Sieben Jahre Okkupation der Krim: Was denkt die ukrainische Gesellschaft?

Jedes Jahr am 26. Februar begeht die Ukraine den Tag des Widerstands gegen die Besetzung der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland. An jenem Tag im Jahr 2014 demonstrierten Tausende Bürger der Halbinsel vor dem Parlament der Krim für ihr Recht, im ukrainischen Staat zu leben.

Seit der Besetzung der ukrainischen Halbinsel sind sieben Jahre vergangen. Auf der Krim geht die politische Verfolgung derer weiter, die mit der Besatzungsmacht nicht einverstanden sind. Sowohl die Krimtataren als auch die Orthodoxe Kirche der Ukraine auf der Krim werden unterdrückt. Gleichzeitig wird in den ukrainischen Medien die Lage auf der Halbinsel nicht ausreichend beleuchtet, was sich negativ auf die öffentliche Meinung über die Krim auswirkt.

Beim Ukraine Crisis Media Center (UCMC) fand die Präsentation einer Studie zu Umfragen statt, die von März 2020 bis Januar 2021 von der Schule für politische Analyse der Nationalen Universität Kiew-Mohyla-Akademie in Auftrag gegeben wurden. Die Studie umreißt die die wichtigsten Punkte der Politik gegenüber der Krim. Einzelheiten dazu vom UCMC:

Nur 7% der Ukrainer sind mit der Okkupation einverstanden. Während der Umfrage im März 2020 wurden die Ukrainer gefragt, wie sie die Krim heute sehen. Die absolute Mehrheit der Befragten (86,7%) betrachtet die Krim als besetztes ukrainisches Territorium. Nur 7% der Befragten betrachten die Halbinsel als Teil Russlands. Nur 5,9% konnten keine Antwort geben. Dies und die relativ hohe Unterstützung für die erste Option zeigen, dass in der Gesellschaft Konsens besteht, was den ukrainischen Status der Halbinsel angeht.

Wie sollte der Status der Krim nach der Okkupation sein? Sowohl im März 2020 als auch im Januar 2021 wurden die Ukrainer nach der Wiederherstellung der ukrainischen Staatsmacht auf der Halbinsel und nach dem Status der Krim befragt. In der März-Umfrage gab es diesbezüglich mehrere Option zum künftigen Status der Krim als Teil der Ukraine. Die beliebtesten Optionen waren “Autonome Republik wie vor der Besetzung” (37%) und “Gewöhnliche Region ohne Sonderstatus” (27,5%). 14,6% waren dafür, der Krim den Status einer Autonomie der Krimtataren zu gewähren.

Dieses Ergebnis kann als Wunsch interpretiert werden, zum vorherigen Status quo zurückkehren oder der Krim den Status einer gewöhnlichen ukrainischen Region verleihen zu wollen. Was einen neuen Status angeht, herrscht offenbar gewisse Vorsicht.

Szenarien einer De-Okkupation. Laut Anna Osyptschuk von der Kiew-Mohyla-Akademie sind sich die Ukrainer insgesamt einig, dass die besetzte Halbinsel zur Ukraine zurückkehren soll. Dabei lehnt eine Mehrheit der Bürger ein militärische Szenario für eine De-Okkupation ab.

Wiederherstellung der Wasserversorgung der Krim. Eine Frage, die sowohl von ukrainischen Beamten als auch von Vertretern der Besatzungsverwaltung auf der Krim immer wieder thematisiert wird, ist die Wiederherstellung der Wasserversorgung der Krim. Die ukrainischen Behörden hatten kurz nach der russischen Besetzung im April 2014 die Wasserversorgung über den Nord-Krim-Kanal eingestellt. Ukrainische Experten meinen, das Wasser aus dem Kanal werde nicht benötigt, um die Bevölkerung zu versorgen, sondern das Militär und die Industrie. In diesem Zusammenhang wurde nachgefragt, welcher Meinung die Bevölkerung der Ukraine dazu ist.

Im September 2020 waren 29,8% für eine völlige oder teilweise Wiederherstellung der Wasserversorgung der Krim, im März des Jahres waren es 33,1%. Gleichzeitig ist die Zahl der Gegner einer Wasserversorgung der Krim von 36,4% im März auf 39,8% im September gestiegen. Der Anteil derjenigen, die eine Wiederherstellung der Wasserversorgung kategorisch ablehnen ging dabei entsprechend von 28,5% auf 27% leicht zurück. Damit kann gesagt werden, dass die Haltung der ukrainischen Bevölkerung in dieser Frage stabil ist: Trotz einer hohen Anzahl Unentschiedener ist eine Mehrheit gegen eine Wiederaufnahme der Wasserversorgung.

Was nun? Integration der Bevölkerung. Ein wichtiger Bestandteil der ukrainischen Politik gegenüber den Bürgern, die auf der vorübergehend besetzten Halbinsel leben, ist, für sie besondere Bedingungen zu schaffen, damit sie Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und anderen Dienstleistungen in der Ukraine erhalten. Im Frühjahr 2020 wurden die Ukrainer befragt, was sie von der Möglichkeit halten, den Zugang der Krimbewohner zu Leistungen der Behörden wie der Ausstellung von Personalausweisen und Reisepässen zu erleichtern. 46,3% der Befragten wären dafür, aber fast ein Drittel hatte dazu keine klare Meinung. Zum Beispiel hatten 15,3% der Ukrainer dazu keine Antwort oder wählten die Option “schwer zu sagen”. 17,4% antworteten mit “Ja und Nein”. Die Idee wurde von 10,4% bzw. 10,6% weder ganz noch teilweise begrüßt.

Darüber hinaus zeigt die Studie das Meinungsbild der Bürger, in Bezug auf eine Verbesserung des Zugangs zu medizinischen Dienstleistungen für Bewohner der vorübergehend besetzten Krim in der Ukraine. Die überwiegende Mehrheit der Befragten begrüßte dies und wählte die Optionen “vollständig zustimmen” (19,5%) und “teilweise zustimmen” (26,2%) – zusammen also 45,7%. 22,5% der Befragten, also etwas mehr als ein Fünftel, ist dagegen, während sich der Rest der Antworten auf die Optionen “schwer zu sagen” (13,3%) und “Ja und Nein” (18,5%) verteilten.

Dies zeigt, dass die ukrainische Öffentlichkeit ein vereinfachtes Verfahren zur medizinischen Versorgung von Bewohnern der Halbinsel unterstützt. Es ist aber zu beachten, dass die Umfrage im März 2020 durchgeführt wurde und sie die Situation mit der COVID-19-Pandemie nicht vollständig berücksichtigt.

Insgesamt begrüßen also die Befragten konkrete Schritte des ukrainischen Staates zur Unterstützung der Bevölkerung der vorübergehend besetzten Krim, obwohl es eine große Anzahl von Unentschlossenen gibt. Die Schritte werden aber nur solange begrüßt, solange sie die eigenen Möglichkeiten der Befragten nicht beeinträchtigen.

Informationspolitik der ukrainischen Behörden bezüglich der Krim. Die meisten Ukrainer stehen der Kultur- und Informationspolitik der Regierung bezüglich der Krim kritisch gegenüber. Fast die Hälfte meint, dass die Ukraine die internationale Gemeinschaft aktiver auf die Unterdrückung der Religionsgemeinschaften auf der Krim und in den von Kiew nicht unkontrollierten Teilen der Regionen im Donbass aufmerksam machen sollte. Gleichzeitig ist mehr als die Hälfte der Befragten (52,1%) der Ansicht, dass die staatliche Unterstützung für die Sprache und Kultur der Krimtataren größer sein sollte.

Während der Präsentation der Studie im UCMC äußerten sich zu diesem Punkt auch Experten, wie Julia Tyschtschenko, Mitbegründerin der Nationalen Plattform “Dialog über Frieden und sichere Wiedereingliederung”. Sie sagte, in der Ukraine würde es sowohl an positiven als auch negativen Informationen über die Krim fehlen. “Die Zählung von Inhalten zur Krim in den ukrainischen Medien ergab, dass es meist Wetterberichte waren. Das ist kein Scherz. Es gibt immer weniger Inhalte zur Krim”, so die Expertin.

Laut Serhij Mokrenjuk, Leiter der analytischen Abteilung des Regionalen Zentrums für Menschenrechte, gibt es immer weniger Informationen über die Krim, weil die Regierung zu wenig dafür tue. “Es gibt eine Studie der NGO Institut für Masseninformationen zu Inhalten über die Krim und woher sie stammen. Nur in 9% der Fälle waren die Behörden die Quelle der Informationen über die Krim. Das heißt, 91% der Inhalte sind Diskussionen über Inhalte auf Facebook und Telegram”, so Mokrenjuk.