydorenko, Moderator der Veranstaltung und Redakteur der ukrainischen Webzeitung “Jewropejska Prawda” (Europäische Wahrheit), sagte in seiner Eröffnungsrede, man könne derzeit die Verhandlungsprozesse Kiews mit den EU-Strukturen in folgende zehn Blöcke unterteilen:

Justiz, Freiheit und Sicherheit. Sie haben für die EU “höchste Priorität”. Dazu gehören die Reformen in der Justiz und zur Korruptionsbekämpfung. Die Ukraine hat diesbezüglich die Roadmap der G7 als Wegweiser anerkannt. Ukrainische Experten hoffen, dass die EU einer gemeinsamen Grenzkontrolle zustimmen wird und nun liegt der Ball auf der Seite von Brüssel.

Liberalisierung des Warenverkehrs. Die Ukraine möchte Konsultationen über die Ausweitung der Zollkontingente aufnehmen.

“Visumfreiheit” für die Industrie. Es wird eine Synchronisation von technischen, sanitären und phytosanitären Vorschriften vorbereitet, um die entsprechenden Hindernisse zu beseitigen.

Zollfragen. Es geht um die Vorbereitung der Anerkennung von zugelassenen Wirtschaftsakteuren bis Ende 2022 und um den Beitritt zum Gemeinschaftlichen Versandverfahren bis 2023.

Digitale Agenda. Beitritt zum Digitalen EU-Binnenmarkt auf Roadmap-Ebene.

Öffentliche Auftragsvergabe. Experten meinen, die Ukraine habe größere Fortschritt erzielt, als dass die EU dies anerkennen würde. Daher sollte eine formelle Anerkennung der ukrainischen Fortschritte erreicht werden.

Transport. Hier rechnet die Ukraine mit einem Erfolg, nämlich auf die Einigung bezüglich des Gemeinsamen Luftverkehrsraums (Open Skies). Die Frage der Verbesserung des Zugangs von Kraftverkehrsunternehmen zum EU-Markt bleibt jedoch noch offen.

Finanzdienstleistungen. Anbindung an den Europäischen Zahlungsraum (SEPA). Beginn der Konsultationen über die Gewährung des Status für die Ukraine als “Europäischer Binnenmarkt”.

Energie. Die Ukraine bemüht sich um Garantien für die Nutzung ihrer Transit-Infrastruktur, vor allem für den Gastransport, abe auch um die Verlegung der Annahmestellen für russisches Gas an die Ostgrenze der Ukraine. Zudem bemüht sich Kiew um eine Erhöhung der finanziellen Hilfen für die Einführung erneuerbarer Energiequellen.

Grüner Kurs. Roadmap für Partizipation, Beitritt zum Europäischen Klimapakt, zum New European Bauhaus und zum Green City Accord.

Mangel an staatlichen Mechanismen. Moderator Serhij Sydorenko wies darauf hin, dass die Ukraine mehr Verpflichtungen eingehen müsse, um die Vorschriften mit den EU-Normen zu harmonisieren, um in den meisten dieser Bereiche erfolgreich zu sein. Doch dafür gebe es derzeit keinen wirksamen Mechanismus der Regierung, lediglich den zuständigen parlamentarischen Ausschuss unter Leitung von Iwanna Klympusch-Zinzadse.

Forderungen der G7-Roadmap entscheidend. Dmytro Schulha, Direktor des europäischen Programms der International Renaissance Foundation, bezeichnete den Rechts- und Sicherheitsblock als einen der problematischsten. Ihm zufolge ist die Vorgaben, die Forderungen der G7-Roadmap noch vor dem EU-Ukraine-Gipfel im nächsten Jahr zu erfüllen, entscheidend. Auf dem Spiel steht die Frage der gemeinsamen Grenzkontrolle, die den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ankurbeln und die ewigen Warteschlangen an der polnischen Grenze überwinden würde. Schulha hält es außerdem für wünschenswert, einen separaten rechtlichen Anhang zum EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen zu verabschieden. Ähnliche Anhänge gibt es in den Abkommen mit Georgien und der Republik Moldau.

Was wird in der gemeinsame Abschlusserklärung stehen? Ihor Schowkwa, stellvertretender Leiter des Büros des Präsidenten der Ukraine, sprach über die Erwartungen der Regierung an den Gipfel. Er betonte, dass die gemeinsame Abschlusserklärung des diesjährigen Gipfels einen einzigartigen Vorbereitungs-Algorithmus habe. Zum ersten Mal habe die Ukraine ihre “Null-Option” vorgeschlagen, die die Grundlage für eine zukünftige Erklärung bilden soll. Dies sei im Sommer beim Treffen zwischen Präsident Wolodymyr Selenskyj und EU-Kommissionspräsident Charles Michel vereinbart worden. Schowkwa zeigte sich zuversichtlich, dass das Dokument Bestimmungen bezüglich einer Anerkennung der europäischen Bestrebungen der Ukraine enthalten wird und die Fähigkeit der Ukraine, sich in den EU-Binnenmarkt zu integrieren, klar festschreiben wird. Die Seiten arbeiten Schowkwa zufolge zudem an gemeinsamen Bewertungen der Umsetzung des Assoziierungsabkommens durch die Ukraine. Die Erklärung solle auch einen “politischen Block” enthalten: die Unterstützung der territorialen Integrität der Ukraine, die Verurteilung Russlands als Aggressor und die Forderung an Russland, die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen durch die Separatisten sicherzustellen, sowie eine Erklärung zur Verlängerung der Sanktionen gegen Russland.

Wie wird das Assoziierungsabkommen umgesetzt? Iwanna Klympusch-Zinzadse, Vorsitzende des Parlamentsausschusses für die EU-Integration der Ukraine, wies darauf hin, dass die Umsetzung des Assoziierungsabkommens durch die Ukraine nicht so reibungslos verlaufe, wie es die Regierug darstelle. Beispielsweise werde erklärt, dass im Bereich Justiz und Sicherheit 87 % der Anforderungen formell erfüllt seien. Es gebe allerdings auch Rückschläge, die sich in diesen Berichten nicht widerspiegeln würden. So sei die Corporate-Governance-Reform den Berichten zufolge zu 100 % umgesetzt, doch in der Praxis sei, so Klympusch-Zinzadse, die Unabhängigkeit von Staatsunternehmen nach der jüngsten Umbildung im Management des Energiekonzerns “Naftogaz” in der Ukraine mehr als fraglich. Klympusch-Zinzadse wies ferner auf eine personelle und institutionelle Inkonsequenz der europäischen Integrationsbemühungen der Regierung hin. “Nehmen wir den Personalabbau in der zuständigen Regierungsstelle”, sagte Klympusch-Zinzadse und fügte hinzu, dass es einst sehr schwierig gewesen sei, das Personal zusammenzubekommen. “Durch ständige unüberlegte Umstrukturierungen gehen dem Staatsapparat Experten und Fachleute verloren”, kritisierte die Ausschussvorsitzende.