Seit Beginn der Okkupation der Krim durch Russland dokumentieren internationale Organisationen Menschenrechtsverstöße systematisch. In diesem Herbst stellten ukrainische Menschenrechtler eine verstärkte Unterdrückung auf der Krim fest. Sie nennen dafür mögliche Gründe und machen der ukrainischen Staatsführung und Zivilgesellschaft Handlungsvorschläge.
Am 12. Oktober wurden auf der Krim sechs Krimtataren verhaftet, die am Vortag in Bachtschyssaraj aufgegriffen wurden. Darüber berichtete der Menschenrechtler und Anwalt Emil Kurbedinow während einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center. Laut Angaben von Kurbedinow sind alle Verhafteten Mitglieder der Organisation „Solidarität mit der Krim“. Sie halfen politischen Häftlingen und deren Familien. Außerdem machten sie Protestaktionen und verteilten Informationsblätter. Laut der Version der Besatzungsbehörden, werden die Festgenommenen verdächtigt, sich bei „Hizb ut-Tahrir“ zu beteiligen, die in der Russischen Föderation als Terrororganisation eingestuft wird.
Internationale Organisationen über die Situation auf der Krim: Systematisch und absichtlich
Der oben genannte Fall ist nur einer von vielen systematischen Menschenrechtsverstößen auf der Krim. Diese Verstöße haben für ukrainische und internationale Menschenrechtler oftmals absichtlichen Charakter und dienen als Druckinstrument. So heißt es im UN-Menschenrechtsbericht zur Krim, der die gesamte Besatzungszeit umfasst und am 25. September veröffentlicht wurde, dass sich die Situation im Bereich der Menschenrechte auf der Halbinsel „während der russischen Okkupation“ bedeutend verschlechtert hatte: „Es wurden schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, wie willkürliche Verhaftungen, gewaltsame Entführungen, grausame Behandlung und Folter und mindestens ein Fall einer außergerichtlichen Todesstrafe dokumentiert.“ [Download des Berichts auf Englisch]
Auch die ukrainische Organisation „Krim SOS“ spricht über empörende Menschenrechtsverletzungen. In ihrem Bericht „Gewaltsame Entführungen auf der Krim im Verlauf der russischen Besatzung von 2014 bis 2016“, der im Frühjahr 2017 vorgestellt wurde, sind 43 Entführungsfälle aufgeführt, an denen nach Meinung der Aktivisten Staatsorgane von Russland beteiligt waren, oder bewaffnete Gruppen, die unter deren Kontrolle stehen, wie zum Beispiel die „Selbstverteidigung der Krim“. Von den 43 Entführten kamen 17 Personen auf ihrer Gefangenschaft frei. Oftmals wurden sie gefoltert. Sechs wurden tot gefunden. Zwei sind durch russische Gerichte zu Haftstrafen verurteilt worden. Bei 18 Entführungsfällen gibt es keine Informationen.
Eine neue Welle an Repressionen
Laut ukrainischen Menschenrechtlern stiegen die Repressionen gegen die Krimtataren auf der von Russland besetzten Krim von August bis Oktober 2017. So wurden kürzlich auf der annektierten Halbinsel Urteile gegen politische Häftlinge verhängt, deren Fälle sich seit langem hinzogen: Achtjom Tschijgos, Nikolaj Semena oder Ilmi Umerow. Im September wurde das Haus des Krimtataren Renat Paralamow durchsucht, wonach er an einen unbekannten Ort gebracht wurde; nach einem Tag wurde er mit Prügel- und Folterspuren am Busbahnhof von Simferopel ausgesetzt. [Link zu Material von UCMC]
Nach Meinung von Emil Kurbedinow reagiert die Russische Föderation mit der neuen Repressionswelle auf die Resolutionen des Europaparlaments und der UN: „Die russischen Behörden versuchen, Krimtataren zu finden, die man unter Druck setzen kann, damit sie irgendwelche Papiere unterschreiben, in denen sie sich schuldig bekennen. Und dann werden diese Papiere der Weltgemeinschaft als Beweis vorgelegt, dass sie gegen Krimtataren und ukrainische Aktivisten kämpfen, und zwar gegen jene, die sich selbst als Extremisten sehen.“
Vorgehen des Staates
Der Menschenrechtler Enwir Kadyrow forderte die ukrainischen Behörden dazu auf, den Status von politischen Häftlingen und deren Verwandten offiziell anzuerkennen, sowie eine offizielle Position der Ukraine in Bezug auf die Liste von Organisationen abzugeben, die das Oberste Gericht der Russischen Föderation als „Terrororganisationen“ einstuft. Emil Kurbedinow forderte ebenfalls, einen Platz für Besprechungen über die Repressionen auf der Krim zu schaffen. „Die Menschenrechtler, die auf dem Festland der Ukraine und auf der Krim arbeiten, berichten, was passiert, aber es gibt keinen gemeinsamen Platz (…). Es ist notwenig, dass ein solcher Platz eingerichtet wird, damit die Leute dort zusammenkommen, die Einflusshebel haben und Entscheidungen treffen können“, sagte er.