Reintegration des Donbass, Ukraine wegen Anti-Korruptions-Gericht unter internationalem Druck sowie weitere Themen: Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten #43, 16.-22. Januar 2018

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Die ganze Woche über kam es in der Zone der Anti-Terror-Operation (ATO) zu Kämpfen mit geringer Intensität. Die Rebellen haben die Waffenruhe zwei bis sieben Mal am Tag verletzt, meist unter Verwendung verbotener schwerer Waffen. In der Gegend um Schyrokyne kam es am 20. Januar zu einem Gefecht mit einem Sabotage- und Aufklärungstrupp des Feindes. Die ukrainischen Militärs konnten den Angriff erfolgreich abwehren. Ein verletzter Rebelle wurde gefangen genommen.

Waffen aus den USA. Die Vereinigten Staaten werden der Ukraine Anti-Panzer-Raketen des Typ Javelin zur Verfügung stellen. Das hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko auf einer Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates angekündigt. Ihm zufolge sollen in diesem Jahr vier Mal mehr Panzerabwehrwaffen für die Verteidigung des Landes bestellt werden. Die amerikanischen Javelin-Raketensysteme sollen noch in der ersten Hälfte dieses Jahres an die ukrainische Armee geliefert werden. Das erklärte nach Angaben der Deutschen Welle der Generalstabschef der ukrainischen Streitkräfte, Viktor Muschenko.

Wie viele Waffen sind in der Ukraine im Umlauf?

Laut einem Bericht von Journalisten des ukrainischen Senders “Hromadske” verfügen seit Beginn der Militäraktion im Donbass immer mehr Menschen in der Ukraine über Waffen. Der Bericht stützt sich auf eine Studie des internationalen Experten Anton Martyniuk über den illegalen Umlauf von Waffen in der Ukraine. Martyniuk zufolge fehlt in der Ukraine ein entsprechendes Gesetz, dass die Herstellung und den Besitzes von Waffen regulieren sowie den illegalen Umlauf von Waffen erschweren würde.

Gerichtsurteile und Waffengebrauch. Seit Beginn des Krieges im Donbass ist die Zahl der Gerichtsurteile wegen illegalen Waffengebrauchs in Kiew um 55 Prozent gestiegen. Das geht aus dem Register der Gerichtsurteile hervor. Nach Angaben des Innenministeriums dokumentierte die Polizei im Jahr 2017 fast 8000 Fälle von illegalem Waffengebrauch.

Beschlagnahme von Waffen. Allein im Jahr 2017 beschlagnahmte die Polizei 2500 Feuerwaffen. Davon waren fast die Hälft Pistolen, 78 Granatwerfer, aber auch Maschinengewehre und Gewehre. Außerdem stellten Polizeibeamte 240.000 Patronen, mehr als 2000 Granaten und 72 Sprengkörper sicher.

Anzahl der Waffen in der Ukraine. In den Händen der ukrainischen Bürger könnten sich bis zu fünf Millionen nicht registrierte leichte Waffen befinden, sagt Heorhij Utschajkin vom “Ukrainischen Verband der Waffenbesitzer”. Der Berater des Innenministers, Iwan Wartschenko, erklärte hingegen, diese Zahl habe bei weitem nichts mit der Realität zu tun. Offiziell würden sich in den Händen der Ukrainer 1,2 Millionen registrierte und rund 300.000 illegale Waffen befinden.

Das Gesetz zur Reintegration des Donbass: Was man wissen sollte


Abstimmung und Änderung in letzter Minute.
Am 18. Januar hat das ukrainische Parlament das Gesetz “Über die Besonderheiten der staatlichen Politik zur Gewährleistung der staatlichen Souveränität der Ukraine in den vorübergehend besetzten Teilen der Regionen Donezk und Luhansk” verabschiedet. Darin wird die Russischen Föderation als Aggressor-Staat bezeichnet. Für den entsprechenden Gesetzentwurf mit der Nummer 7163 votierten 280 Abgeordnete. Vor der Abstimmung brachte der Berichterstatter, der Abgeordnete Iwan Winnyk von der Fraktion “Block Petro Poroschenko”, in aller Eile eine Vielzahl noch zu berücksichtigender Änderungen ein.

Russland ein Besatzer-Staat. Das Gesetz zur Reintegration des Donbass definiert den Begriff der “russischen Besatzungsmacht” und der “russischen Besatzungstruppen”. Das vom Parlament erlassene Gesetz “macht es möglich, russische Militärangehörige vor internationalen Gerichten, insbesondere vor dem Haager Tribunal, zu verklagen”, sagte Iryna Luzenko, Vertreterin des ukrainischen Präsidenten im Parlament.

Die Minsker Vereinbarungen und das neue Gesetz. Das Gesetz zur Reintegration des Donbass sieht die strafrechtliche Verantwortung für die Teilnahme an Kampfhandlungen und für die Zusammenarbeit mit den Besatzungsbehörden vor. Darin kann ein Widerspruch zu Punkt 5 der Minsker Vereinbarungen gesehen werden, der eine Amnestie “für an den Ereignissen beteiligte Personen” vorsieht.

Anerkennung von Dokumenten der “DNR” und “LNR”. Das Gesetz zur Reintegration des Donbass besagt, dass der ukrainische Staat nur zwei Arten von Dokumenten anerkennt, die in den besetzten Gebieten von der sogenannten “Donezker Volksrepublik” (DNR) und der sogenannten “Luhansker Volksrepublik” (LNR) ausgestellt werden: Geburts- und Sterbeurkunden. Diese Bestimmung geht auf den Abgeordneten der Fraktion “Block Petro Poroschenko”, Mustafa Najem, zurück. Er betonte, dieser Punkt sei wichtig, weil die Menschen, die eine vom ukrainischen Staat ausgestellte Urkunde erhalten wollten, eine Geburt oder einen Sterbefall nicht mehr von einem Gericht erst bestätigen lassen müssten. “Das bisherige Verfahren war absurd. Ukrainische Gerichte können nicht wirklich entsprechende Fakten überprüfen”, so Najem.

Stärkung der Armee. Das Gesetz zur Reintegration des Donbass gewährt denjenigen, die gegen die russische Aggression kämpfen, weitgehende Befugnisse und dem Staatsoberhaupt das Recht, über den Einsatz der Streitkräften ohne parlamentarische Kontrolle zu entscheiden. Darauf macht der Abgeordnete Mustafa Najem aufmerksam. Er schreibt auf Facebook, dass diese und weitere Bestimmungen des Gesetzes “wohl kaum als positiv bezeichnet werden können”.

Handel mit der “DNR” und “LNR”. Der Sekretär des parlamentarischen Ausschusses für nationale Sicherheit und Verteidigung, Iwan Winnyk, sagte, das vom Parlament verabschiedete Gesetz zur Reintegration des Donbass erlaube keinen Handel mit den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten, sondern nur die Mitnahme von Waren durch Einzelpersonen.

Bewertung seitens des Präsidenten. Das ukrainische Staatsoberhaupt Petro Poroschenko begrüßte die Annahme des Gesetzes durch das Parlament der Ukraine. Er versichert, dass die Führung des Landes die Reintegration der besetzten Gebiete sowohl auf politischem als auch diplomatischem Weg vorantreiben werde.

Reaktion der westlichen Partner. Die Europäische Union sieht in dem Gesetz eine interne Organisation der ukrainischen zivilen und militärischen Strukturen. Zugleich hofft sie, dass die Verpflichtungen im Rahmen des Minsker und des Normandie-Prozesses erfüllt werden. “Dieses Gesetz betrifft die interne Organisation der ukrainischen zivilen und militärischen Strukturen im Kontext des Konflikts in der Ostukraine mit Blick auf die künftige Reintegration von Gebieten, die nicht von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden”, sagte die Sprecherin der EU.

Die deutsche Bundesregierung will der Frage nachgehen, ob das Gesetz zur Reintegration des Donbass den Minsker Vereinbarungen entspricht, berichtet die Deutsche Welle. Die Minsker Vereinbarungen, die von Kiew anerkannt würden, müssten unverändert bleiben, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Russlands Reaktion. Der russische Präsident Wladimir Putin berief nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Reintegration des Donbass durch das ukrainische Parlament den Sicherheitsrat der Russischen Föderation ein. Nach Ansicht des Kremls kann sich das Gesetz auf eine künftige Regelung negativ auswirken. Putins Pressesprecher Dmitrij Peskow unterstrich am 19. Januar, es gebe keine Alternative zu den Minsker Vereinbarungen und auch nicht zum Normandie-Format. Außerdem sei Moskau nicht damit einverstanden, dass Russland in dem Gesetz als “Aggressor-Staat” bezeichnet werde.


Gezerre um Gesetz über Anti-Korruptions-Gericht

Der Streit zwischen Präsident Petro Poroschenko und seinen westlichen Partnern darüber, wie das ukrainische Anti-Korruptions-Gericht aussehen soll, dauert an. Das UCMC hat bereits über den Gesetzentwurf des Präsidenten über ein Anti-Korruptions-Gericht und die Reaktion der Zivilgesellschaft darauf berichtet. Letzte Woche haben sich auch die westlichen Partner der Ukraine zu Wort gemeldet.

Kritik vom IWF. Am 15. Januar informierte der Internationale Währungsfonds die ukrainische Regierung, dass die Verabschiedung des Gesetzentwurfs des Präsidenten in seiner jetzigen Fassung bedeuten würde, dass Kiew seine Verpflichtungen gegenüber seinen internationalen Partnern verletzt. Dies geht aus einem Brief des Leiters der IWF-Mission in der Ukraine, Ron van Roden, hervor. Der Brief ist an den Leiter der Präsidialverwaltung, Ihor Rajnin, gerichtet. Kopien erhielten auch der Premierminister, der Parlamentsvorsitzende, mehrere Minister und Regierungsvertreter sowie andere Staatsdiener. In seinem Brief schließt der IWF-Vertreter kategorisch aus, dass der IWF einer Annahme von Poroschenkos Gesetzentwurf zustimmt.

Argumente des IWF. Die Hauptargumente des IWF sind die gleichen, die von ukrainischen Experten vorgebracht werden. Vor allem wird die Auswahl der Richter beanstandet. Der IWF verlangt, dass die Präsidialverwaltung der Empfehlung der Venedig-Kommission folgt und Vertretern der internationalen Geldgeber, die die Ukraine bei der Korruptionsbekämpfung unterstützen, das Recht erteilt, die Ernennung nicht tugendhafter Richtern zu blockieren. Der öffentliche Rat internationaler Experten solle eine entscheidende Rolle spielen und nicht nur eine beratende Funktion haben, so wie in Poroschenkos Gesetzentwurf vorgesehen. “Eine negative Entscheidung des Rates bezüglich eines Kandidaten sollte für die Oberste Qualifikation-Kommission der Richter verbindlich sein”, heißt es in dem Brief des IWF. Außerdem schaffe der Gesetzentwurf rechtliche Möglichkeiten, die Einrichtung eines Anti-Korruptions-Gerichts weiter hinauszuzögern. “Die Kompetenzen des Gerichts müssen denen des Nationalen Anti-Korruptions-Büros und der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft entsprechen”, so der IWF.

Kritik von der EU. Auch die Europäische Union kritisiert Poroschenkos Gesetzentwurf über ein Anti-Korruptions-Gericht. “Die wichtigsten Bestimmungen des Entwurfs entsprechen nicht den Empfehlungen der Venedig-Kommission. Es ist wichtig, dass diese Fragen überprüft werden und die EU sendet dieses Signal an die ukrainische Führung”, heißt es aus Brüssel.

Warnung der Weltbank. Die für die Ukraine zuständige Direktorin der Weltbank schickte auch ein Schreiben an das ukrainische Parlament und an die Präsidialverwaltung. Darin macht sie deutlich, dass eine Verabschiedung des Gesetzes über das Anti-Korruptions-Gericht in der vom Präsidenten vorgeschlagenen Fassung inakzeptabel ist. Die Weltbank betont, dass die Ukraine den Gesetzentwurf mit den Empfehlungen der Venedig-Kommission in Einklang bringen sollte, wenn sie Garantien der Bank in Höhe von 800 Millionen US-Dollar erhalten wolle. Die ukrainische Präsidialverwaltung weist unterdessen alle Vorwürfe als unberechtigt zurück.