In der ukrainischen Gesellschaft gibt es keinen Konsens über die staatliche Politik in Bezug auf die vorübergehend besetzten Gebieten.
Umfrageergebnisse
Die Ukrainer wollen keine Kompromisse.
27 Prozent wollen, dass die Regierung die vollständige Kontrolle über die Grenzen von der Zeit vor dem Krieg zurückerhält. 17 Prozent wollen, dass die Gebiete für besetzt erklärt und die Verbindungen dorthin maximal begrenzt werden. Nur 14 Prozent würden einen Sonderstatus, Präferenzen und Selbstverwaltung akzeptieren, um den Konflikt zu beenden. Weitere 14 Prozent sind der Meinung, dass der Staat die jetzige Politik beibehalten sollte. Und jeder Vierte hat zu dieser Frage keine Meinung. Das sagte während einer Diskussion im Ukraine Crisis Media Center Maria Solkina, Politologin der Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen”.
70 Prozent der Ukrainer sind gegen Präferenzen für jene Gebiete im Tausch gegen die Beendigung des Konflikts. Dieser Meinung sind auch 60 Prozent der Menschen in dem von der Regierung in Kiew kontrollierten Teil des Donbass. Ebenso werden in allen Regionen der Ukraine, am meisten sogar im Osten des Landes, eine Amnestie für die Separatisten und Wahlen in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten abgelehnt.
Einstellung der Gesellschaft zu den Minsker Vereinbarungen
Den Minsk-Prozess unterstützen nur elf Prozent der Befragten. Die Ukrainer sehen in ihm keinen Nutzen. “Die Minsker Vereinbarungen werden von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Sie sehen in ihnen keine positive Veränderung für ihr Leben. Aber gerade der Minsk-Prozess hat zu einer Deeskalation geführt und ermöglicht, Russland mit Sanktionen unter Druck zu setzen”, sagte Walentyn Krasnopjorow, Koordinator des Projekts “Starke Gemeinschaft” des “Zentrums UA”.
Wirtschaftsblockade – Ja oder Nein?
Eine vollständige Blockade der von Kiew nicht kontrollierten Gebiete im Donbass unterstützen 17 Prozent. Die Befürworter einer Blockade meinen, dass dies der richtige Weg zu einer Wiedereingliederung der Gebiete sei. “Alle dortigen Unternehmen zahlen ‘Tribut’ an die ‘Volksrepubliken Donezk und Luhansk’. Sie tun dies durch die erhöhten Tarife für den Transport auf der Schiene und für Energie. Sollen wir den Krieg finanzieren, den der Aggressor gegen uns führt? Wenn wir aufhören, den Krieg gegen uns zu finanzieren, dann bekommen wir eine echte Chance, diese Gebiete wieder in das Land zu integrieren”, sagte Serhij Harmasch, Chefredakteur des Portals “Ostrow” (Die Insel).
Anderer Meinung ist Jurij Hrymtschak, Berater des Ministers für die vorübergehend besetzten Gebiete und Binnenflüchtlinge. “Denkt jemand wirklich, dass wenn wir zu einer Blockade greifen, bei denen die Kugeln ausgehen und sie aufhören werden zu schießen”, betonte er. Ihm zufolge haben Unternehmen, die in den von Kiew kontrollierten Gebieten gemeldet sind, aber in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten Betriebe unterhalten, im vergangenen Jahr 32 Milliarden Hrywnja in den Staatshaushalt eingezahlt. “Das ist die Hälfte unserer Militärausgaben”, so Hrymtschak. Seiner Meinung nach ist der entscheidende Punkt, dass die Menschen in den von Kiew kontrollierten Gebieten diejenigen nicht als Verräter betrachten, die in den besetzten Gebieten geblieben sind. Dieser Meinung ist die Mehrheit der Einwohner der von Kiew kontrollierten Gebiete im Osten des Landes, die am stärksten von dem Konflikt betroffen sind. Die Öffentlichkeit und die Politiker sollten sich nicht auf eine Blockade konzentrieren. “Sollten die Verhandlungen ihren toten Punkt überwinden, dann wird die Öffentlichkeit einen Prozess zur Wiedereingliederung der Gebiete nicht akzeptieren – nach einer solchen Debatte in den Medien über eine Blockade wie jetzt, anstatt einer über eine Wiedereingliederung”, meint Olexij Mazuka, Vorsitzender der NGO “Donezker Informations-Institut”.
Keine politische Partei findet in der Gesellschaft so viel Unterstützung wie eine Blockade der von Kiew nicht kontrollierten Gebiete. “Es gibt politische Kräfte, die vorgezogene Parlamentswahlen wollen, und es gibt viele ‘unentschiedene’ Wähler. Die Menschen sind enttäuscht und wissen nicht, was zu tun. Die Blockade ist eine Möglichkeit, diese Wähler für sich zu gewinnen”, erläuterte Iryna Bekeschkina, Leiterin der Stiftung “Demokratische Initiativen”.