Die direkten Verluste der Ukraine durch die Annexion der Krim könnten mehrere Milliarden Dollar erreichen – Politologe

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Kiew, 23. April 2015 – Die direkten Verluste der Ukraine durch die Annexion der Krim belaufen sich nach verschiedenen Einschätzungen von 200 Milliarden bis zu über 1 Billion Dollar. Darüber sprach der Politologe Taras Beresowez während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center, die in Kooperation mit dem Projekt „Free Crimea“ organisiert wurde. Die Rede ist über eine hohe Anzahl an Wirtschaftsverbrechen, unter anderem der Beschlagnahmung von staatlichem und privatem Eigentum. „Auf der Krim befinden sich über 4.000 Wirtschaftssubjekte, deren Inhaber illegal durch russische Bürger ausgetauscht wurden“, berichtete Beresowez. Die verbotene Gasentnahme aus den Speichern von Tschernomorneftegaz dauern an. Es wachen dort ständige russische Kriegsschiffe. Eine ähnliche Situation gibt es mit den Gasvorkommen im Bereich des Prikertschensker Schelfs, wo geschätzte Vorräte in Höhe von 200 Milliarden Dollar lagern und Russland damit beginnt, sie aktiv zu erkunden.

Nach Angaben von Andrej Sentschenko, ukrainischer Abgeordneter der 5., 6. und 7. Legislaturperiode für die Krim, übergab der Stadtrat von Sewastopol das Gebäude, in dem sich sein Abgeordnetenbüro befand, ohne ersichtliches Motiv in das Eigentum der Republik Krim. Später wurde das Gebäude an die Okkupationsbehörden der Krim übergeben und danach der FSB-Verwaltung für den Bereich der Krim und Sewastopols kostenlos zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Die illegale Enteignung wird von Russland absolut unterstützt. „Wir befinden uns am Anfang der nächsten Stufe zur Umverteilung von Eigentum und Grundstücken“, betonte der ehemalige Abgeordnete.

Nach Angaben von Julia Kasdobina, einer Analystin des unabhängigen ukrainischen Zentrums für politische Untersuchungen, läuft die Verstaatlichung ohne Kompensationszahlungen, die es sogar laut der russischen Gesetzgebung geben müsste. Das wirft die Frage auf, wie die Ukraine solche Fälle vor Gericht bringen soll. Julia Kasdobina gab die Meinung einiger Juristen wieder, dass wenn die Ukraine Forderungen nach einer Kompensation für Eigentum stellt, sie gleichzeitig das Recht auf dieses Eigentum verliert. Die Analystin betonte, dass die Ukraine einen zivilisierten Weg wählte – der Anruf von Gerichten, aber dass dies ein langwieriger Prozess ist, weil im internationalen Recht fast keine Mechanismen existieren, die Russland dazu zwingen könnten, die Entscheidungen dieser Gerichte umzusetzen. „Die Ukraine muss heute eine Bestrafung Russlands fordern und sich auf solche Investoren konzentrieren, die Geld dort anlegen wollen, wo die Ukraine für sie interessant ist“, schlug Kasdobina vor, um die Verluste zumindest etwas zu kompensieren.

Taras Sagorodnij, Ökonom und leitender Berater der nationalen Antikrisengruppe, stimmt zu, dass Gerichtsklagen wenig effektiv sind. Die sogenannte Verstaatlichung nennt er eine räuberische Übernahme und Vernichtungspraxis. Auch wenn Gerichte dies nicht verhindern können, kommen doch Anordnungen von oben. Sein Vorschlag zur Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen seitens der Russischen Föderation auf der Krim besteht aus einer pragmatischen Sicht auf die Situation. „Der einzige Weg, den ich sehe, die Verstaatlichung in der Weise, wie sie abläuft, zu stoppen, ist mittels weichem Druck auf die russische Führung“, erklärte er. Taras Sagorodnij prognostiziert eine steigende Anzahl an Verbrechen auf der Krim, weil der Versuch, sechs weitere Gebiete der Ukraine zu okkupieren, nicht funktionierte. „Russland ging zu einem Plan B über. Das heißt, Verdienen an der Zerstörung. Wir können uns bereits von den übernommenen Unternehmen verabschieden. Sie werden entweder zu Altmetall verarbeitet, oder nach Russland gebracht“, sagte er und erklärte, dass dieses Land alles tun wird, um die Infrastruktur zu zerstören und um das Leben auf der Krim unmöglich zu machen – das heißt, die Leute mit stalinistischen Methoden aus diesem Gebiet zu vertreiben.

Die Krim und der Donbass sind strategische Fehler Russlands. Diese Meinung vertrat die Politologin Olesja Jachno. Als schwache Glieder für die Krim nannte sie die illegale Verstaatlichung, Menschenrechtsverstöße und die hastige Militarisierung der Halbinsel. Der letzte Punkt wird nach ihrer Meinung in erster Linie die internationale Gemeinschaft erschrecken. Und mit den ersten beiden muss sich vor allem unser Staat beschäftigen. „Außer mit Geschäftsleuten muss sich die Ukraine auf dem Niveau der Staatspolitik mit dem Kampf gegen Wirtschaftsverbrechen beschäftigen, wo die Krimbewohner nicht in der Lage sind, sich zu verteidigen“, sagte sie. Es ist kein aussichtsloser Weg, wenn auch ein langwieriger Prozess. So sind doch Kompensationen für Eigentum möglich. Eigentlich sind dies bereits die gemischten Sanktionen seitens des Westens“, betonte Olesja Jachno. Allerdings muss jetzt die Hauptposition des Westens in Bezug auf Russland darin bestehen, wirtschaftlichen Druck auszuüben.