Ein Verlust für Kolomojskyj? Ukraine verabschiedet Bankengesetz

Das ukrainische Parlament hat in zweiter Lesung das neue Bankengesetz angenommen. Es wird auch als “Anti-Kolomojskyj-Gesetz” bezeichnet. Der Oligarch Ihor Kolomojskyj war Besitzer der 2016 verstaatlichten PrivatBank. Das neue Gesetz verhindert, dass verstaatlichte Banken an ihre früheren Eigentümer zurückgeben werden können. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte von einer Verabschiedung des Gesetzes seine weiteren Hilfen für die Ukraine abhängig gemacht. Am 13. Mai 2020 stimmte schließlich eine Mehrheit für das Gesetz. Es muss noch vom Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unterzeichnet werden. Einzelheiten vom Ukraine Crisis Media Center:

Wie wurde das Bankengesetz verabschiedet? Das Verfahren zog sich seit Ende 2019 hin. Der IWF hatte noch im Jahr 2018 im Zusammenhang mit einem vorläufigen Kreditprogramm ein solches Gesetz gefordert. Doch damals erfüllte Kiew die Forderungen nicht, weswegen der IWF sein Kreditprogramm verschob.

Am 30. März 2020 wurde das Gesetz in erster Lesung verabschiedet. Zu dem Zeitpunkt begann wegen der Coronavirus-Pandemie weltweit eine Wirtschaftskrise. Die ukrainische Regierung suchte dringend Geld, um das Loch im Staatshaushalt zu stopfen. Um einen schnellen Beschluss in zweiter Lesung nicht zu gefährden, verkürzten die Abgeordneten die Frist, die für Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen gilt.

Doch innerhalb einer Woche wurde eine noch nie dagewesene Anzahl von Änderungsanträgen zum Entwurf für ein neues Bankengesetz eingereicht: über 16.500. Fast alle kamen von sieben Abgeordneten, die meisten vom ehemaligen Mitglied der regierenden Partei “Diener des Volkes”, Anton Poljakow. Um in der zweiten Lesung die Tausenden Anträge nicht berücksichtigen zu müssen, beschlossen die Abgeordneten ein sogenanntes “Anti-Spam-Gesetz”, mit dem die Geschäftsordnung des Parlaments geändert wurde. Somit mussten all die über 16.000 Anträge nicht mehr erörtert werden. 

Was genau regelt das Gesetz? Das Bankengesetz garantiert, dass nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, wenn eine Bank vom Markt genommen wurde. Falls ein Gericht die Entscheidung der Nationalbank, eine Bank vom Markt zu nehmen, für nicht rechtens erklärt, wird die Insolvenz oder Schließung der Bank nicht gestoppt. Das heißt, dass der Verkauf von Vermögenswerten und die Abrechnungen mit Einlegern und Gläubigern der Bank fortgesetzt werden. Faktisch schließt das Gesetz Lücken in der Gesetzgebung, die Gerichten ermöglicht hatten, Banken wiederzubeleben, die aufgrund von Insolvenz vom Markt genommen worden waren. Die Möglichkeiten, solche Banken über Gerichte wieder zum Leben zu erwecken, sind in vielen Ländern, darunter der Europäischen Union, begrenzt.

Zweitens ändert das Gesetz das Berufungsverfahren gegen Entscheidungen der Nationalbank und anderer staatlicher Stellen, was den Rückzug von Banken vom Markt betrifft. So dürfen Gerichte nicht die Nationalbank ersetzen. Sie sollen lediglich Beschlüsse auf ihre Rechtmäßigkeit hin prüfen können, aber sie dürfen nicht die Entscheidungen der Regulierungsbehörden in Frage stellen.

Drittens definiert das Gesetz klar die Voraussetzungen und das Verfahren für die Entschädigung ehemaliger Eigentümer, sollte ein Gericht eine Entscheidung der Nationalbank für rechtswidrig erklären. Damit das Verfahren zur Vergütungsberechnung transparent und unparteiisch bleibt, soll eine international anerkannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft darin eine Schlüsselrolle übernehmen.

Viertens verbessert das Gesetz das Beschlussverfahren der Nationalbank. Insbesondere ermöglicht es, Probleme bei Banken zu einem früheren Zeitpunkt aufzudecken und so ihre Vermögenswerte zu erhalten und die Banken mit möglichst geringen Verlusten vom Markt zu nehmen.

Fünftens hat der Staat jetzt mehr Möglichkeiten, Banken zu verstaatlichen. Dies wird das Verfahren effizienter machen, damit eine solche Bank ihre Arbeit fast sofort wieder aufnehmen kann.

Zusammenarbeit mit dem IWF. Das neue Bankengesetz ist die Hauptvoraussetzung für die Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen der Ukraine mit dem Internationalen Währungsfonds. Der IWF wartete rund sechs Monate auf die Verabschiedung des Gesetzes – seitdem er sich bereit erklärt hatte, ein langfristiges EFF-Programm (Extended Fund Facility) mit der Ukraine zu unterzeichnen. Anfang Mai 2020 gab der Fonds dies jedoch teilweise auf. Er ging von einem langfristigen Programm über acht Milliarden US-Dollar für einen Zeitraums von drei Jahren zu einem kurzfristigen Stand-by-Programm für anderthalb Jahre über.

Die Höhe des IWF-Kredits für diese anderthalb Jahre soll bei fünf Milliarden US-Dollar liegen. Bis Ende 2020 soll Kiew vom IWF rund 3,5 Milliarden US-Dollar erhalten. Ein erheblicher Teil dieses Betrags kann sofort dem Staatshaushalt zufließen, was helfen wird, das Haushaltsdefizit zu decken.

Durch die Zusammenarbeit mit dem IWF kann die Ukraine auch von anderen Partnern Geld erhalten, darunter von der Weltbank, der Europäischen Kommission, den Regierungen Kanadas und Japans. All die Gelder sollen dem Staatshaushalt zukommen. Dies wird der Ukraine ermöglichen, im Jahr 2020 über die Runden zu kommen und alle wegen des Coronavirus geplanten Ausgaben zu finanzieren: von Unterstützungsprogrammen für Kleinunternehmen bis hin zu Rentenerhöhungen.

Was hält Kolomojskyj vom Bankengesetz? “Es wird für eine Weile meinen Kampf um die Rückgabe der PrivatBank verzögern”, sagte Ihor Kolomojskyj dem ukrainischen Sender “Hromadske”. Er betonte allerdings zugleich, er brauche die Bank gar nicht. “Ich möchte einfach nur ein Urteil bekommen, dass sie mir nicht rechtens genommen wurde. Es ist doch klar, auch wenn man mir sie zurückgeben würde, könnte sie nicht mehr funktionieren. Westliche Partner würden mit ihr nichts zu tun haben wollen und würden ihre Konten schließen”, erläuterte Kolomojskyj. Er ist sich sicher, dass er als Eigentümer nicht mehr akzeptiert werden würde. Zudem würde es zu Schwierigkeiten im internationalen Zahlungsverkehr kommen, aber auch zu Problemen mit der jetzigen Leitung der Nationalbank. Kolomojskyj unterstrich, er verfolge nicht das Ziel, dass niemand anderes die Bank bekommen solle. In ihr würden 30.000 Menschen arbeiten. “Ja, das ist mein Kind, das erwachsen und unabhängig geworden ist, aber mein Verhältnis zu ihm hat sich nicht geändert”, sagte Kolomojskyj.

Wie geht es nun weiter? Am 13. Mai stimmten 270 Abgeordnete in der zweiten Lesung für das “Anti-Kolomojskyj-Gesetz”. Doch einige Abgeordnete haben die Unterzeichnung des Gesetzes mit einigen Beschlussvorlagen blockiert. Auf seiner Sitzung am 19. Mai kann das Parlament diese ablehnen. Gemäß der Geschäftsordnung darf der Parlamentsvorsitzende ohne Prüfung jener Vorlagen das Bankengesetz nicht unterzeichnen und dem Präsidenten zur Unterzeichnung vorlegen. Das Gesetz tritt endgültig in Kraft, wenn es vom Vorsitzenden des Parlaments und dem ukrainischen Staatsoberhaupt unterzeichnet und im Anschluss daran in der Regierungszeitung veröffentlicht ist.