Kasimir Malewitsch wurde 1878 in Kiew geboren. Der Künstler ukrainisch-polnischer Abstammung ist aber nicht nur geografisch mit der Ukraine verbunden. Lange zählte man Malewitsch zur “Russischen Avantgarde”. Ein Grund dafür war der Mangel an historischen Dokumenten. Doch Ende 2015 wurden bis dahin unbekannte Archivalien veröffentlicht, mit denen sich bald eine Konferenz in Kiew befassen wird.
Kiew, 7. September 2016 – Vom 6. bis 9. Oktober dieses Jahres wird in Kiew erstmals eine internationale wissenschaftliche Konferenz zum Thema “Kasimir Malewitsch: Kiewer Aspekte” stattfinden. Auf ihr soll das Wirken des Künstlers während der Zeit, die er in Kiew verbracht hat, erörtert werden. An der Konferenz werden führende Malewitsch-Forscher aus Frankreich, Polen, den Niederlanden, aus Belgien, Portugal, Russland, Israel und Kanada teilnehmen.
“Unserer Einladung sind solch bekannte Forscher wie Jean-Claude Marcade und Andrei Nakov gefolgt. Gerade ihnen ist zu verdanken, dass es in der Wissenschaft den Begriff “Ukrainische Avantgarde” gibt, sagte während einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center die ukrainische Malewitsch-Expertin Tetjana Filewska, die die internationale Konferenz Anfang Oktober organisiert. Sie hat auch das Begleitbuch “Kasimir Malewitsch. Seine Zeit in Kiew 1928 bis 1930” verfasst.
Das Buch enthält neu entdeckte Texte über Malewitschs Arbeit am Kiewer Kunstinstitut sowie bisher unveröffentlichte Artikel des Künstlers selbst, die erstmals 2015 zum 100. Jahrestag des Bildes “Schwarzes Quadrat” bekannt wurden. “Über Malewitschs Zeit in Kiew wurde bisher sehr wenig gesprochen, da es an Quellen fehlte. Doch die im vergangenen Jahr entdeckten Texte machen dies nun möglich. Auf der Konferenz werden wir nicht nur über die Jahre 1928 bis 1930 sprechen. Malewitsch verbindet mit Kiew sehr viel mehr: die Geburt, Kindheit, Familienbeziehungen und Ausbildung”, betonte Filewska.
Ukrainische Aspekte im Wirken des Künstlers
Da es früher so gut wie keine Quellen über Malewitschs Wirken in der Ukraine gab, galt er lange als russischer Künstler, sowohl im post-sowjetischen Raum als auch im Westen. Für Kunstwissenschaftler war es immer ein Rätsel, warum sich Malewitschs Werke in seiner Kiewer Zeit vom Rest seines Wirkens so unterscheiden.
“Sie konnten nicht verstehen, warum Malewitsch in St. Petersburg so farblos war, warum er plötzlich so bunt wurde, was dieser seltsame zweite Bauern-Zyklus war und wie er zu interpretieren ist. Als man die ukrainischen Aspekte in seinem Wirken begriff, war alles klar”, sagte Dmytro Horbatschow, der die Ukrainische Avantgarde erforscht und Ehrenvorsitzender des Organisationskomitees der Konferenz ist. Ihm zufolge mochte Malewitsch Bauern sehr. Als die Sowjets ihnen mit der Kollektivierung das Rückgrat brachen, sei das auch für ihn eine persönliche Tragödie gewesen, so der Professor. Malewitsch habe dann begonnen, hilflose Bauern zu malen.
Die Diskussion über das Wirken des Künstlers in seiner Kiewer Zeit ist nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht, sondern auch politisch wichtig, als Teil des Bruchs mit der kolonialen Vergangenheit, als die Ukraine in den Augen der Welt in einem riesigen Reich “aufgelöst” war. “Das Thema Malewitsch ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie historische Gerechtigkeit wiederhergestellt und die Dekommunisierung verlaufen sollte. Es ist ein Beispiel dafür, wie Kunst alles verändern kann. Deshalb wollte man, dass Malewitsch Russe und kein Ukrainer ist”, sagte Leonid Maruschtschak, Kunstkurator beim Ukraine Crisis Media Center.
Veranstaltungen im Rahmen der Konferenz
Tetjana Filewska teilte mit, dass es während der internationalen Malewitsch-Konferenz in Kiew im Nationalen Kunstmuseum eine Ausstellung von Archivalien geben wird, die mit dem Künstler in Verbindung gebracht werden. “Wir bereiten auch eine Ausstellung von Stickereien aus dem Dorf Werbiwka vor, die nach Malewitschs Entwürfen angefertigt wurden. Dort wird auch Material aus dem Archiv des ukrainischen Schriftstellers und Dramatikers Marko Kropywnyzkyj zu sehen sein, das wir in dem Begleitbuch zur Konferenz veröffentlicht haben”, sagte sie.
Einige Veranstaltungen im Rahmen der Konferenz werden auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich sein. Die Veranstaltungen werden von der gesellschaftlichen Organisation “Malewitsch-Institut” organisiert. Unterstützt wird sie dabei vom ukrainischen Außenministerium, dem Nationalen Kunstmuseum, dem Ukraine Crisis Media Center, dem Polnischen Institut in Kiew, der “Ja Gallerie”, dem Oleksandr-Dowschenko-Zentrum, dem Verlag “Rodovid” und der ukrainischen Zeitschrift “Antiquitäten”.