Der Film „Ich sehe“: Wenn Handikaps nicht stören

Die Macher des Films über blinde Radfahrer, die über 2.000 Kilometer durch die Ukraine fuhren, berichteten über den Schaffungsprozess des Films, sowie ihre Motivation.

Aufnahmen und Montage

Am 23. Dezember fand die Premiere des Dokumentarfilms „Ich sehe“ in Kiew statt. Er handelt von einem Team, das aus gewöhnlichen Radfahrern bestand, sowie Menschen, die Probleme mit ihrer Sehkraft hatten und über 2.000 Kilometer durch 10 Gebiete der Ukraine zurücklegten.

„Wir wollten zeigen, dass Handikaps nicht stören, dass man selbst dann unabhängig sein kann, wenn man nichts sieht und dass man sich dem Sport und sozialen Leben widmen kann“, sagte die Produzentin des Films, Viktoria Lutschka, während einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center.

„Der Film geht auch über den Mut, seinen Rahmen zu sprengen und sein Leben zu ändern. Über Möglichkeiten, innere Barrieren zu überwinden, die wir uns durch unsere Ängste und Trägheit auferlegen“, ergänzte die Filmregisseurin Olga Frase-Frasenko. „Viele setzten sich erstmals aufs Fahrrad und ich drehte erstmals einen Dokumentarfilm. Viktoria organisierte diese Großveranstaltung ebenfalls zum ersten Mal. Diese Arbeit im Team, diese Freundschaften und diese Zusammenarbeit eröffnete uns auch neue Möglichkeiten.“

Für den Film wurde eine Audiodeskription vorbereitet, damit er auch für sehbehinderte Menschen zugänglich ist. „Die Audiodeskription ist eine zusätzliche Audiospur, die erklärt, was in den jeweiligen Szenen des Films passiert, damit es auch für Menschen verständlich ist, die ernsthafte Sehprobleme haben“, erklärte Andrij Demtschuk, der die Audiodeskription entwarf und selbst an den Paralympischen Spielen teilnahm. „Mit einem Programm erarbeite ich den Content und das Programm zeigt mir, an welcher Stelle ich die Audiodeskription einsetzen muss. Das sind Stellen, an denen die Schauspieler nicht sprechen oder keine anderen wichtigen Geräusche auftauchen. Während dieser Arbeit ist es sehr wichtig, sich in das zukünftige Publikum hineinzuversetzen. Deshalb holte ich den Rat von speziellen Psychologen ein.“

„Ich sehe, kann und helfe“

Die Idee zu dem Film entstand durch das Videotagebuch „Ich sehe, kann und helfe“ über ein Radrennen. Diese Aktion wurde erstmals 2015 von der Gesellschaftsorganisation „Institut ukrainischer Studios“ organisiert. Damals vereinigten sich mehrere Menschen zur Inklusion, um die Anzahl der teilnehmenden Mitbürger zu vergrößern, die physische oder psychische Entwicklungsstörungen hatten. So schlossen sich Teilnehmer aus verschiedenen Städten zusammen, um mit gewöhnlichen Fahrrädern und Tandems innerhalb von 33 Tagen über 3.000 Kilometer durch 10 ukrainische Gebiete zu fahren. In diesem Jahr fand das zweite Radrennen über 2.000 Kilometer statt – von Lwiw nach Odessa. Diese Route dauerte 16 Tage.

„Wir versuchten, den lokalen Behördenvertretern die Wichtigkeit von Inklusion zu zeigen, damit sie öffentliche Plätze, wie Museen und andere Institutionen, den Bedürfnissen von Behinderten anpassen“, erklärte Viktoria Lutschka.

Aus den Videos, die jeden Tag ab der ersten Reise aufgenommen wurden, entstand dann ein vollständiger Film. Im Herbst des vergangenen Jahres wurde er bei der UN-Generalversammlung im Rahmen des Projekts „Möglichkeiten außer Invalidität“ mit Hilfe der ukrainischen Vertretung vorgestellt.

Allen Umständen zum Trotz

Julia Satschuk, die Co-Organisatorin des Radrennens und Koordinatorin der Informationskampagne „FightForRight“, merkte an, dass das Radrennen und der Film vor allem ein mächtiges Signal für die Menschenrechte darstellt.

„Bis heute werden Menschen mit Behinderungen weiterhin diskriminiert. Ihnen werden Absagen bei der Arbeit erteilt oder gewisse Dienstleistungen verweigert. Das Radrennen zeigte vielen Menschen, dass behinderte Menschen aktiv am Leben teilnehmen können und vollwertige Mitglieder der Gesellschaft sind. Ich denke, wer behinderte Menschen auf einem Tandem gesehen hat, wird all diese negativen Stereotypen fallen lassen“, sagte sie.

„Normalerweise meinen Leute, dass wir „arm und unglücklich“ wären, weshalb sie uns bedauern. Aber man muss uns nicht bemitleiden, sondern soweit wie möglich helfen, wenn wir darum bitten“, sagte Switlana aus Odessa, die bei beiden Radrennen mitmachte.

Sie fuhr mit ihren 43 Jahren 750 Kilometer. Nach ihrer Meinung ist vielleicht „Trägheit die größere Einschränkung als die volle Sehkraft“. In ihrem Leben war das Radrennen nicht die erste Aktion – sie sprang schon mit dem Fallschirm, flog und tauchte.

Julia Satschuk sagte, dass Audiodeskription in der Ukraine sehr selten verwendet wird, obwohl der Bedarf groß genug wäre.

„Uns gelang es, etwas zur Nationalstrategie für Menschenrechte beizutragen, damit auf gesetzgebendem Niveau die Möglichkeit entsteht, das TV-Programm mit zusätzlichen Audioinhalten zu ergänzen. Somit wird das Recht auf Informationszugang langsam vollständig erfüllt“, ergänzte sie.

Olga Frase-Frasenko sagte zudem, dass der Film in naher Zukunft frei im Internet zum Download angeboten wird. Die Initiative hat eine eigene Facebook-Seite.