Probleme der studierenden Binnenflüchtlinge aus den besetzten Gebieten

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Kiew, 3. Dezember 2015 – Laut Daten des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft der Ukraine zogen 16 von 49 Universitäten aus den vorübergehend besetzten Gebieten von Donezk und Luhansk in andere Städte der Ukraine um. Mit den Hochschulen wechselten zirka 36.000 Studenten ihren Studienort und zirka 3.000 Lehrkräfte ihre Arbeit. Die meisten Probleme, auf die die Hochschulen an ihren neuen Plätzen treffen, hängen mit der fehlenden staatlichen Finanzierung im Sozialbereich zusammen: wo sollen die Studenten und Lehrkräfte leben und von was? Der Staat stellt auch keine Mittel zur Wiederherstellung der materiellen Grundlage für die Universitäten bereit. Darüber sprachen die Vertreter der Rektorate aus den Donezker und Luhansker Nationaluniversitäten, Roman Grynjuk und Dmytro Uschtschenko, während einer Skype-Schaltung im Ukrainischen Crisis Media Center im Rahmen des Pilotprojekts „Sprecher eines friedlichen Lebens“.

Nach Angaben von Roman Grynjuk, dem Rektor der Donezker Nationaluniversität, ist die Bildungseinrichtung bereits seit einem Jahr vollständig in Winnyzja tätig. Nach dem erzwungenen Umzug der Hochschule entschieden sich nur 4.000 von 13.000 Studenten, ihr Studium fortzusetzen. Wer nicht nach Winnyzja umziehen konnte, wollte die Ausbildung trotzdem an der Donezker Universität fortsetzen. Dafür existieren Fernkurse und Online-Angebote.

Professor Grynjuk meinte, dass die Regierung ein staatlich zweckbestimmtes Programm entwickeln soll, um die Probleme mit dem unzureichenden Wohnraum für die Studenten und Lehrkräfte zu lösen. „Der Staat muss verstehen, dass die Jugend unsere Zukunft ist. Und Bildungseinrichtungen sind die Grundlage unseres Staates“, betonte der Rektor der Donezker Universität.

Ein weiteres Problem ist die Notwendigkeit, die materielle Grundlage der Donezker Universität zu erneuern, was gemeinsam mit Spendern und Stiftungen gelöst werden könnte. Im Rahmen des Projekts „Europäische Entwicklung der Donezker Nationaluniversität“ der internationalen Renaissance Foundation erhielt die Hochschule Computer und ein Naturkundelabor, ein Sprachlabor und ein Produktionsstudio. Es wurde auch ein Programm für die akademische Mobilität eingeführt, durch das ukrainische Studenten die Möglichkeit haben, an europäischen Hochschuleinrichtungen zu studieren – insbesondere in Polen. Außerdem können ausländische und ukrainische Lehrkräfte und Akademiemitglieder an diesen Universitäten lehren. Das Budget für dieses Projekt beträgt 7 Mio. Hryvna.

Roman Grynjuk ist davon überzeugt, dass es dank dieser Arbeit gelingen wird, innerhalb eines weiteren Jahres die materielle Grundlage der Universität wieder vollständig herzustellen.

Sie verhandeln auch mit der norwegischen Botschaft, um ein Universitätsstädtchen bei Winnyzja zu bauen. „Gerade befindet sich der Entwurf im Gutachtungsstadium. Es ist sehr ambitioniert. Ich denke, in einem Monat werden wir die Antwort der norwegischen Botschaft erhalten [ob sie sich an diesem Projekt beteiligen]“, erklärte der Rektor der Donezker Universität.

Dmitro Uschtschenko, Prorektor an der Luhansker Nationaluniversität namens Schewtschenko, berichtete, dass die Universität im Oktober 2014 nach Starobelsk umsiedelte, wo sich früher eine ihrer Nebenstellen befand. „Von fast 18.000 Studenten 2013 werden heute über 9.000 weiter ausgebildet. Die Universität hat nicht nur einfach überlebt, sondern bleibt auch eine der größten im Land“, sagte Dmitro Uschtschenko. Doch die Probleme der Universität sind die gleichen. Von 3.500 Plätzen im Wohnheim kann die Hochschule derzeit nur mit 400 rechnen.

Olexander Babitschew, der Prorektor der Luhansker Universität ist davon überzeugt, dass der Staat eine unzureichende Informationspolitik betreibt. Deshalb befinden sich die Studenten, die in den nicht von der Ukraine kontrollierten Gebieten leben, ständig unter dem Einfluss russischer Propaganda. Und die Universität kann kaum etwas gegen die „Gehirnwäsche“ unternehmen. Allerdings wählte die Luhansker Universität nach Angaben des Prorektors den Weg, dem entgegenzuwirken.

„Wir haben die Möglichkeit, uns mit den ATO-Kämpfern zu unterhalten und mit Leuten, die auf dem Maidan waren, um zu verstehen, welche Prozesse im Land vor sich gehen“, betonte Olexander Babitschew.

Er berichtete auch darüber, dass Studenten aus den vorübergehend besetzten Gebieten ständig anfragen, sie wieder an der Universität aufzunehmen.