Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine
Am 5. Dezember haben die russischen Besatzungstruppen zweimal die Stellungen der ukrainischen Vereinigten Kräfte in der Nähe von Awdijiwka beschossen. Zunächst schoss der Feind mit 120-mm-Mörsern, die laut den Minsker Vereinbarungen verboten sind. Es gab 23 Explosionen.
Die Russische Föderation hält ihre Verpflichtung zu einem dauerhaften Waffenstillstand gemäß dem Kommunique, das nach den jüngsten Gesprächen der Staats- und Regierungschefs im Normandie-Format in Paris beschlossen wurde, nicht ein. Die russischen bewaffneten Verbände und ihre Söldner verletzen weiterhin den Waffenstillstand im Donbass. Nach Angaben des ukrainischen Stabs verwendeten die Terroristen beim Beschuss 82-mm-Mörser, verschiedene Granatwerfer und großkalibrige Maschinengewehre. Auch waren Scharfschützen im Einsatz.
In einem Interview für die Nachrichtenagentur “UNIAN” sagte der ukrainische Außenminister Wadym Prystajko, dass zu Weihnachten im Donbass, am 20. oder 21. Dezember, ein Waffenstillstand erklärt werden könnte. Auch sei die Ukraine bereit, drei neue Gebiete für die Truppenentflechtung anzubieten.
Selenskyjs “Interview” fürs russische Fernsehen
Der russische TV-Sender “Rossija 1” hat eine kurze Antwort des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ausgestrahlt, die am Rande des Normandie-Gipfels in Paris aufgenommen und dann vom Sender als “Interview” verkauft wurde.
Selenskyj hatte gegenüber russischen Journalisten gesagt, es sei notwendig, in Bezug auf die Minsker Vereinbarungen flexibel zu sein: “Minsk ist Minsk, aber die Zeit vergeht, die Zeit ändert sich. Wir haben etwas andere Ansichten. Ich denke, dass unser Land das eigentlich besser weiß, weil es unser Land ist. Wir kennen die Menschen sehr gut, die in den besetzten Gebieten leben. Ich denke, Hauptsache ist, dass wir alle begonnen haben, miteinander zu reden. Das ist das Wichtigste. Ich denke, dass dies ein richtiger Anfang ist: eben ein Treffen in einem solchen Format. Wir haben die Möglichkeit, ein Ergebnis zu erzielen, und zwar das Ende des Krieges in der Ukraine.”
Der russische Propaganda-Sender betonte in seinem Bericht, dass dies in den letzten sechs Jahren das erste normale Gespräch zwischen einem ukrainischen Präsidenten und russischen Journalisten gewesen sei. “Rossija 1” hatte es in einer Ankündigung so dargestellt, als hätte Selenskyj dem Sender ein vollwertiges Interview gegeben. Julia Mendel, Sprecherin des ukrainischen Präsidenten, stellte klar, sie habe keine Interviews arrangiert. Inzwischen erklärte Selenskyj selbst im ukrainischen TV-Sender “1+1”, er habe “Rossija 1” kein Interview gegeben.
Mordfall Scheremet: Ermittler nennen Verdächtige, Öffentlichkeit ist skeptisch
Seit dem Mord an dem bekannten Journalisten Pawel Scheremet, der am 20. Juli 2016 in Kiew durch eine Bombe an seinem Auto getötet wurde, sind dreieinhalb Jahre vergangen. Fast die ganze Zeit schwiegen die Ermittler. Doch am 12. Dezember 2019 nahm die Polizei zwei Verdächtige fest und gab eine Pressekonferenz, bei der auch Präsident Wolodymyr Selenskyj anwesend war. Er hatte zuvor gesagt, dass die Führung des Innenministeriums ausgetauscht würde, sollte es keine Fortschritte im Fall Scheremet geben.
Die Ermittler verdächtigen mindestens fünf Personen: die Krankenschwester eines Fallschirmbataillons Jana Duhar, die Ärztin und Freiwillige Julia Kusmenko, den Musiker und Freiwilligen Andrij Antonenko sowie die bekannten Freiwilligen Wladyslaw und Inna Hryschtschenko, auch Butscha und Puma genannt.
Doch die Öffentlichkeit ist von den Angaben der Behörden nicht sehr überzeugt. Beobachtern zufolge könnten die Festnahmen politisch motiviert sein. Denn bei der Pressekonferenz wurden keine direkten Beweise für eine Beteiligung jener Personen an dem Mord vorgelegt. Die Telefonmitschnitte enthalten keine Infos über Scheremet und können aus dem Zusammenhang gerissen sein. Der Verdacht beruht darauf, dass die Telefone der Verdächtigen in jener Nacht ausgeschaltet waren, und auf körperlichen Ähnlichkeiten, die auf Bildern von Überwachungskameras zu erkennen sein sollen. Die Verdächtigen sind in Freiwilligen- und Veteranen-Kreisen bekannt. Mehr vom Ukraine Crisis Media Center:
Pressekonferenz der Polizei
Die Polizei erklärte, sie sei durch Ermittlungen in anderen Fällen auf die Gruppe der Verdächtigen gestoßen – und zwar bei der Untersuchung des Anschlags auf Hochspannungsmasten in Tschonhar im Süden der ukrainischen Oblast Cherson an der Grenze zur Krim und bei Ermittlungen im Zusammenhang mit einem Attentat auf einen Geschäftsmann im Gebiet Iwano-Frankiwsk. Bei den Anschlägen seien Ähnlichkeiten aufgefallen, so die Ermittler. Sie betonten, sie hätten 20 Gruppen und 80 Millionen Telefongespräche und Aufnahmen von 221 Überwachungskameras untersucht. Unklar sei aber nach wie vor das Motiv für den Mord an Pawel Scheremet. Für möglich gehalten werde das Motiv, die “Lage im Land zu destabilisieren”. Präsident Selenskyj lobte noch während der Pressekonferenz die Ergebnisse.
Was ist über die Verdächtigen bekannt?
Andrij “Riffmaster” Antonenko.Der ukrainischer Musiker und Sergeant der Streitkräfte der Ukraine hat seit den ersten Kriegstagen im Donbass zunächst als Freiwilliger geholfen und sich später den Spezialeinheiten angeschlossen. Der Song von Riffmaster “Leise gekommen, leise gegangen”gilt als das Lied der Spezialeinheiten der Streitkräfte. Antonenko genießt Ansehen bei Veteranen und Militärs.
Laut den Behörden war es Antonenko, der die Frau begleitete, die nachts die Bombe am Auto von Pawel Scheremet angebracht hatte. Die Ermittler verweisen auf ein bedrucktes Kleidungsstück, das der mutmaßliche Komplize des Mordes trug, sowie auf seine Gangart. Antonenko war einige Monate vor dem Mord an Scheremet am Fuß operiert worden und hätte humpeln können.
Die Ermittler sagen, sie seien aufgrund seiner Verbindungen zu jenen anderen Verbrechen auf Antonenko gekommen. Bei dem Anschlag auf die Strommasten in Tschonhar im Herbst 2015 habe ein Mann ein Sweatshirt mit einem Aufdruck getragen, ähnlich dem, das der mutmaßliche Komplize des Mordes an Scheremet getragen hatte. Antonenko wohnt den Ermittlern zufolge in der Nähe von Scheremets Wohnung in Kiew. Antonenko selbst versteht nicht, warum er verdächtigt wird. Er sagt, in der Nacht des 20. Juli 2016 außerhalb von Kiew in der Stadt Worsel gewesen zu sein.
Julia Kusmenko.Die Kinderärztin unterstützte ukrainische Soldaten im Donbass. Die Ermittler glauben, dass sie in der Nacht vom 20. Juli 2016 die Bombe an Scheremets Auto angebracht hat.
Jana Duhar.Die Krankenschwester des 25. Fallschirmbataillons spähte den Ermittlern zufolge die Umgebung von Scheremets Wohnhaus aus. Sie habe mit einem Mobiltelefon die Überwachungskameras am künftigen Tatort abfotografiert. Die Polizei veröffentlichte auch einen Telefonmitschnitt, in dem die junge Frau sich über mögliche Durchsuchungen ihrer Wohnung Sorgen macht.
Eheleute Hryschtschenko.Wladyslaw Hryschtschenko nahm an den Kämpfen im Donbass teil und wurde am 24. September festgenommen, seine Frau Inna am 5. November. Beide wurden vom Gericht wegen des misslungenen Mords an dem Geschäftsmann Mychajlo Tschekurak in der Stadt Kosiw im Westen der Ukraine inhaftiert. Ende Oktober wurde der Fall an die Nationale Polizei in Kiew übertragen. Anfang November berichteten ukrainische Medien, die Hryschtschenkos könnten den Ermittlern zufolge in den Mord an Scheremet verwickelt sein. Ende November verlängerten die Richter die Untersuchungshaft für das Ehepaar. Hryschtschenko sagte, die Beamten hätten ihm vorgeschlagen, sich des Mordes an Scheremet oder einer anderen von den Ermittlern angebotenen Straftat schuldig zu bekennen. Dann würde seine Frau freikommen.
Vorbeugende Maßnahme des Gerichts
Duhar wurde unter Hausarrest gestellt und Antonenko und Kusmenko wurden für zwei Monate in Haft genommen. Gleichzeitig besteht ein gewisses Misstrauen der Öffentlichkeit, was den Richter Serhij Wowk angeht. Die Anwälte aller Verdächtigen hatten vergeblich einen anderen gefordert. Im Jahr 2012 hatte Wowk den damals früheren Innenminister und späteren Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko wegen einer angeblich illegalen Feier anlässlich des Tags der Miliz zu vier Jahren Haft verurteilt. Das Urteil wurde später vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als solches eingestuft, das nicht internationalen Standards entspricht. Wowk war auch an anderen Urteilen beteiligt, die von dem Gerichtshof als politisch kritisiert wurden.
Was sagen die Anwälte und Verdächtigen?
Jana Duhar.Ihre Verteidigung sagt, dass Jana vom 3. Juni bis 29. September 2016 in ihrer Militäreinheit war. Doch die Frage, ob sie zwischendurch die Einheit verlassen habe, gab es weder von ihr selbst noch von ihren Anwälten eine Antwort. Sie sagen ferner, dass das Foto, das während der Untersuchung mit Jana verglichen worden sei, zu einer Zeit aufgenommen wurde, in der Jana im Ausland war. Ihre Verteidigung betont, dass sie zum ersten Mal im Juli 2017 nach Kiew gekommen sei, als sie eine Auszeichnung vom damaligen Verteidigungsminister Stepan Poltorak erhalten habe. Duhar hat mehrere Auszeichnungen für Ihren Einsatz an der Front bekommen.
Julia Kusmenko.Die zweite Verdächtige und ihre Verteidigung haben darum gebeten, Julias ehemaligen Ehemann zu befragen. Dieser, aber auch die Leiterin des Krankenhauses, in dem die Verdächtig arbeitet, könnten bestätigen, dass Julia in der Nacht vom 19. auf den 20. Juli 2016 zuhause gewesen sei. Sie selbst sagt, sie sei am 20. Juli gegen 7 Uhr morgens an ihrem Arbeitsplatz gewesen und habe dort von dem Anschlag auf Scheremet aus den Nachrichten erfahren. Vor Gericht sagte die Verdächtige, die Polizei habe während der Pressekonferenz die Unschuldsvermutung verletzt, wodurch “ihr Leben zerstört wurde”. Sie fügte hinzu, sie werde ihre Unschuld durch weitere Nachforschungen beweisen.
Andrij Antonenko.Der Anwalt des Verdächtigen, Kostjantyn Tatartschenko, sagte, der Verdacht gegen Antonenko sei unbegründet: “Ich glaube, es gibt eine Anweisung des Innenministeriums und anderer Regierungsbehörden, dieses Verbrechen bis Ende 2019 aufzuklären”, so der Verteidiger. Gleichzeitig betonte die Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen hätten ergeben, dass Antonenko am Vorabend der Durchsuchungen bei ihm eine Mine vom Typ MON-50 an eine andere Person übergeben habe. Diese Mine sei sichergestellt worden.
Antonenko sagte vor Gericht, er sei Halbjude und halte es daher für unangemessen, den Vorwurf gegen zu erheben, er kultiviere “Größe der arischen Rasse”. Zudem betonte er, er sehe nicht dem Mann ähnlich, der auf den Bildern der Überwachungskameras im Umfeld des Hauses aufgenommen wurde, wo Scheremet gewohnt hatte. Weder Bart, Schultern noch Ohren würden übereinstimmen.
Mehr als zehn Personen habens ich unterdessen bereit erklärt, für Antonenko zu bürgen, darunter der Musiker Oleksandr Poloschynskyj, der Sprecher der Spezialkräfte der ukrainischen Armee, Oleksij Nikiforow, die Parlamentsabgeordnete Jana Sinkewitsch und andere.