Besatzungsbehörden verbieten Medschlis der Krimtataren

WATCH IN ENGLISH

Gestern hat die Generalstaatsanwältin der Besatzungsbehörden auf der Krim, Natalja Poklonskaja, das Repräsentativorgan der Krimtataren, den Medschlis, verboten. Welche Folgen wird dies für die indigene Bevölkerung der Krim-Halbinsel haben?

Kiew, den 14. April 2016 – Der Medschlis ist ohne richterlichen Beschluss als extremistisch eingestuft und verboten worden. Das ist ein Signal an alle nicht loyalen Bürger auf der Krim, dass sie wegen ihrer Überzeugungen strafrechtlich verfolgt werden können. Das sagte während einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center Jusuf Kurktschi. Er leitet die Abteilung zur Unterstützung des Beauftragten für die Krimtataren beim Präsidenten der Ukraine. Beauftragter für die Krimtataren ist Mustafa Dschemiljew.

Kurktschi zufolge zeigt dieser Fall, dass die Besatzungsbehörden die Aktivitäten von Organisationen stoppen können, die irgendwie die Bürgerrechte verteidigen. Aber damit sei zu rechnen gewesen. Es bestehe nun das Risiko, dass jeder Krimtatare, der an der Wahl des Kurultaj teilgenommen und den Medschlis unterstützt habe, vor Gericht gestellt werden könne. Auch Geschäftsleute, die Projekte des Medschlis unterstützt hätten, würden nun unter den Artikel “Finanzierung extremistischer Aktivitäten” fallen.

Es ist nicht genug, nur Sorge zu äußern

Julija Tyschtschenko ist Beraterin von Refat Tschubarow, des Vorsitzenden des Medschlis der Krimtataren. Ferner ist sie Mitarbeiterin des ukrainischen Unabhängigen Zentrums für politische Studien. Sie glaubt, dass mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft der Krim die Justiz unter Druck gesetzt werden soll. Tyschtschenko zufolge droht nun auch allen Vertretern der lokalen Repräsentativorgane der Krimtataren – das sind mehr als 3000 Personen und deren Familien – Gefahr seitens der selbsternannten Machthaber auf der Krim. Das sei eine politische Entscheidung auf Geheiß des Kremls, eine Reaktion auf internationale Ereignisse, darunter auf die Debatte zur Krim-Frage im UN-Sicherheitsrat, aber auch auf andere Signale, die man Russland sende. “Solche Repressionen aus ethnischen Gründen darf man auf der Krim nicht dulden. Die internationale Gemeinschaft muss erkennen, dass es nicht genug ist, nur Sorge zum Ausdruck zu bringen oder die Situation zu beobachten”, so Tyschtschenko.

Emine Dscheppar, Beraterin des Ministers für Informationspolitik der Ukraine, sagte, das Verbot des Medschlis gebe den Besatzungsbehörden großen Spielraum, jeden Krimtataren bestrafen zu können. “In Wirklichkeit entscheiden Richter und Staatsanwälte der Besatzungsbehörden, die aber eigentlich weiterhin Bürger der Ukraine sind, weil sie die ukrainische Staatsbürgerschaft nicht abgelegt haben. Illegitime Staatsvertreter verurteilen legitime Vertretungen der Krimtataren, den Medschlis und den Kurultaj”, so Dscheppar. Absurd seien auch die Erklärungen der Besatzungsbehörden, wonach die Krimtataren kein indigenes Volk seien und deswegen kein Recht auf Selbstbestimmung und Repräsentativorgane hätten. “Die Ukraine muss jetzt die Rechte der Krimtataren als indigenes Volk verteidigen”, sagte sie.

Weitere beunruhigende Tendenzen auf der Krim

Tamila Taschewa, Mitbegründerin der Bürgerinitiative “Krim SOS”, sagte, neben der Verfolgung der Krimtataren und nicht loyaler Ukrainer durch die Besatzungsbehörden seien weitere beunruhigende Tendenzen auf der Krim zu beobachten. Darunter die Verschlechterung der Lebensbedingungen und die Militarisierung der Halbinsel. Taschewa betonte, Russland habe seit Beginn der Besetzung der Krim nicht vorgehabt, die Region wirtschaftlich zu entwickeln, sondern wollte dort nur eine Militärbasis haben. “Es ist eine sehr gefährliche Tendenz, dass sich die Militärbasen und Einheiten direkt an der Verwaltungsgrenze zur Ukraine befinden, wo regelmäßig demonstrativ Manöver abgehalten werden und in Richtung der ukrainischen Grenze geschossen wird, um das ukrainische Militär zu provozieren”, so Taschewa.

Auch würden die Krimtataren und all diejenigen, die gegen die selbsternannten Machthaber seien, weiterhin von der Krim verdrängt. Nach offiziellen Angaben hätten 21.000 Menschen die Halbinsel verlassen, doch in Wirklichkeit seien es viel mehr. So seien in den vergangenen sechs Monaten 68.000 Menschen mehr auf das Festland der Ukraine eingereist als umgekehrt. Taschewa zufolge siedeln die Besatzungsbehörden dafür Menschen aus dem russischen Kernland an. So wolle die Besatzungsmacht die Krim mit möglichst vielen loyalen Menschen “sättigen”. “Dies steht in direktem Widerspruch zum internationalen humanitären Recht. Bevölkerungsaustausch gilt als ein internationales Verbrechen, für das man Russland noch zur Verantwortung ziehen wird”, sagte Taschewa.