Die Ukraine im Jahr 2020: Ein Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse

Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen und die Ukraine zieht Bilanz. 2020 war in der Ukraine, wie in allen Ländern der Welt, von der Coronavirus-Pandemie geprägt – Lockdowns, Einschränkungen der Freiheiten von Bürgern und des grenzüberschreitenden Verkehrs, zahlreiche Corona-Todesfälle, wirtschaftliche Abkühlung sowie unsichere Zukunftsaussichten. Doch neben der Pandemie gab es noch andere wichtige Ereignisse. Ein Überblick vom Ukraine Crisis Media Center:

Herausforderung des Jahres: Coronavirus-Pandemie

Seit Beginn der Pandemie sind in der Ukraine mehr als eine Million Menschen am Coronavirus erkrankt – mit dem Stand vom 28. Dezember 2020 genau 1.030.374 Menschen. Davon sind inzwischen 665.729 Menschen genesen und 17.849 sind an Komplikationen aufgrund einer Coronavirus-Infektion gestorben. In den letzten Wochen ist die Zahl der Neuerkrankungen zumindest nach offiziellen Statistiken zurückgegangen. So wurde am 27. Dezember binnen 24 Stunden bei 4385 Menschen das Coronavirus nachgewiesen, während noch vor einigen Wochen täglich über 15.000 neue Fälle binnen 24 Stunden gemeldet wurden. Doch viele Experten bezweifeln den Abwärtstrend, da inzwischen weniger Tests durchgeführt werden. Die Kyiv School of Economics weist darauf hin, dass die Ukraine nach wie vor weltweit zu den Ländern zählt, wo im Verhältnis zur Anzahl durchgeführter Test eine hohe Zahl von Infektionen festgestellt wird. Der Wert liegt bei 33%, während die WHO 5% empfiehlt.

Impfungen. Derzeit verhandelt die Ukraine nur mit Herstellern von Impfstoffen, die potenziell bzw. bereits in der EU zugelassen sind. Derzeit ist jedoch nicht bekannt, wie die Gespräche ausgehen werden und wie viele Impfstoffdosen die Ukraine wird kaufen können. Weltweit besteht eine große Nachfrage nach Covid-19-Impfstoffen. Viele Länder haben schon lange vor der Zulassung von Impfstoffen vorläufige Vereinbarungen mit Herstellern getroffen.

Darüber hinaus rechnet die Ukraine damit, Impfstoffe als Hilfeleistung im Rahmen der COVAX-Initiative zu erhalten, einer globalen Allianz, die dazu beiträgt, Impfstoffe weltweit fair zu verteilen. Zunächst wurden der Ukraine acht Millionen Dosen versprochen, was ausreichen sollte, um vier Millionen Menschen zu impfen. Laut Viktor Ljaschko vom ukrainischen Gesundheitsministerium sind der Ukraine bereits 16 Millionen Impfstoffdosen zugesagt worden. Sie sollten ausreichen, um acht Millionen Menschen zu impfen.


Waffenruhe im Donbass bisher die längste seit Kriegsbeginn

Seit dem 27. Juli 2020 herrscht im Kampfgebiet im Osten der Ukraine eine Waffenruhe. Sie ist die bisher längste seit Beginn der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine. Am 22. Juli hatten sich die Mitglieder der Trilateralen Kontaktgruppe (Ukraine, Russland, OSZE) zur Regelung der Situation im Donbass auf eine vollständige und umfassende Waffenruhe entlang der Trennlinie ab dem 27. Juli geeinigt.

Anlässlich des 130. Tages der Waffenruhe erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dass im Donbass seit 133 Tagen die Waffen schweigen würden. In dieser Zeit sei der Beschuss um das Fünffache und die Verluste unter Soldaten um das Zehnfache zurückgegangen.

Gleichzeitig hat das Jahr 2020 keinen Durchbruch bei der diplomatischen Lösung des Konflikts gebracht. Ein Jahr nach dem Pariser Gipfel im Normandie-Format (Ukraine, Deutschland, Frankreich, Russland) im Dezember 2019 fallen die erzielten Erfolge angesichts der großen Herausforderungen eher bescheiden aus. Mehr dazu in unserem Beitrag: “Ein Jahr nach dem Pariser Normandie-Gipfel: Was wurde seitdem erreicht?


Das Jahr der Reform von Grund und Boden

2020 kann auch als das Jahr der Landreform bezeichnet werden. Seit Beginn der Legislaturperiode vor gut einem Jahr war die Arbeit des parlamentarischen Ausschusses für Agrar- und Landpolitik effektiver als je zuvor. Es wurde ein ganzer Block von Gesetzentwürfen zur Landreform eingebracht, sowohl politischer als auch technischer Natur. Zudem wurden auf Regierungsebene viele sehr wichtige Initiativen ergriffen. In der Nacht vom 30. auf den 31. März 2020 billigte das ukrainische Parlament schließlich das neue Gesetz über Grund und Boden. Es wurde von 259 Abgeordneten unterstützt. Damit endete das seit 19 Jahren andauernde Moratorium auf den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen, das den Bürgern nicht erlaubte, über ihren eigenen Grund und Boden frei zu verfügen.

Eine weitere Errungenschaft war die Verabschiedung des Gesetzes “Über die nationale Geodateninfrastruktur, das in vollem Einklang mit der Richtlinie der Europäischen Union (INSPIRE) steht und die Schaffung einer einzigen Anlaufstelle für die Arbeit mit Geodaten vorsieht. Somit können in Zukunft Informationen zu verschiedenen Infrastrukturobjekten, Kommunikationsnetzwerken und Datenbanken gebündelt und den Benutzern in Form offener Daten über ein einziges Geoportal (NIGD) zugänglich gemacht werden.


Zwei Flugzeugkatastrophen innerhalb eines Jahres

2020 erlebte die Ukraine zwei große Flugzeugunglücke. Anfang des Jahres stürzte ein Passagierflugzeug von Ukraine International Airlines (UIA) bei Teheran ab, und im September ein Trainingsflugzeug der ukrainischen Armee in der Region Charkiw nahe Tschuhujiw.

Tschuhujiw. Am 25. September 2020 führte ein Militärflugzeug vom Typ AN-26 planmäßige Trainingsflüge durch. An Bord waren 27 Personen, sieben Besatzungsmitglieder, darunter Offiziere und 20 Kadetten der Iwan-Koschedub-Universität der ukrainischen Luftstreitkräfte. Am Abend des Unfalls wurde die Maschine nicht von Kadetten, sondern vom Kommandeur der Mannschaft geflogen. Zwei Kadetten konnten aus dem Wrack entkommen, aber einer von ihnen starb im Krankenhaus. Die Ursache der Tragödie war einer technischer Defekt an der Maschine.

Teheran. Am 8. Januar 2020, um 6.14 Uhr Ortszeit, stürzte in der Nähe der iranischen Hauptstadt ein Passagierflugzeug ab. Die Boeing 737-800 gehörte der Fluggesellschaft Ukraine International Airlines. Alle 176 Menschen an Bord kamen ums Leben, darunter 167 Passagiere und neun Besatzungsmitglieder. Alle Besatzungsmitglieder und zwei Passagiere waren ukrainische Staatsbürger. Unter den Passagieren waren 24 Minderjährige, darunter 19 Kinder unter 12 Jahren. Das jüngste Kind war Jahrgang 2018. Am 11. Januar gab der iranische Präsident Hassan Rohani zu, dass das Flugzeug versehentlich von Raketen des Korps der Islamischen Revolutionsgarde abgeschossen worden war. Nach Angaben iranischer Vertreter war menschliches Versagen Ursache der Tragödie. Was die Anzahl der Opfer angeht, zählt die Katastrophe zu den 50 schlimmsten Flugzeugabstürzen der Welt.


Kommunalwahlen als Ereignis und Selenskyj als Enttäuschung des Jahres

Laut einer Umfrage des ukrainischen Rasumkow-Forschungszentrums betrachten 33% der Befragten die Kommunalwahlen vom Herbst als das wichtigste politische Ereignis des Jahres 2020 in der Ukraine. Davon sind wiederum 54% überzeugt, dass es ein positives Ereignis war, nur 11% sehen es negativ.

Nur 16,5% der Befragten glauben, dass sich die Ereignisse in der Ukraine in die richtige Richtung bewegen, und 67% glauben, dass sie sich in die falsche Richtung bewegen. Ende letzten Jahres waren es 44% bzw. 36%, das heißt, dass eine relative Mehrheit der Meinung war, dass sich das Land in die richtige Richtung bewegt.

Die überwiegende Mehrheit (71%) der Bürger glaubt, dass sich die Situation im ganzen Land im Jahr 2020 verschlechtert hat, nur 3% glauben, dass sie sich verbessert hat, und 20% meinen, dass sie sich nicht verändert hat. Ende letzten Jahres gaben 29% der Befragten an, dass sich die Situation verschlechtert habe, 14% sahen eine Verbesserung und 47% sagten, keine Veränderung festgestellt zu haben. 

Für 42% der Befragten ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Enttäuschung des Jahres. Dieselbe Umfrage ergab auch, dass 20% der Befragten Selenskyj als den Politiker des Jahres bezeichnen. Doch dieser Wert ist deutlich niedriger als Ende letzten Jahres – damals waren es 46%.


Diese internationalen Ereignisse waren den Ukrainern wichtig

Die Präsidentschaftswahlen und Proteste im benachbarten Belarus, die US-Wahlen, aber auch die Bellingcat-Untersuchung zur Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny durch das Putin-Regime und die russischen Geheimdienste waren für die Ukrainer die wichtigsten internationalen Ereignisse des Jahres 2020. 

Bellingcat-Untersuchung. Eine neue gemeinsame Untersuchung des internationalen investigativen Recherchenetzwerks Bellingcat und mehreren Medien hat ergeben, dass die jüngste Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny vom russischen Föderalen Sicherheitsdienst (FSB) durchgeführt wurde.

Journalisten von Bellingcat und der russischsprachigen Website Insider berufen sich in Zusammenarbeit mit dem deutschen Magazin Der Spiegel und dem US-Sender CNN auf “umfangreiches Beweismaterial in Form von Telekommunikations- und Reisedaten”. Die Vergiftung des Kreml-Kritikers sei mindestens seit 2017 vorbereitet worden.

Die überzeugenden Beweise von Bellingcat belasten das Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin sowohl in Russland selbst als auch im Ausland. Der Skandal kann dem Putin-Regime einen schweren Schlag versetzen.


Zum Schluss: Wie die Ukrainer ihr Glück bewerten

72% der Ukrainer fühlen sich glücklich. Gleichzeitig glauben 91% an die Existenz von Glück und 5% sind gegenteiliger Meinung. Unglücklich ist jeder fünfte Ukrainer (18%). Dies geht aus einer Umfrage hervor, die im November 2020 von der Research & Branding Group durchgeführt wurde. Junge Menschen (83%), Menschen mit höherem Bildungsgrad (80%) und Menschen in besserer finanzieller Lage fühlen sich tendenziell glücklicher.

Wenn man sich andere Länder anschaut, sind die Bürger Chinas (93%), der Niederlande (86%), Saudi-Arabiens (81%), Frankreichs (78%) und Kanadas (78%) weltweit am glücklichsten – laut einer Studie des international tätigen Marktforschungsunternehmen Ipsos vom August dieses Jahres.

Somit können sich die Ukrainer auch zu den zehn glücklichsten Nationen der Welt zählen. Gleichzeitig sagten aber über ihre Lebenssituation 11% der Ukrainer, alles sei gut und man könne so leben, 52% sagten, das Leben sei schwer, aber erträglich, und 32% sagten, sie könnten ihre schwierige Lage nicht mehr aushalten.