Lage in ATO-Zone relativ ruhig, Neues im Mordfall Nosdrowska, Saakaschwilis Start ins neue Jahr, Kirchenstreit in der Ukraine und mehr: Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten #41, 1-7 Januar 2018

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine
Die Situation in der Zone der Anti-Terror-Operation (ATO) war während der Feiertage ruhiger als im Dezember insgesamt. Einzelne Verletzungen des Waffenstillstands wurden an allen Abschnitten der Front beobachtet. Aber im Allgemeinen ist die Lage relativ ruhig.

Wird der Mord an der Rechtsanwältin Nosdrowska aufgeklärt?
Am 9. Januar wurde in ihrem Heimatdorf nahe Kiew Iryna Nosdrowska beigesetzt. Der Mord an der 38-jährigen Juristin war für die Ukrainer ein Schock. Er erinnert die Menschen erneut daran, dass Personen in hohen Staatsämtern ungestraft davon kommen können und Korruption in Strafverfolgungsbehörden ein Problem ist. Iryna Nosdrowska hatte sich seit 2015 mit einem Verkehrsunfall befasst, bei dem ihre Schwester getötet worden war. Die Juristin erreichte, dass der Schuldige eine gerechte Strafe erhielt. Er hatte unter Drogeneinfluss am Steuer gesessen und die Tragödie verursacht. Es handelt es sich um einen nahen Verwandten eines Richters. Noch vor Beginn der Ermittlungen im Fall Nosdrowska wurden in der Öffentlichkeit Vermutungen laut, der Mord an der Juristin könnte mit dem Tod ihrer Schwester zusammenhängen.

Verdächtiger festgenommen. Am 8. Januar teilte das ukrainische Innenministerium mit, dass ein Verdächtiger im Mordfall Nosdrowska festgenommen worden sei.

Wer könnte der Mörder sein? Derzeit machen die Behörden keine Angaben zur festgenommenen Person. Aber einige Medien haben bereits berichtet, dass es sich bei dem Täter um Jurij Rossoschanskyj, den Vater des Verurteilten Dmytro Rossoschanskyj, handeln könnte, der den Verkehrsunfall verursacht hatte, bei dem Nosdrowskas Schwester getötet wurde.

Wie fing alles an? Am 30. September 2015 ereignete sich im Dorf Demydiw ein Verkehrsunfall. Der dort wohnhafte Dmytro Rossoschanskyj stand unter Drogen, als er mit seinem Wagen die damals 26-jährige Switlana Sapatynska überfuhr. Der Onkel des Unfallverursachers war zu dieser Zeit Leiter des Landgerichts von Wyschhorod.

Kampf für Gerechtigkeit. Zwei Jahre nach dem Unfall konnte die Anwältin Iryna Nosdrowska erreichen, dass Dmytro Rossoschanskyj eine Strafe erhielt. Ende Mai 2017 wurde er zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Am Vorabend des Mordes. Am 27. Dezember 2017 erreichte die Verteidigung von Dmytro Rossoschanskyj vor dem Berufungsgericht des Gebiets Kiew, dass der Unfallverursacher, der für den Tod von Iryna Nosdrowskas Schwester verantwortlich ist, fast aus der Haft entlassen und amnestiert wurde. Doch das Gericht entschied, den Fall noch einmal prüfen zu lassen und verlängerte die Haft um 60 Tage. Iryna Nosdrowska führte diesen Fall persönlich. Sie hatte wiederholt berichtet, bedroht worden zu sein.

 

Saakaschwili zwischen Gerichtsverfahren in Kiew und Tiflis
Das neue Jahr hat für den ehemaligen Gouverneur des Region Odessa und georgischen Ex-Präsidenten Micheil Saakaschwili nicht gerade erfolgreich begonnen. Sowohl in Kiew als auch in Tiflis laufen gegen ihn Prozesse. Während die Untersuchungen gegen Saakaschwili in der Ukraine noch andauern, wurde in Georgien gegen ihn in Abwesenheit ein Urteil gesprochen.

Kein Flüchtlingsstatus in der Ukraine. Ende Juli 2017 wurde Saakaschwili die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen. Der formale Grund: Er habe angeblich “verheimlicht”, dass er in seiner Heimat Georgien bereits vorbestraft ist. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Konfrontation zwischen Saakaschwili und der ukrainischen Staatsmacht wirft die Generalstaatsanwaltschaft in Kiew Saakaschwili vor, mit dem berüchtigten Oligarchen Serhij Kurtschenko zu paktieren. Derzeit laufen entsprechende Ermittlungen und das Bezirksverwaltungsgericht von Kiew hat es abgelehnt, Saakaschwili einen Flüchtlingsstatus zu geben. Kurtschenko werden gute Beziehungen zur Familie des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch nachgesagt. Nach dessen Flucht nach Russland soll sich auch Kurtschenko nach Moskau abgesetzt haben.

Verfolgung in Georgien. Saakaschwili verließ Georgien unmittelbar nach der Amtseinführung eines neuen Präsidenten im Jahr 2013. Gegen Saakaschwili wurden gleich mehrere Strafverfahren eingeleitet. Die georgische Seite hatte sich wiederholt an die Ukraine mit der Bitte gewandt, den Ex-Präsidenten auszuliefern. Jedoch ist die Ukraine dieser Forderungen bislang nicht nachgekommen.

In Abwesenheit in Georgien verurteilt.
Am 3. Januar 2018 verurteilte das Stadtgericht von Tiflis den früheren georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen rechtswidriger Begnadigung von Sicherheitsbeamten. Sie waren im Fall der Ermordung von Sandro Girgvliani, einem Angestellten der United Georgian Bank, verurteilt worden.

Saakaschwilis Reaktion. Das Urteil in Georgien sowie der parallele Prozess in Kiew würden zeigen, “dass die oligarchischen Machthaber in der Ukraine und in Georgien synchron und koordiniert gegen mich vorgehen”, sagte Saakaschwili. “Die Verurteilung eines Präsidenten wegen der Anwendung des Rechts auf Begnadigung, das uneingeschränkt ist, offenbart den rein politischen Charakter dieses Prozesses”, schrieb Saakaschwili am 5. Januar bei Facebook.

Wird die Ukraine Saakaschwili an Georgien ausliefern? Offensichtlich hängt die Auslieferung des ehemaligen georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili ausschließlich von einer Entscheidung der ukrainischen Staatsmacht ab. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft gibt auf diese Frage keine klare Antwort. “Gemäß dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen wird eine Person dann ausgeliefert, wenn sie eine Straftat begangen hat, für die nach den Gesetzen der Seite, die eine Auslieferung fordert, eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr verhängt werden kann”, so die Generalstaatsanwaltschaft. Ihr zufolge wird eine Auslieferung von Saakaschwili noch geprüft. Das Ergebnis der Prüfung werde dem Justizministerium vorgelegt, das dann eine endgültige Entscheidung zu treffen habe.


Tragödie in Saporischschja im Spiegel des Kirchenstreits in der Ukraine

In der ukrainischen Stadt Saporischschja hat ein Priester des Moskauer Patriarchats abgelehnt, ein Kind zu beerdigen, das auf tragische Weise ums Leben gekommen ist. Am Abend des 31. Dezember war ein Selbstmörder aus dem Fenster eines mehrstöckigen Wohnhauses gesprungen und direkt auf den zweijährigen Jungen gefallen. Der Mann war auf der Stelle tot. Das Kind starb wenig später auf dem Weg zum Krankenhaus.

Was ist bei der Beerdigung passiert? Der Vater des Kindes, Roman Polischtschuk, berichtete, der zum Moskauer Patriarchat gehörende Priester habe während der Beerdigung erfahren, dass der Junge in der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats getauft worden sei. Diese Kirche habe er als “selbsternannt” und das Kind als “ungetauft” bezeichnet. Daraufhin habe der Priester die Beerdigung abgebrochen. Die Eltern brachten ihr Kind zur nächstgelegenen Kirche, aber auch dort wurden sie aus denselben Gründen abgewiesen. Schließlich nahm ein zum Kiewer Patriarchat gehörender Priester die Beerdigung des Kindes vor.

Hintergründe und Ursachen. Der Konflikt zwischen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats (jetzt unter dem Metropoliten Onufrij) und des Kiewer Patriarchats unter Führung von Patriarch Filaret dauert in der einen oder anderen Form schon viele Jahre. Die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats entstand im Juni 1992. Sie basiert auf dem Grundgedanken der Unabhängigkeit von der Russischen Orthodoxen Kirche. Das Kiewer Patriarchat wird allerdings gegenwärtig nicht von der Weltorthodoxie anerkannt. Seit den 1990er Jahren kämpfen beide Kirchen in der Ukraine um Kirchengebäude und Gläubige. Das Moskauer Patriarchat erkennt das Kiewer Patriarchat nicht an, bezeichnet deren Priester als “Kirchenspalter” und nimmt eine exklusivistische Haltung ein. Das Moskauer Patriarchat betrachtet alle Taufen und Weihen des Kiewer Patriarchats als ungültig. Allein das Moskauer Patriarchat sei die wahre orthodoxe Kirche.

Religion und Politik. Der russisch-ukrainische Krieg zwingt seit 2014 Gemeindemitglieder und Kleriker zunehmend, sich zwischen Kiew und Moskau zu entscheiden. Laut dem Bericht “Wenn Gott zur Waffe wird”, der von der gesellschaftlichen Organisation “Zentrum für bürgerliche Freiheiten” vorgelegt wurde, sind Vertreter des Moskauer Patriarchats wiederholt dabei beobachtet worden, wie sie prorussischen Rebellen im Donbass helfen. In den besetzten Gebieten im Donbass wird nur die Kirche des Moskauer Patriarchats anerkannt, alle anderen Konfessionen sind Repressalien und Drohungen ausgesetzt.

Zu welcher Kirche gehören die Ukrainer? Laut einer Umfrage der soziologischen Gruppe “Rating”aus dem Jahr 2016 zählen sich 32 Prozent der Befragten zur Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats und 27 Prozent zur Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats. Weitere neun Prozent gehören zur Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, ein Prozent zur Römisch-katholischen Kirche und weniger als ein Prozent sind Protestanten. 24 Prozent glauben an Gott, fühlen sich aber keiner Konfession zugehörig. Und vier Prozent sind Atheisten. Laut einer anderen Umfrage von TNS MMI glauben in der Ukraine 56 Prozent der Menschen an Gott. Mehr als die Hälfte der Befragten (60 Prozent) sympathisieren mit dem Kiewer Patriarchat, deutlich weniger (24 Prozent) mit dem Moskauer Patriarchat.

Reaktion der Gesellschaft. Nach den Ereignissen um die Beerdigung des zweijährigen Jungen in Saporischschja rief Jurij Hudymeko, ein Blogger ebenfalls aus Saporischschja, die Ukrainer auf, Puppen vor Kirchen des Moskauer Patriarchats zu legen. Viele Menschen folgten seinem Aufruf und stellten allerlei Kinderspielzeug vor die Kirchentüren. Sie brachten auch Plakate mit, auf denen stand: “Das Kind ist an nichts schuld”. Auf diese Weise brachten die Teilnehmer der Aktion ihren Protest gegen die Haltung der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats zum Ausdruck.