Debatte um Sprache an Schulen, Nationalbank mit neuem Chef, COVID-19-Zahlen für die Ukraine und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Die Lage im Kampfgebiet im Donbass ist nach wie vor angespannt. Neben dem regelmäßigen Beschuss haben die russischen Besatzungstruppen letzte Woche auch noch gegen alle moralischen und humanitären Normen verstoßen, als sie auf drei Soldaten schossen, die die Leiche eines gefallenen ukrainischen Soldaten bergen wollten. Der Soldat war am 13. Juli durch die Explosion eines unbekannten Sprengsatzes in der Nähe des Ortes Sajzewe getötet worden.

Während der Bergung geriet der Trupp in eine von den Besatzern vorher gestellte Falle. Die prorussischen Rebellen schossen mit Kleinwaffen direkt auf die ukrainischen Soldaten. Der Bergungstrupp, der weiße Helme trug, hatte zuvor eine Bestätigung erhalten, wonach eine “Waffenruhe” herrschen werde. Die ukrainischen Soldaten schafften es zur Leiche ihre Kameraden bis auf wenige Meter. Als der Beschuss begann, zog sich der Trupp zurück, aber ein Militärarzt eilte einem Verwundeten zu Hilfe. Dabei wurde der Arzt durch feindliches Feuer getötet.


Debatte um Unterrichtssprache an Schulen in der Ukraine

Letzte Woche wurde in der Ukraine heftig darüber debattiert, in welcher Sprache die Schüler ab September unterrichtet werden sollen  – vorausgesetzt, dass dann nach der Coronavirus-Quarantäne wieder regulärer Schulbetrieb herrschen wird. Anlass für die Debatte ist ein Gesetzentwurf, der vom Abgeordneten der regierenden Partei “Diener des Volkes”, Maksym Buschanskyj, dem Parlament vorgelegt wurde. Er sieht Änderungen zu Gesetzen vor, die sich auf das Ukrainische als Unterrichtssprache in Bildungseinrichtungen des Landes beziehen.

Buschanskyj plädiert dafür, den für den 1. September dieses Jahres bei mindestens 80 Prozent  der russischsprachigen mittleren Schulklassen geplanten Übergang zur Unterrichtssprache Ukrainisch zu verschieben. Überhaupt will er den Umfang der ukrainischen Sprache im Bildungswesen reduzieren. 

Was will Buschanskyj mit dem Gesetzentwurf? Nach den in der Ukraine geltenden Gesetzen – “Über die Gewährleistung der Funktion des Ukrainischen als Staatssprache”, “Über das Bildungswesen” und “Über die allgemeine Sekundarschulbildung”, das von Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Empfehlung der Venedig-Kommission unterzeichnet hat – müssen Schulen, in denen in Sprachen ethnischer Minderheiten unterrichtet wird, den Umfang des Ukrainischen erhöhen, vor allem in Sekundär- und Oberschulen.

Insbesondere in Schulen, in denen in EU-Sprachen unterrichtet wird (das sind zu 95 Prozent Schulen mit ungarischer und rumänischer Unterrichtssprache), sollen ab der 5. Klasse mindestens 20 Prozent und ab der 9. Klasse mindestens 40 Prozent der Fächer auf Ukrainisch unterrichtet werden. Und in Oberschulen soll der Anteil 60 Prozent betragen. Diese Änderung tritt aber erst am 1. September 2023 in Kraft.

Für die Krimtataren als indigenes Volk der Ukraine gelten gesonderte Regelungen. Sie können von der ersten bis 12. Klasse in ihrer Sprache unterrichtet werden. Parallel dazu müssen die Schüler jedoch Ukrainisch lernen.

Für alle anderen ethnischen Gemeinschaften gilt (es geht vor allem um das Russische als Unterrichtssprache), dass ab der 5. Klasse mindestens 80 Prozent des Unterrichts in ukrainischer Sprache zu erfolgen hat. Diese Regelung tritt am 1. September dieses Jahres in Kraft. Buschanskyj schlägt vor, auch diese Regelung auf das Jahr 2023 zu verschieben.

Buschanskyjs spricht von “Diskriminierung”.  Der Abgeordnete verlangt, dass für die russischsprachigen Schulen ebenfalls all die Regelungen gelten sollten, wie für Schulen, in denen in EU-Sprachen unterrichtet wird. Er wolle, so Buschanskyj, eine “Diskriminierung” beseitigen – denn für russischsprachige Schulen würden künftig andere Regelungen gelten als für polnisch-, rumänisch- oder ungarischsprachige. 

Argumente von Gegnern des Gesetzentwurfs. Klar ist, dass die russische Sprache in der Ukraine keine “Sprache einer ethnischen Minderheit” ist, die in einem bestimmten Gebiet des Landes kompakt lebt. Russisch ist die Sprache des einstigen Imperiums, die sich in der Ukraine nach wie vor hält und ein politisches Instrument ist.

Taras Schamajda, der an den geltenden Sprach-Gesetzen mitgewirkt hat, erklärte, die bereits beschlossenen  Änderungen würden den Empfehlungen der Venedig-Kommission des Europarates voll entsprechen. “Was die russischsprachigen Schulklassen angeht, so sprechen die Lehrer dort Ukrainisch, und die Kinder leben in einem entsprechenden Umfeld. Ihnen wird es leichter fallen, zum Ukrainischen als Unterrichtssprache überzugehen. Die ungarischen und rumänischen Schulen brauchen mehr Zeit, um sich auf den Übergang zur ukrainischen Unterrichtssprache in dem vom Gesetz vorgesehenen Umfang vorzubereiten”, sagte Schamajda. Ihm zufolge wurden ähnliche Argumente, wie sie Buschanskyj vorträgt, im Jahr 2019 vom Verfassungsgericht bereits geprüft. Es habe die Gesetze als verfassungskonform anerkannt.

Proteste vor dem Parlament. Buschanskyjs Gesetzesvorlage wurde von den Abgeordneten aber bisher nicht geprüft. Am 16. und 17. Juli gab es Proteste vor dem Parlament. Aus der Partei “Diener des Volkes” war daraufhin zu hören, dass Buschanskyjs Entwurf wahrscheinlich nicht mehr erörtert wird – vor allem aus finanziellen Gründen. 

Bereits am 23. Juni hatte der zuständige Ausschuss des Parlaments empfohlen, den Entwurf wegen unvorhersehbarer Ausgaben im Etat für 2020 abzulehnen. “Für zusätzliche Lehrbücher in russischer Sprache für den Zeitraum 2020 bis 2022 sind zusätzliche 56,8 Millionen Hrywnja aus dem Staatshaushalt nötig, davon 38,6 Millionen allein im Jahr 2020”, so der Ausschuss. Zugleich wurde betont, dass weder das Finanzministerium noch das Bildungsministerium Buschanskyjs Gesetzentwurf unterstützen würden. 


Neuer Nationalbank-Chef: Was ist über ihn bekannt?

Am 16. Juli hat das Parlament auf Ersuchen von Präsident Wolodymyr Selenskyj Kyryl Schewtschenko, den Leiter der staatlichen Ukrgasbank, zum neuen Vorsitzenden der ukrainischen Zentralbank ernannt. Der Banker mit mehr als 25 Jahren Arbeitserfahrung tritt die Nachfolge von Jakiw Smolij an. 

IWF verlangt Unabhängigkeit der Nationalbank. Vor Schewtschenkos Ernennung führte Präsident Selenskyj ein Telefongespräch mit der IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. Er versicherte ihr, einen Technokraten zu ernennen. Georgiewa betonte, es sei wichtig für den IWF, dass der neue Nationalbank-Chef die Unabhängigkeit der ukrainischen Zentralbank garantiere. Die sei eine der wichtigsten Forderung des IWF im Rahmen des Stand-by-Programms für die Ukraine in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar. Schewtschenko hält die Zusammenarbeit mit dem IWF für das ukrainische Finanzsystem für notwendig. Er tritt für die Wahrung der institutionellen Unabhängigkeit der Zentralbank ein.

Erklärungen des neuen Nationalbank-Chefs. Kyrylo Schewtschenko hatte die frühere Leitung der Nationalbank für eine zu straffe Geldpolitik kritisiert, darunter für eine langsame Senkung des Diskontsatzes, was keine Senkung der Zinssätze für Bankdarlehen ermöglichte. Gleichzeitig lobte Schewtschenko die Politik der ukrainischen Regierung, die auf günstigere Kredite abzielt.

Vor dem Rücktritt von Jakiw Smolij vom Posten des Nationalbank-Chefs erklärte Präsident Selenskyj, er werde die Nationalbank dazu drängen, günstigere Kredite für die Ukrainer zu ermöglichen. Wahrscheinlich soll Schewtschenko diese Aufgabe umsetzen.

Schewtschenko selbst sagte vor dem Parlament, er werde als Chef der Zentralbank eine unkontrollierte Inflation und Geldemission nicht erlauben. Allerdings hatte Selenskyj neulich erklärt, die Staatsmacht sei mit dem gegenwärtigen Wechselkurs der Hrywnja nicht zufrieden. Er passe nicht zur Prognose des Staatshaushalts für das Jahr 2020, der von einem Kurs von 30 Hrywnja pro US-Dollar ausgeht.

Risiken für die Unabhängigkeit der Nationalbank. Timothy Ash, Experte von Bluebay Asset Management, hält Schewtschenko für einen der Kandidaten, der für die Unabhängigkeit der ukrainischen Zentralbank gefährlich werden könnte, insbesondere durch eine sehr wahrscheinliche Geldemission, die vom derzeitigen Vorstand der Nationalbank abgelehnt wird.

Kritik von Kolomojskyj? Unterdessen ist Kritik an Schewtschenko zu hören, vor allem seitens des Abgeordneten Oleksandr Dubinskyj, der Mitglied der regierenden Partei “Diener des Volkes” ist. Ihm werden enge Beziehungen zum Oligarchen und ehemaligen Besitzer der 2016 verstaatlichten PrivatBank, Ihor Kolomojskyj, nachgesagt. Es könnte aber auch sein, dass Dubinskyjs Kritik an Schewtschenko eine geplante PR-Aktion ist, um dem neuen Nationalbank-Chef im Westen ein positives Image zu verleihen.


Frauenfeindlichkeit und Popkultur in Russland

Das Coronavirus und die Quarantäne haben weltweit das Problem der häuslichen Gewalt auf die Tagesordnung gesetzt. Dieses Problem ist in Russland besonders akut. Die Hybrid Warfare Analytical Group (HWAG) des Ukraine Crisis Media Center (UCMC) hat untersucht, wie die heutige russische TV-Popkultur zur Verbreitung frauenfeindlicher Ansichten in der russischen Gesellschaft beiträgt. Dazu hat die HWAG einen Beitrag in englischer Sprache unter dem Titel “How Russian Pop-Culture Reflects Misogynistic Policies” veröffentlicht.


Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft

In der Ukraine wurden am 19. Juli 651 neue Fälle von COVID-19 registriert. 560 Menschen wurden als genesen gemeldet, 13 verstarben an der Krankheit. Seit Beginn der Pandemie wurde in der Ukraine bei 59.493 Menschen COVID-19 festgestellt, von denen 31.439 genesen sind. Insgesamt 1498 Menschen sind an dem Coronavirus gestorben. Gegenwärtig gibt es in der Ukraine 26.556 aktive Erkrankungen.