Im vergangenen halben Jahr gab es auf der Krim über 150 Vernehmungen, 100 Hausdurchsuchungen, 100 Festnahmen und 70 Gerichtsverhandlungen – Aktivisten

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Kiew, 10. Dezember 2015 – Innerhalb etwas mehr als eines halben Jahres gab es auf dem Gebiet der vorrübergehend okkupierten Krim über 150 Vernehmungen, 100 Hausdurchsuchungen, 100 Festnahmen und 70 Gerichtsverhandlungen, von denen 30 innerhalb der letzten drei Monate stattfanden. Diese Statistik präsentierte die Koordinatorin für die Projekte „Zentrum der Bürgerfreiheiten“ und „Freiwillige bei Euromaidan SOS“, Maria Lysenko, im Ukrainischen Crisis Media Center, als sie die neue Ausgabe des regelmäßigen Berichts „Krim: Chronik der Okkupation“ vorstellte.

„Faktisch wird die Repressionsmaschine täglich genutzt und das in steigendem Ausmaß, um damit zu versuchen, Andersdenkende auf dem Gebiet der Krim zu unterdrücken“, erklärte die Aktivistin.

Maria Lysenko ging gesondert auf die politischen Verfolgungen ein, die auf der Halbinsel andauern. Unter anderem finden sich folgende Personen in Haft: Achtjom Tschijgos, Mustafa Degermendschy und Ali Asanow, die im Fall vom 26. Februar 2014 verhaftet wurden, als sich pro-ukrainische Aktivisten neben der Werchowna Rada der Autonomen Republik Krim versammelten. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

Dabei teilte die Aktivistin mit, dass kürzlich auf der Website der Staatsanwaltschaft der Krim die Meldung erschien, dass die Ergebnisse im Fall „26. Februar“ bereits an ein Gericht übergeben wurden. Das heißt, dass die Verhandlung in diesem Fall beginnt kann.

Weitere 4 Personen von der Organisation „Hisb ut-Tachrir“ sitzen aufgrund religiöser Verfolgung hinter Gittern: Ruslan Sejtullajew, Rustam Waitow, Nuri Primow und Refat Sajfulajew. Ihnen drohen bis zu 10 Jahren Haft.

Maria Lysenko merkte an, dass es sich um eine islamische politische Bewegung handelt, die sich mit einer aufklärenden politischen Tätigkeit beschäftigt. Aus Sicht westlicher demokratischer Staaten kann man sie nicht als extremistische Organisation betrachten. Aber nachdem die Russische Föderation die Krim faktisch zu kontrollieren begann, wurden die Mitglieder von „Hisb ut-Tachrir“ verfolgt. Dazu zitierte sie die Worte deren Anwalts, dass es in dem Fall prozessuale Verstöße gab, sowie Verstöße gegen das Veröffentlichungsprinzip.

„Es gibt eine relativ neue Form der Verfolgung. Diese besteht in der Vorladung zum Gericht und wer zu der Verhandlung kommt und sich dort äußert, erhält den Status eines Zeugens. Das heißt, dass er das Recht verliert, an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen und diese zu verfolgen“, berichtete die Koordinatorin.

Sie ging auch gesondert auf den Fall von Jurij Iltschenko ein, der für „das Schüren von Hass und Feindschaft“ angeklagt wurde, weil er sich im Internet gegen die Okkupation der Krim aussprach. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Er wurde bereits im Juli festgenommen. Was mit ihm derzeit ist, wissen die Rechtsschutzbehörden der Ukraine nicht, berichtete Maria Lysenko. Laut letzten Informationen wurde seine Untersuchungshaft im September verlängert.

„Diese Personen wurden ihrer Freiheit beraubt. Sie können sich nicht frei bewegen oder ihren Aufenthaltsort verlassen“, betonte sie.

Maria Lysenko merkte auch an, dass mehrere weitere Strafprozesse angeregt wurden. Die jeweiligen Gerichtsverhandlungen, unter anderem im Fall vom 3. Mai 2014, dauern an, als mehrere tausend Krimtataren nach Armjansk auf der Krim kamen, um sich dort mit ihrem Anführer Mustafa Dschemiljew zu treffen.

„Die Okkupationsbehörden sprachen Maßnahmen zur Unterbindung von Straftaten bis zu einem festgenannten Termin aus“, berichtete sie.

Die Aktivistin erinnerte auch an den Fall des Euromaidan-Aktivisten Alexander Kostenko, der in diesem Herbst illegal in die Russische Föderation abgeschoben wurde. Er wird weiterhin unter Druck gesetzt, einschließlich durch die Eröffnung eines Verfahrens gegen seinen Bruder. Maria Lysenko bezeichnete dies als Rückkehr zu den schmählichen Praktiken der UdSSR.

Außerdem, so die Teilnehmer der Pressekonferenz, werden auf der vorrübergehend besetzten Krim auch andere Formen der Verfolgung angewandt. Darunter Hausdurchsuchungen, Vernehmungen, Festnahmen bis hin zu Folter und Entführungen.

„Ganze Regionen werden unter dem Vorwand gewisser Maßnahmen oder Übungen abgeriegelt, worüber die Bevölkerung nicht informiert wird. Vermummte Leute in Tarnanzügen mit Maschinengewehren bedrohen die Leute. Sie gehen unter dem Vorwand zu den Häusern, dass einem Nachbarn ein Fahrrad gestohlen wurde und beginnen mit einer Hausdurchsuchung“, berichtete Exender Barijew, Koordinator des Komitees zum Schutz der Rechte der Krimtataren, der selbst mittels Hausdurchsuchungen bei seinen Eltern unter Druck gesetzt wurde.

Nach Angaben von Exender Barijew werden in letzter Zeit verstärkt Hausdurchsuchungen bei Personen durchgeführt, die direkt an der Krimblockade beteiligt sind oder bei deren Verwandten. Auch Journalisten bekommen Besuch, die über die Blockade berichteten. Ihre Wohnungen werden von Gas und Strom abgeschnitten.

„Die Situation auf der Krim ist schwierig. Die Leute befinden sich unter ständigem Druck und können ihre Gedanken nicht frei äußern oder sich friedlich versammeln. Wir erklären noch einmal, dass die Okkupationsbehörden die Menschenrechte auf der Krim verletzen und das ist eine verbrecherische Handlung des Besatzungsstaats“, erklärte Exender Barijew.

Risa Schewkijew, Generaldirektor des „Krim-Fonds“, berichtete, dass ihn die Generalstaatsanwaltschaft wegen einer ukrainischen Flagge auf dem Gebäude seines Fonds verwarnte. Die Flagge hängt dort seit 8 Monaten.

„Wir erhielten von der Staatsanwaltschaft der Krim drei Verwarnungen wegen Extremismus, aber das reichte ihnen offenbar nicht. Sie leiteten eine administrative Ermittlung ein und beschlossen, in Simferopol sieben Objekte zu beschlagnahmen, einschließlich unseres Gebäudes und Bankkontos. Die Tätigkeit unseres Fonds wurde verboten“, berichtete Risa Schewkijew.

Außerdem wurde der Fond nach seinen Angaben zu einer Strafe in Höhe von 4,5 Mio. Rubel verurteilt. Der Generaldirektor erhielt eine Strafe in Höhe von 350.000 Rubel. Zum heutigen Stand wurden bereits über 30 Gerichtsverhandlungen durchgeführt. Er ergänzte, dass all diese Gerichtsverhandlungen nach einer Bestellung aussahen.

„Sogar manche Richter, die noch über ein Gewissen verfügen, sagten nach der Verhandlung vorsichtig: „Entschuldigen Sie bitte. Wir wissen, dass die Entscheidung des Gerichts nicht richtig ist, aber uns beauftragte der FSB“, berichtete der Generaldirektor des „Krim-Fonds“. Er merkte an, dass ihn Geheimdienstagenten besuchten und andeuteten, dass gegen ihn ein Strafverfahren mit anschließendem Hafturteil eröffnet wird, sollte er seinen Kampf fortsetzen.