Probleme bei der medizinischen Versorgung auf der Krim – Experten

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Kiew, 13. August 2015 – Die Situation mit der ärztlichen Versorgung verschlechtert sich auf der Krim tendenziell. Experten berichten, dass die Hauptprobleme damit zusammen hängen, weil die verbindliche Krankenversicherung auf das russische System umgestellt wird, weil im Gesundheitssystem Mitarbeiter entlassen werden und die Behandlungsplätze gekürzt werden. Außerdem versuchen die Besatzungsmächte, den Import von Medikamenten aus nicht-russischer Produktion zu begrenzen. Diese Meinung vertraten Experten während einer Diskussion, die zusammen mit dem Projekt „Free Crimea“ im Ukrainischen Crisis Media Center organisiert wurde.

Taras Beresowez, der Initiator des Projekts „Free Crimea“, sieht wesentliche Änderungen im Gesundheitssystem, das seit 1. Januar 2015 auf das russische System der verbindlichen Krankenversicherung umgestellt wird. So wurden allen Krimbewohnern Versicherungspolicen ausgestellt, ohne die man in staatlichen Institutionen praktisch nicht ärztlich behandelt wird. Für die Bewohner werden künstliche Hindernisse für die Krankenbehandlung geschaffen. Zum Beispiel: Früher ging jemand zum Arzt und wurde am gleichen Tag behandelt, unabhängig davon, wie lange er warten musste. Jetzt wurden künstliche Beschränkungen für die Anmeldung beim Bereichsarzt eingeführt und die Anzahl der Patienten wurde begrenzt – in der Regel auf maximal 10 Patienten/Tag. Er ergänzte, dass die Leute manchmal ein halbes Jahr lang warten müssen, um eine Ultraschalluntersuchung in staatlichen Institutionen zu erhalten.

„Die allgemeine Krankenversicherung in der Russischen Föderation zeigt ihre Ineffektivität […] Die Police deckt nur einen Teil der zu gewährleistenden Krankenbetreuung ab. Außerdem ist es manchmal schwer, wenigstens diese Minimalleistung zu erhalten“, sagte Valentina Otscheretenko, Vertreterin des „Schutzvereins für Patientenrechte“. Die Expertin meint, dass die Ukraine in diesem Fall die Gründe für den Misserfolg bei der Erneuerung der Versicherungspolicen in der Russischen Föderation analysieren soll, um in Zukunft solche Fehler nicht zu wiederholen.

Ein weiteres Problem ist, dass die Anzahl der medizinischen Institutionen reduziert wird und Mitarbeiter im Gesundheitswesen entlassen werden. Außerdem, um weniger für Einsätze und Zuschläge zu zahlen, werden die Arbeitszeiten der Ärzte künstlich gekürzt, wodurch entsprechend die Gehälter geringer sind. Heute beträgt das Gehalt eines Oberarztes zirka 35-37.000 Rubel; ein normaler Arzt bekommt 25.000 Rubel, und das medizinische Personal 12.000 Rubel. Wahrscheinlich wird das Durchschnittsgehalt nach der endgültigen Umstellung auf das russische System auf 12-18.000 Rubel fallen.

Valentina Otscheretenko berichtete, dass Ärzte ohne russischen Pass keine Möglichkeit haben, offiziell zu arbeiten. Die Ärzte sind insgesamt unzufrieden, da sie weder die versprochenen höheren Gehälter bekommen, noch sonstige Privilegien.

Irina Vlasenko sagte, dass ukrainische Diplome anerkannt werden, allerdings müssen die Ärzte dafür eine Akkreditierung der Dokumente durchführen, die durch eine Prüfung abgeschlossen wird und dann die Qualifikation und das Diplom bestätigen. Diese Prozedur dauert zwischen zwei und sechs Monaten.

Das dritte große Problem hängt mit der Importbeschränkung für Medikamente zusammen. „Neuerdings erklärte „KrymPharma“, dass alle Medikamente aus ukrainischer Herstellung durch russische Präparate ersetzt werden. Dies ist nicht immer möglich, weil es besondere Mittel gibt, die in der Ukraine produziert und von Patienten auf der Krim genutzt werden“, betonte Valentina Otscheretenko.

„Russland füllte die Apotheken mit teuren, aber wirkungsschwachen Medikamenten und bei weitem nicht das volle Sortiment. Das Gesundheitsministerium der Krim erfüllt einfach die Verordnung von Putin, dass 90 Prozent der Medikamente aus inländischer Produktion sein müssen, wobei sie nicht immer qualitativ und effektiv sind“, erklärte der Experte Roman Ostaptschuk.

Von der Importbeschränkung sind hauptsächlich Diabetiker betroffen. „Diabetiker müssen sich ständig kontrollieren und ein bestimmtes Insulin spritzen, das ihnen der Arzt verschrieb. Das Problem ist, dass das inländische Insulin, von dem ein Großteil der Patienten abhängt, nicht mehr verfügbar ist“, erklärte Irina Vlasenko, die Vertreterin des „Gesamtukrainischen Diabetikerverbands“. Entsprechend müssen die Patienten auf neues Insulin umstellen und klären, ob es für sie passt oder nicht. „Dies ist ein längerer Prozess, der einige Zeit beansprucht und für den Organismus nicht folgenlos ist“, ergänzte sie. Außerdem müssen Diabetiker regelmäßig von einem Arzt untersucht werden, aber wie bereits erwähnt, ist dies nicht einfach.

Derzeit gibt es Probleme bei der Personalbesetzung von Krankenhäusern: die Krankenhäuser in Simferopol sind zu 70-80 Prozent mit Ärzten belegt, aber in Jewpatorija fehlen 75 Prozent der Ärzte. Außerdem ist die Situation mit Spezialmedikamenten schwierig. Laut Valentina Otscheretenko sind 200.000 Personen berechtigt, Sondermedikamente zu erhalten, aber tatsächlich bekommen sie nur 2.400 Patienten.

Wie Valentina Otscheretenko anmerkte, können ukrainische Ärzte ihren Kollegen, die auf der Halbinsel blieben, wenig helfen, da sie sich vor einer Zusammenarbeit fürchten. Niemand möchte ersetzt werden. Was die ukrainische Staatsführung betrifft, gibt es keine Strategie für die Krim.

„Mir scheint, es ist die Aufgabe der Kontinentalukraine, zu zeigen, dass man sich um jeden, der es wagt, von der Halbinsel zu ziehen, kümmert und dass man den Zugang zur medizinischen Versorgung vereinfacht.“, fasste Valentina Otscheretenko zusammen. Nach ihrer Meinung ist dies ein wichtiger Grund für die Krimbewohner, sich eine Rückkehr der Krim zur Ukraine zu wünschen.