Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine
Die russischen Besatzungstruppen ignorieren weiterhin die getroffenen Vereinbarungen, einschließlich der, die am 27. Januar 2022 beim Treffen im Normandie-Format auf Berater-Ebene in Paris erzielt wurden. Am 30. Januar verletzten die russischen Besatzungstruppen den Waffenstillstand zwei Mal. Ähnlichen Beschuss gab es auch an anderen Tagen der Woche.
Was Präsident Selenskyj ausländischen Journalisten gesagt hat
Am 28. Januar stand der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kyjiw für Fragen ausländischer Medien zur Verfügung. Thema des Briefings war die Bedrohung durch die russische Aggression und die Reaktion der westlichen Länder darauf.
Laut Selenskyj sollten die Partner der Ukraine von “übertriebenen” Schritten und fatalen Vorhersagen über einen möglichen umfassenden Krieges absehen, da dies Panik hervorrufe. Die finanziellen Verluste aufgrund von Berichten über einen möglichen bevorstehenden Beginn einer russischen Offensive würden sich inzwischen auf 12,5 Milliarden Dollar belaufen, sagte der Präsident. Er rief dazu auf, in die ukrainische Wirtschaft zu investieren, um einen Zusammenbruch zu verhindern.
“Ich weiß mehr Details.” Die journalisten interessierten sich dafür, ob es beim jüngsten Gespräch zwischen Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Joe Biden Meinungsverschiedenheiten über die Einschätzung der Lage an der ukrainischen Grenze gegeben habe. Selensky betonte, Meinungsverschiedenheiten gebe es keine und machte deutlich, dass er von den USA einige vertrauliche Informationen erhalten habe. “Ich weiß aber mehr Details als jeder andere Präsident. Wir wissen, welche Risiken die vorrangigen sind”, sagte er.
Der ukrainische Präsident betonte, dass derzeit die Gefahr einer Invasion der Ukraine durch die reguläre russische Armee nicht höher sei als früher: “Wenn Sie sich allein Satellitenbilder anschauen, dann sehen Sie eine Zunahme von Truppen, aber Sie können nicht sicher einschätzen, ob es sich um Einschüchterung, einen Angriff oder eine Rotation handelt. Unsere Experten analysieren hingegen die Lage tiefergehender. Manchmal sehen wir, dass Menschen ankommen und Zelte aufstellen, um zu demonstrieren, dass mehrere Brigaden an die Grenze gekommen sind, und später sehen wir, dass es in diesen Zelten gar kein Leben gibt, was heißt, dass die Menschen weggebracht wurden. Es läuft ein psychologisches Narrativ, eine Einschüchterung durch Russland und die Separatisten.”
Wirtschaftliche Verluste durch Panik rund um die Ukraine. Selenskyj zufolge führen die ständigen Warnungen des Westens vor einem möglichen russischen Angriff dazu, dass die Finanzstabilität der Ukraine ins Wanken gerät.
“Wir müssen die Wirtschaft unseres Landes stabilisieren, aufgrund all dieser Signale, die von Staats- und Regierungschefs ausgehen. Sie verwenden nicht einmal mehr eine diplomatische Sprache und sagen: ‘Morgen wird es Krieg geben.’ Es entsteht Panik an den Märkten und im Finanzsektor. Wie viel kostet dies unseren Staat? Nur ein Beispiel, wie viel dies uns kostet: Wir hatten letztes Jahr ein Rekord-BIP. Es ist gestiegen. Wir hatten im vergangenen Jahr neue Investitionen im Wert von rund 6,5 Milliarden. Aber als ein solcher Fluss von Nachrichten einsetzte, wurden 12,5 Milliarden aus der Ukraine abgezogen. Unsere Reserven sind die größten der letzten zehn Jahre. Aber unser Staat kann solche Herausforderungen nicht allein bewältigen. Aus staatlichen Reserven stabilisieren wir unsere Landeswährung. Dies ist sehr teuer für die Ukraine”, so der ukrainische Präsident.
Über Sanktionen gegen Russland. Ein weiterer Grund für Kritik seitens des ukrainischen Präsidenten an den europäischen und amerikanischen Partnern ist deren Sanktionspolitik.
“Wenn man alleine dasteht und dabei einem sehr schwierigen Staat gegenübersteht, fragt man sich: Was bedeuten Sanktionen ‘im Nachhinein’? Gegen wen richten sie sich? Betreffen sie die Ukraine? Nein. Ich weiß nicht, was im Nachhinein sein wird. Ein ausgewachsener Krieg, wie alle sagen? Wozu brauchen wir dann Sanktionen im Nachhinein? Das heißt, wir sprechen nicht über Sanktionen zugunsten unseres Staates. Es geht um die Abschreckung einer Aggressionen gegen die Europäische Union. Aber das darf man nicht auf Kosten unseres Staates tun. Und viele Länder diskutieren gerade über Sanktionen ‘im Nachhinein’. Ich finde das unfair.”
Über Lawrows Idee für ein Treffen Selenskyj-Putin in Russland. Am 28. Januar schlug der russische Außenminister Sergej Lawrow vor, ein bilaterales Treffen zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj in Russland abzuhalten, vorausgesetzt, dass die Donbass-Frage nicht zur Sprache komme, da sie angeblich eine inner-ukrainische sei. Selenskyj bezeichnete diese Idee nur als “High-Level-Zynismus”.
“Warum über sowas überhaupt reden?”, sagte Selenskyj. Lawrow sei doch ein erwachsener Mensch mit viel Erfahrung. Warum schlage es etwas vor, das nicht funktioniere? “Es ist ihm also egal, ob heute jemand an der Grenze umgekommen ist oder nicht. Das ist dummer High-Level-Zynismus”, so der ukrainische Präsident. Ihm zufolge müsse über den Donbass gesprochen werden, die ganze Welt spreche darüber. “Und mir als den Präsidenten der Ukraine soll egal sein, was passiert?”, so Selenskyj.
Er fügte hinzu: “Ich möchte ein Treffen, ich fürchte kein einziges Format, auch kein bilaterales. Ich bin dazu bereit. Aber wozu mich nach Sotschi einladen? Soll ich da Ski fahren? Okay, treffen wir uns in Odessa, dann können wir im Meer schwimmen. Es geht um ernste Dinge. Das sind Menschen, die nicht wissen, was das Leben wert ist. Das Leben vergeht, und der Minister ist kein so junger Mann mehr. Es wachsen neue Generationen heran. Man wird verhandeln.”
“Wenn Russland für Minsk-Gespräche ist und die Ukraine nicht angreifen will, dann muss es Schritte machen, die diese Worte bestätigen. Wozu so viele Soldaten? Wozu so häufige Manöver? Sie sagen, sie hätten eine mächtige Armee, und was sind das dann für Manöver gerade hier an diesen Grenzen? Das ist gefährlich, es kann jede Art von Provokationen geben, die Risiken sind sehr groß. Wozu das alles? Zur Einschüchterung?”, sagte Selenskyj.
Verdrehung der Realität als russische Kriegskunst
Während Russland seine Militärpräsenz an den ukrainischen Grenzen aufbaut, wiederholen der Kreml und die russischen Medien immer wieder drei ziemlich widersprüchliche Behauptungen: die Truppenaufstockung sei einfach nur eine “Vorbereitung auf gemeinsame Manöver”, eine “innere Angelegenheit”, aber vor allem eine berechtigte Reaktion auf “aggressive Aktionen der NATO und der Ukraine” Mehr dazu in einem Beitrag der Hybrid Warfare Analytical Group des Ukraine Crisis Media Center in englischer Sprache: Twisting the Reality as Russia’s Art of War
Ukrainische Filme beim Sundance Film Festival in den USA ausgezeichnet
Beim Sundance Film Festival in den USA sind gleich zwei ukrainische Filme für die beste Regie ausgezeichnet worden, der Streifen “Klondike” in der Kategorie “World Feature Film” und “A House Made of Splinters” in der Kategorie “World Documentary Film”.
Der Film “Klondike” ist eine ukrainisch-türkische Koproduktion. Die ukrainische Regisseurin Marina Er Gorbach erzählt die Geschichte einer Familie, die im Mittelpunkt der Ereignisse nach dem Abschuss des Flugs MH17 am 17. Juli 2014 im Dorf Hrabowe in der Region Donezk steht. Die Haupthelden des Films Ira und Tolik warten auf die Geburt ihres ersten Kindes. Der Krieg bricht mitsamt dem Wrack der abgeschossenen Boeing brutal in ihr Leben ein. Die Frau will nicht weggehen, selbst als das Dorf von bewaffneten Gruppen eingenommen wird. Regisseurin Marina Er Gorbach betont, dass dieser Film ein Anlass sei, auf das Leben der Menschen während des Krieges in der Ukraine aufmerksam zu machen.
Der zweite beim Sundance Film Festival ausgezeichnete Film “A House Made of Splinters” ist eine dänisch-schwedisch-finnisch-ukrainische Koproduktion unter der Regie von Simon Lereng Wilmont. Der Film erzählt die Geschichte mehrerer Sozialarbeiter in der Ostukraine, die in einem speziellen Waisenhaus arbeiten und einen sicheren Raum für Kinder schaffen.
Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft
Die Ukraine wird von einer neuen Coronavirus-Welle erfasst, und zwar vom Omikron-Stamm. Am 30. Januar wurden in der Ukraine 22.026 neue Fälle von COVID-19 und 78 Todesfälle aufgrund von Komplikationen im Zusammenhang mit der Erkrankung registriert. 2322 Menschen wurden ins Krankenhaus eingeliefert. Die Zahlen am Wochenende sind traditionell niedriger als unter der Woche. Letzte Woche betrug die Anzahl der Neuerkrankungen täglich rund 40.000.
Während der gesamten Pandemie in der Ukraine wurde das Coronavirus bei 4.064.495 Menschen nachgewiesen, es gab 100.203 Todesfälle und bisher 3.622.745 Genesungen.
Geimpft sind in der Ukraine gegen das Coronavirus mit der ersten Dosis 15.324.673 Personen, mit zwei Dosen 14.619.487 und mit drei (Booster) 339.726 Menschen.