Am 23. August 2021 hat in Kiew das erste Gipfeltreffen der Krim-Plattform stattgefunden. Sie ist eine diplomatische Initiative der ukrainischen Staatsmacht, die so eine Verhandlungs-Plattform zur Koordinierung der Maßnahmen der Ukraine und internationaler Partner zum Schutz der Rechte der Menschen auf der Krim und der De-Okkupation der Krim schaffen will. Der erste Gipfel hatte 46 Teilnehmer – Vertreter von Ländern und internationalen Organisationen. Wer ist gekommen? Was waren die wichtigsten Aussagen der Teilnehmer? Was denken die Ukrainer über die Zukunft der Halbinsel? Einzelheiten vom Ukraine Crisis Media Center:
Die Teilnehmer des Gipfels
Lettland, Litauen, Estland, Polen, die Slowakei, Ungarn, die Republik Moldau, Slowenien und Finnland waren durch ihre Staatsoberhäupter vertreten, Rumänien, Georgien, Kroatien und Schweden durch ihre Regierungschefs. Die Schweiz und Tschechien waren durch ihre Parlamentspräsidenten vertreten.
Mit ihren Außenministern waren die Türkei, Frankreich, Spanien, Italien, Belgien, Österreich, die Niederlande, Luxemburg, Irland, Dänemark, Bulgarien, Montenegro, Nordmazedonien und Norwegen (Staatssekretär des Außenministeriums) vertreten, und Großbritannien und Portugal mit ihren Verteidigungsministern.
Ferner haben an der Krim-Plattform der Präsident des Europäischen Rates und der Stellvertretende Generalsekretär der NATO teilgenommen.
Deutschland war durch den Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier und die USA durch die Energieministerin Jennifer Granholm vertreten.
“Allein die Anzahl der Vertreter der Länder, die teilnehmen, zeigt, dass dieses Thema zumindest bei der NATO und der Europäischen Union und anderen Partnern weiterhin eine offizielle Stellung genießt. Alle diese Länder sind Unterzeichner der Abschlusserklärung. Aus diplomatischer Sicht ist die wichtigste Frage, welche Länder gemeinsam mit uns an dieser Position festhalten. Diese Erklärung, dieses Abschlussdokument, ist sehr wichtig”, sagte Walerij Tschalyj, Vorstandsvorsitzender des Ukraine Crisis Media Center (UCMC) und ehemaliger ukrainischer Botschafter in den USA (2015-2019) während der Präsentation einer ukrainischen Umfrage über die Zukunft der Halbinsel Krim, die von der Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen” und dem Rasumkow-Forschungsinstitut vom 29. Juli bis 4. August 2021 durchgeführt wurde.
Was denken die Ukrainer?
Demnach sind 61 % der Ukrainer sind der Meinung, dass die Krim Teil der Ukraine sein sollte. 57 % glauben, dass nach der Befreiung von der russischen Besatzung auf der Halbinsel eine Autonomie der Krimtataren geschaffen werden sollte.
Junge Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren (67 %) und Einwohner der Westukraine (73 %) glauben am meisten an die Rückkehr der Krim zur Ukraine. Nur 6 % der ukrainischen Bürger sind der Meinung, dass die Krim Teil der Russischen Föderation sein sollte, das sind 4 % weniger als diejenigen, die der Meinung sind, dass die Krim ein unabhängiger Staat sein sollte (10 %).
Wie kann man eine Rückkehr der Krim erreichen? Die Befragten, die glauben, dass die Krim zur Ukraine zurückkehren kann, finden, dass diplomatische Bemühungen und härtere internationale Sanktionen gegen Russland (47 %) sowie Reformen und eine Erhöhung des Wohlstands in der Ukraine, um die Einwohner der Krim für sich zu gewinnen (46 %), die effektivsten Mittel wären. Am wenigsten glauben die Ukrainer an einen Erfolg von Verhandlungen mit der Russischen Föderation (12 %) und an eine vollständige Isolierung der besetzten Krim und die Einstellung aller Kontakte (13 %).
Die wichtigsten politischen Aussagen des Gipfels
Der ukrainische Präsident hatte zehn Minuten Redezeit, der Premierminister und der Parlamentspräsident jeweils fünf Minuten und alle ausländischen Gäste je drei Minuten.
Erklärungen von Präsident Selenskyj, Premierminister Schmyhal und Parlamentspräsident Rasumkow. In seiner einleitenden Rede erklärte Wolodymyr Selenskyj, dass die Besetzung der Krim schon 2741 Tage dauern würde und “wir keinen Tag mehr verlieren dürfen”. Er fügte hinzu, dass die Ukraine die Krim ohne internationale Unterstützung nicht alleine befreien könne. Selenskyj sagte auch, dass die Ukraine alles für eine Rückkehr der Krim tun werde. “Die Ukraine und ich persönlich werden alles tun, um die Krim zurückzuholen, damit die Krim zusammen mit der Ukraine Teil Europas wird. Dazu werden wir alle möglichen politischen, rechtlichen und vor allem diplomatischen Mittel nutzen”, sagte Selenskyj. Mehr als 100 politische Gefangene, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, ein erzwungener demografischer Wandel, die illegale Einberufung ukrainischer Staatsbürger in die russische Armee – all das seien traurige Realitäten der russischen Besatzung auf der Halbinsel, so Selenskyj.
Premierminister Denys Schmyhal sagte, die Annexion der Krim habe der Ukraine Verluste von mehr als 100 Milliarden Dollar verursacht. Er betonte, dass die ukrainische Staatsmacht eine Strategie zur De-Okkupation und Wiedereingliederung der Krim entwickelt habe, insbesondere um interne Probleme zu lösen, darunter die Verletzung der Rechte der Bewohner der Halbinsel.
Parlamentspräsident Dmytro Rasumkow betonte in seiner Rede, dass die Krim-Plattform “nicht nur einfach ein weiteres Gipfeltreffen” sei, sondern “ein wirksamer Mechanismus zugunsten der Ukraine und der Rechtsstaatlichkeit in der heutigen Welt”. “Die ukrainische Flagge muss wieder über dem ukrainischen Sewastopol wehen”, fügte er hinzu.
Erklärungen der Vertreter der EU und der NATO. Laut EU-Ratspräsident Charles Michel hat die Europäische Union die Ukraine seit 2014 mit 16 Milliarden Euro unterstützt. Er fügte hinzu, dass “unser Ziel darin besteht, sicherzustellen, dass die illegale Annexion niemals legitimiert wird”. Michel sagte, die EU werde ihre Politik der Nichtanerkennung der illegalen Annexion der Krim fortsetzen und forderte Russland auf, die gewaltsame Integration der Halbinsel in seine Grenzen zu stoppen.
Unterdessen sagte der stellvertretende NATO-Generalsekretär Mircea Geoana auf dem Gipfel der Krim-Plattform in Kiew, dass die Ukrainer den Weg der Freiheit, der Demokratie und der euro-atlantischen Integration gewählt hätten und dass die NATO voll und ganz auf der Seite der Ukraine stehe. Er fügte hinzu, dass die NATO die illegale Annexion der Krim durch Russland aufs Schärfste verurteile und niemals anerkennen werde. “Die Krim gehört zum Territorium der Ukraine und wir fordern Russland auf, die Kontrolle über die Halbinsel an die Ukraine zurückzugeben”, so Geoana.
Er stellte fest, dass die Sicherheitslage auf der Krim, im Osten der Ukraine und im Schwarzen und Asowschen Meer ganz Europa betreffe.
Russlands Vorgehen bringe der Ukraine Leid und menschliche Verluste, untergrabe das Völkerrecht und bedrohe die internationale Ordnung, sagte Geoana. Er erinnerte auch daran, dass die Staats- und Regierungschefs der NATO beim Gipfel im Juni die Entscheidung des Gipfels von Bukarest (2008) bekräftigt hätten, dass die Ukraine und Georgien Mitglieder des Bündnisses werden.
Erklärungen von teilnehmenden Staats- und Regierungschefs. Alle Redner waren sich darin einig, dass die Annexion der Krim im Jahr 2014 illegal war und die Ukraine das Recht hat, ihre Souveränität und territoriale Integrität wiederherzustellen. So bezeichnete insbesondere der Präsident Lettlands, Egils Levits, der unmittelbar nach Selenskyj sprach, die Besetzung als “brutale Verletzung”, die eher an die Politik des 19. Jahrhunderts als an die Politik des 21. Jahrhunderts erinnere. Eine solche Politik dürfe nicht akzeptiert werden, so der lettische Präsident.
Der polnische Präsident Andrzej Duda, der auf Ukrainisch begann, sagte, dass sein Land gut verstehe, was Besatzung bedeute: “Die Polen verstehen Ihre Situation, Ihre Gefühle und Ihr Leid.” Laut Duda braucht die Ukraine Solidarität. “Wir erkennen die illegale Besetzung der Krim und Sewastopols nicht an. Wir wissen, wie Gleichgültigkeit wehtut. Das haben wir 1945 gespürt, als die Alliierten uns verraten und uns mit Stalin hinter dem Eisernen Vorhang zurückgelassen haben”, erklärte der polnische Präsident.
Die moldauische Präsidentin Maia Sandu sagte, dass die Krim ein integraler Bestandteil der Ukraine sei und dass ihre illegale Annexion durch Russland eine klare Verletzung des Völkerrechts darstellen würde. Sie versicherte, die Republik Moldau sei und bleibe ein verlässlicher Partner der Ukraine.
Der litauische Präsident Gitanas Nauseda betonte, dass sein Land daran arbeiten werde, die Sanktionen gegen Russland zu verstärken, bis die Ukraine ihre Souveränität über die Krim wiedererlange. “Uns eint die Idee, dass die Rechte der Krimbewohner in vollem Einklang mit dem Völkerrecht wiederhergestellt werden müssen. Wir alle bleiben engagierte Unterstützer der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine. Wir werden daran arbeiten, dass die Sanktionen und die internationalen Bemühungen verstärkt werden, bis die Ukraine ihre Souveränität über das Territorium der Krim wiedererlangt”, sagte Nauseda.
Erklärungen der USA, Deutschlands und Frankreichs. Die Ukrainer waren auf die Äußerungen der Vertreter Frankreichs und Deutschlands (beide Länder gehören dem Normandie-Format an) sowie auf die Erklärung der US-Vertreterin gespannt. Alle drei waren nicht enttäuschend.
Die USA werden die Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten, solange die illegale Annexion der Krim und die Aggression im Donbass andauern. Dies bekräftige die US-Energieministerin Jennifer Granholm in ihrer Rede auf dem Gipfel der Krim-Plattform in Kiew. “Die Vereinigten Staaten sind stolz darauf, an der Krim-Plattform teilzunehmen und sie zu unterstützen. Ich möchte klar sagen, dass wir zusammen mit der Ukraine und Ihnen allen die illegale Annexion der Krim verurteilen… Und wir werden die Krim-Plattform weiterhin unterstützen, um kontinuierlich daran zu erinnern, dass die Krim Teil der Ukraine ist und dies immer bleiben wird. Und Russland muss für seine Aggression zur Rechenschaft gezogen werden”, so Granholm. Im Namen von Präsident Joe Biden sicherte sie der Ukraine Unterstützung zu, bei ihren Reformbemühungen, bei ihren euro-atlantischen Bestrebungen und beim Aufbau einer besseren Zukunft für das Land.
Deutschland wird weiterhin eine Politik der Nichtanerkennung der Krim-Annexion verfolgen und Sanktionen gegen Russland unterstützen. Dies sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Er betonte: “Deutschland erkennt und wird die rechtswidrige Annexion der Krim durch Russland nicht anerkennen.” Die Annexion habe ein großes Problem in der Region geschaffen, weshalb die EU Sanktionen verhängt und wiederholt verlängert habe. Und dies werde sie solange tun, solange es Gründe für Sanktionen gebe, so Altmaier. Der Minister verurteilte die Unterdrückung der Krimtataren und ethnischer Ukrainer durch die russischen Behörden, aber auch den Mangel an Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. “Wir werden nicht zulassen, dass die Krim zu einem blinden Fleck auf der Landkarte wird. Sie ist und bleibt ein Teil der Ukraine”, unterstrich er und fügte hinzu: “Heute stehen wir fest zusammen, um zu verurteilen, was passiert ist. Wir fordern Besserung, wir fordern Gespräche, wir fordern die Wiederherstellung der internationalen Ordnung.”
Schließlich versprach auch der französische Minister für Außenhandel und wirtschaftliche Attraktivität, Franck Riester, die territoriale Integrität der Ukraine zu unterstützen. “Im Namen von Emmanuel Macron, dem Präsidenten der Französischen Republik, der mich autorisiert hat, an Ihrer Veranstaltung teilzunehmen, möchte ich drei wichtige Dinge hervorheben. Ich möchte daran erinnern, dass Frankreich die illegale Annexion der Krim und Sewastopols durch Russland nicht anerkennt. Unsere Unterstützung für die territoriale Integrität der Ukraine bleibt konsequent. Wir sind wirklich davon überzeugt, dass diese Situation die internationale Ordnung bedroht”, sagte er. Der Minister fügte hinzu, Frankreich sei über die Lage auf der Krim, die systematischen Menschenrechtsverletzungen auf der Krim, insbesondere der Krimtataren, besorgt. “Russland muss an seine Verantwortung erinnert werden, da es das Territorium jetzt besetzt hat”, fügte Riester hinzu.
Schlusswort von Präsident Selenskyj: “Wir laden Russland ein, sich der Krim-Plattform anzuschließen”
Präsident Wolodymyr Selenskyj lud Russland – nicht ohne Ironie – ein, sich der Krim-Plattform anzuschließen, um gemeinsam Wege zur De-Okkupation der Krim zu erarbeiten. “Ich habe mir gedacht, dass die Russische Föderation, die natürlich nicht am Gipfel teilnimmt, aber so heftig diskutiert, kommentiert und reagiert, also so aktiv war, dass es einem schon vorkam, als wäre sie ein vollwertiges Mitglied der Krim-Plattform. Wenn sie so sehr an dieser Plattform interessiert ist, laden wir die Russische Föderation ein, sich der Krim-Plattform anzuschließen, um gemeinsam Wege zur De-Okkupation der Krim zu erarbeiten und um ihren historischen tragischen Fehler zu korrigieren. Ich verspreche, dass die Gipfelerklärung zur Verurteilung der Besetzung der Krim immer auch eine Zeile zur Unterschrift eines Vertreters der Russischen Föderation enthalten wird. Höchstwahrscheinlich wird es diese Unterschrift auf dem letzten Gipfel der Krim-Plattform in Jalta geben.”